Rhein-Kreis Neuss Haushaltsgegenstände aus Zinn als Kunst

Rhein-Kreis Neuss · Keksdosen, Sahneschälchen oder Vasen wurden aus Zinn gegossen und mit naturalistischen oder abstrahierten Motiven versehen. 1200 Objekte umfasst die Sammlung im Kreismuseum, von denen nun ein Teil ausgestellt ist.

 Museumsleiterin Angelika Riemann mit einer Bodenvase aus Zinn im Jugendstil, die in der Ausstellung im Kreismuseum Zons zu sehen ist.

Museumsleiterin Angelika Riemann mit einer Bodenvase aus Zinn im Jugendstil, die in der Ausstellung im Kreismuseum Zons zu sehen ist.

Foto: Linda Hammer

Zinn gilt als das Silber des kleinen Mannes. "Das ist aber absoluter Quatsch", sagt Angelika Riemann, Leiterin des Kreismuseums Zons. Sie muss es wissen, ist sie doch Herrin über eine Jugendstil-Zinnsammlung mit über 1200 Objekten. Kunst aus Zinn gilt zudem als eher sperrig. Auch dem widerspricht Riemann: "Zinn ist hochsinnlich. Die Vorurteile sind eher sperrig."

Dass ein Museum in der Provinz über eine derart beachtliche Jugendstil-Zinnsammlung verfügt, ist vor allem Riemanns Vorgängerin zu verdanken: Helene Blum-Spicker war von 1972 bis 2007 die erste Direktorin des Kreismuseums Zons. Die ersten sieben Jahre lang hatte das Kreismuseum keinen eigenen Bestand, sondern arbeitete mit Wechselausstellungen und museumspädagogischen Angeboten.

1979 stand die Sammlung "Zinn des Jugendstils" von Giorgio Silzer für 1,4 Millionen Mark zum Verkauf. Eine stattliche Summe für den Rhein-Kreis. "Doch Blum-Spicker hatte das richtige Gespür", so Riemann. "Und der Kreis, der Landschaftsverband Rheinland sowie das Land NRW bewiesen unglaublichen Mut, diesem Gespür seinerzeit zu folgen und die Sammlung zu kaufen." Zumal damit Folgekosten verbunden waren. Vitrinen mussten angeschafft, Inventarlisten erstellt werden.

Giorgio Silzer, der vor kurzem mit 94 Jahren in Ostfriesland starb, hatte eine bewegte Biografie. In Oberschlesien und im Tessin aufgewachsen, spielte er als Violinist zunächst in Bern, später wurde er Konzertmeister an der Deutschen Oper in Berlin. Jugendstil- und Art-Deco-Objekte waren seine Leidenschaft. Er zählte zu den bedeutenden Privatsammlern in Deutschland. 2009 kaufte das Kreismuseum zwei weitere Objekte von ihm.

Die Sammlung, die das Kreismuseum 1979 erworben hatte, umfasst rund 1000 sogenannte Inventarnummern. "Das bedeutet, es sind weitaus mehr Einzelteile", erklärt Riemann. Erst gemeinsam bilden einige davon ein Ensemble, beispielsweise Tee- und Kaffeeservice oder Schreibutensilien.

"Zinn ist eins der besten Materialien, sich künstlerisch auszudrücken", sagt Riemann. Zu Zeiten des Jugendstils hätten Kunsthandwerker die Expressivität des Materials erkannt und Gegenstände wie Keksdosen, Tabletts, Zucker- und Sahneschälchen, Terrinen, Schalen oder Vasen aus Zinn gegossen und mit naturalistischen oder abstrahierten Motiven versehen.

Eines der auffälligsten Objekte ist die Bodenvase aus Zinn und Keramik, die den Auftakt in den Zonser Ausstellungsräumen bildet. Die Vase stammt aus der Kölner Manufaktur Orivit. "Dieser Modelltyp war auch auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900", berichtet Riemann.

Die meisten weiteren Objekte stammen aus der Kayser-Zinnmanufaktur in Krefeld und Köln, besser bekannt unter dem Begriff Kayserzinn. Wie bedeutend diese Epoche des Jugendstil-Zinns war, zeigte sich 1989 auch in New York. Das Museum of Modern Art widmete den künstlerischen Haushaltsgegenständen und dem noblen Interieur sogar eine eigene Kayserzinn-Ausstellung.

(NGZ)
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