Freizeit-Tipps fürs Wochenende Fotos zeigen Alltag im geteilten Deutschland

Rhein-Kreis Neuss · Eine beeindruckende Fotoausstellung im Romaneum zeigt, was hinter den großen geschichtlichen Ereignissen steckt: der Mensch. Der Fotograf Siegfried Wittenburg hat Tausende von Fotos von Menschen und Situationen in der DDR und der Wendezeit gemacht.

25 Jahre Mauerfall — die Feierlichkeiten mögen vorbei sein, aber die Erinnerungen bleiben. Einer, der den Fall des sozialistischen Bollwerks aus einer ganz besonderen Perspektive erlebt hat, ist Siegfried Wittenburg. Er wurde 1952 in Warnemünde geboren, wollte als junger Mann Fotografie studieren, aber wurde nicht angenommen. "Es gab zu viele Bewerber", sagt er und ist heute eigentlich auch ganz froh, dass es damals nicht geklappt hat. "Die Studenten wurden damals auf Parteinkonformität getrimmt", sagt er.

Damit wäre er wohl nicht klargekommen, und auch hätte Wittenburg kaum jene Fotos gemacht, die jetzt auf zwei Etagen an den Wänden des Treppenhauses im Romaneum hängen. Jede einzelne der rund 150 Aufnahmen erzählt eine eigene Geschichte. Und alle zusammen erzählen sie vom "Leben in der Utopie oder Als Deutschland noch geteilt war".

In der früheren DDR und auch jetzt noch hat Wittenburg die Kamera immer dabei. Die Motive bot und bietet ihm sein Lebensumfeld, in der DDR machte er Aufnahmen von Warteschlangen unter einem Banner mit sozialistischer Durchhalteparole, von den wartenden Menschen im sogenannten Tränenpalast in Berlin oder auch von Arbeitskollegen, die sich die Kleidung selber machten, die im Westen bei ihren Altersgenossen angesagt war.

Sachgruppenleiter für Radartechnik war Wittenburg in der DDR. "In der Partei war ich nie, und höher gestiegen bin ich auch nicht, weil mein Bruder in den Westen geflohen ist", erzählt er. Dafür hat er fotografiert, sich manches Mal brenzligen Situationen ausgesetzt. Denn so wie er sein Umfeld beobachtete, wurde auch er beobachtet. "Meine Bilder waren anders", sagt er — wovon sich jeder Besucher im Romaneum eindrucksvoll überzeugen kann. Von geschöntem Alltag keine Spur. Eine Reihe zeigt die fantasievoll ausdrapierten, aber doch leeren Schaufenster von Geschäften; eine andere unter dem Stichwort "Aufrecht gehen" Demonstranten mit Transparenten oder den jungen Joachim Gauck bei der Predigt in einer Kirche. Wittenburg schaffte es schließlich in den Verband der bildenden Künstler — und fing nach der Wende doch wieder von vorne an.

Er baute in Warnemünde eine Ladengalerie auf. Und fotografierte weiter. Deswegen ist die Ausstellung mehr als nur eine Fotochronik der alten DDR, sie ist ein Stück Zeitgeschichte, weil sie "gegen ein schleichendes Vergessen" gerichtet ist, wie der Fotograf selbst sagt. Wie hat er geschafft, dass man ihn ließ? "Man muss immer so tun, als ob es normal ist, mit der Kamera irgendwo zu stehen", sagt er. Daran hält er sich auch heute noch.

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