Rhein-Kreis Neuss Hartz IV: Initiativen wirken - Problem bleibt

Rhein-Kreis Neuss · Die mit finanzieller Unterstützung des Rhein-Kreises gestarteten Programme, die Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen ohne Job neue Chancen eröffnen sollen, zeigen Wirkung. Die Zahl der Betroffenen steigt dennoch an.

 Um das Jobcenters ging es im Kreisausschuss: Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hatte dazu Jobcenter-Geschäftsführerin Wendeline Gilles eingeladen.

Um das Jobcenters ging es im Kreisausschuss: Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hatte dazu Jobcenter-Geschäftsführerin Wendeline Gilles eingeladen.

Foto: Woi

Die Bilanz ist gut, aber das Problem bleibt ungelöst - stark verkürzt ist das das Ergebnis eines gestern im Kreisausschuss von Jobcenter-Geschäftsführerin Wendeline Gilles vorgestellten Berichts zur Betreuung von Hartz-IV-Empfängern im Rhein-Kreis. Der nüchterne Blick auf die Zahlen trübt die Leistungsbilanz, die zumindest für Teile der betroffenen Menschen durchaus Hoffnung macht. 15746 Bedarfsgemeinschaften leben im Rhein-Kreis derzeit von den sogenannten Hartz-IV-Leistungen. Das sind fast 40 000 Menschen. Hinzu kommen mehr als 21 500, die zwar Arbeit haben, deren Einkommen aber zum Leben nicht reicht und die deshalb ebenfalls Leistungen des Jobcenters beziehen. Tendenz steigend.

Der Kreistag hat bereits reagiert: 67 500 Euro stehen durchgängig im Kreishaushalt für Arbeits- und Beschäftigungsinitiativen zur Verfügung. Für ein "Soziales Handlungskonzept" wurden 2012 erstmals weitere 200 000 Euro eingestellt. Mit gezielten Maßnahmen sollten so Frauen beim (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben gefördert, Jugendlichen ohne Schulabschluss neue Perspektiven eröffnet sowie Menschen mit Behinderungen besser im Arbeitsmarkt integriert werden. Ein weiterer Schwerpunkt der Kreisförderung: die Gewinnung neuer Fachkräfte für die Altenpflege. Mit dem Haushalt 2014/2015 wurden die Mittel für das Soziale Handlungskonzept um 200 000 Euro aufgestockt. Das Geld soll vor allem eingesetzt werden, um Langzeitarbeitslosigkeit bei Jugendlichen zu bekämpfen. Dazu setzt der Kreis auf jedwede Form einer Begleitung, um zu erreichen, dass am Schluss von Qualifizierungen eine Ausbildung oder die Aufnahme einer Arbeit steht. Jobcenter-Chefin Gilles präsentierte für diese Programme gestern eine erste Bilanz: 624 Teilnehmer haben die Maßnahmen beendet. Davon beziehen 18,8 Prozent inzwischen keine Leistungen mehr. Weitere 10,7 Prozent haben zumindest eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. "Das ist ein hervorragendes Ergebnis und bestätigt uns, auf diesem Weg weiterzugehen", sagte Gilles im Ausschuss.

Hubert Wehren von der Agentur für Arbeit Mönchengladbach, gestern ebenfalls als Experte geladen, lobte besonders das Engagement für Jugendliche: "In der Region ist im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit kein Jobcenter so erfolgreich wie das ist in Neuss."

Für Erhard Demmer (Bündnis 90/Die Grünen) ist das allerdings auch ein Hinweis darauf, dass die Fördermaßnahmen im Kreis in eine falsche Richtung gehen: "Die großen Probleme haben wir nicht bei den Jugendlichen, sondern bei Älteren, Alleinerziehenden, Behinderten und Ausländern." Gert Ammermann (CDU) hingegen verteidigt den Schwerpunkt: "Wenn wir bei den Jugendlichen rechtzeitig ansetzen, vermeiden wir viele Folgeprobleme." Auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hält viel von der Unterstützung für Jugendliche. Damit ließen sich Hartz-IV-Karrieren vermeiden.

Dass die Gesamtzahl der Leistungsbezieher trotz der Arbeit des Jobcenters nicht sinkt, liegt, so Gilles, an den immer neuen Zugängen. Warum die Betroffenen ein Fall fürs Jobcenter werden, lässt sich nach einer von Gilles beauftragten Erhebung nicht eindeutig beantworten: Auslaufende Zahlungen des Arbeitslosengeldes I, zu geringe Einkommen, Trennung vom Lebenspartner... Die Ursachen sind vielfältig - und zu einem guten Teil unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Was bleibt? Für Landrat Petrauschke auch ein Appell an die Unternehmen im Rhein-Kreis: "Wir brauchen mehr Arbeits- und Ausbildungsstellen." Wobei, so Gilles, dann auch über die geforderten Qualifikationen nachgedacht werden müsse. Bislang zeige die Erfahrung, dass zwar mehr Stellen angeboten würden, gleichzeitig jedoch auch die Anforderungen an die Bewerber immer weiter steigen. Die Menschen, die Gilles vermitteln soll, haben jedoch zu 67 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung: "Wir setzen stark auf Qualifizierung, müssen aber auch erkennen, dass es Fälle gibt, in denen wir damit nicht weiterkommen."

(NGZ)
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