Rhein-Kreis Neuss Im Rhein-Kreis fehlen "junge" Pflegeplätze

Rhein-Kreis Neuss · Kreisweit gibt es nur 17 stationäre Spezialpflegeplätze für Menschen unter 60 Jahren. Diese befinden sich im Dormagener Malteserstift.

Politik und Verwaltung diskutieren über das Leben "danach". Darüber, wie es aussehen kann, wenn der Alltag nicht mehr ohne Hilfe beim Waschen, Anziehen und Verpflegen gelingt. Dabei denkt der Rhein-Kreis Neuss bislang in erster Linie "alt". Junge Pflegefälle fallen durchs Raster. Die Politik hat sie aus den Augen verloren. Das heißt konkret: Rund 320.000 unter-60-jährigen Kreis-Neussern stehen derzeit nur 17 vollstationäre Spezialpflegeplätze für Menschen unter 60 Jahren im Dormagener Malteserstift St. Katharina gegenüber. Marcus Mertens von der Heimaufsicht des Kreises sagt: Möglicherweise reicht das tatsächlich nicht aus. "Wir werden das Thema ,Junge Pflege' bei der Bedarfsplanung nach 2013 noch einmal genau beleuchten müssen."

Der Stand ist der: Wenn ein alter Mensch den Alltag nicht mehr alleine stemmen kann, kommt er ins Altenheim. Wenn bei einem Jungen das Schicksal zuschlägt, er erkrankt oder durch einen Unfall zum Pflegefall wird, hat er die Chance auf einen der 17 "jungen" Pflegeplätze in Dormagen. Oder er kommt in ein Altenheim. "Wir haben eine Warteliste, viele Interessenten ziehen ihre Bewerbung aber auch zurück und greifen auf einen regulären Pflegeplatz zurück, weil es sehr lange dauern kann, bis ein Platz bei uns frei wird", sagt Barbara Caron, Leiterin des St.-Katharina-Stifts. In der Nachfrage-Statistik tauchen diese "Fehlplatzierten" dann gar nicht mehr auf. Für die jungen Menschen heißt das im Zweifel: Wecken um sechs, mittags Blutwurst und Grießbrei, mittwochs Bingo - ein Leben zwischen pflegebedürftigen Senioren.

Während die aktuelle Pflegebedarfsanalyse für den Rhein-Kreis in 2015 einen Überhang von 564 vollstationären Pflegeplätzen aufweist, ist die Infrastruktur in Bezug auf die wohnortnahe "Junge Pflege" schlecht. Woran liegt das? "Junge Menschen haben eine andere Erwartungshaltung, deshalb ist die Pflege, abgesehen von der medizinischen Vielschichtigkeit, in jeder - auch finanzieller - Hinsicht aufwendiger als bei Senioren", sagt Barbara Caron. "Wer krank ist, altersmäßig aber mitten im Leben steht, möchte vielleicht trotzdem jeden Tag geschminkt werden. Diese Bewohner haben einen Anspruch auf Förderung und auf Normalität."

Im "Junge Pflege"-Bereich des Malteserstifts St. Katharina leben Menschen mit Multipler Sklerose, andere haben Hirnschäden nach einem Unfall, Schlaganfall oder Alkoholmissbrauch. "Der Pflegebedarf verändert sich, es geht keineswegs nur um alte Menschen, das sehen wir jeden Tag", sagt Horst Kunze von der Alloheim Management-Gesellschaft, die in Neuss, Grevenbroich und Dormagen Pflegeeinrichtungen betreibt. "Wir prüfen derzeit, ob wir im Rhein-Kreis weitere ,Junge Pflegen' einrichten."

Das Thema in den Blick zu nehmen, hält auch Kreissozialausschuss-Vorsitzender Hans-Ulrich Klose (CDU) für eine gute Idee. "Ich weiß, dass es solche Fälle immer gegeben hat", sagt er. Viele seien bislang womöglich im "System" verschwunden - durch Unterbringung in herkömmlichen Pflegeheimen.

(NGZ)
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