40 Jahre Rhein-Kreis Neuss Kontrolleure im Einsatz für die Verbraucher

Rhein-Kreis Neuss · Lothar Norf ist einer der sieben Kontrolleure im Kreis. Die Verbrauchersicherheit steht für ihn an erster Stelle.

 Lothar Norf misst bei der Essensanlieferung in einer Kindertagesstätte, ob die Töpfe die richtige Temperatur haben.

Lothar Norf misst bei der Essensanlieferung in einer Kindertagesstätte, ob die Töpfe die richtige Temperatur haben.

Foto: RKN/Andreas Baum

Ist wirklich überall Schinken drin, wo Schinken draufsteht? Hält sich die Bäckereifachverkäuferin an die Hygienevorschriften? Haben die Kühlregale im Supermarkt die richtige Temperatur? Diese und viele andere Fragen sind Alltag für Lothar Norf und seine Kollegen vom Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt. Das Amt mit dem komplizierten Namen ist mit insgesamt 28 Mitarbeitern eins der kleinsten im Rhein-Kreis Neuss. Aber die Bürger profitieren tagtäglich von der Arbeit der Veterinäre und Lebensmittelkontrolleure — nicht nur, weil diese ein wachsames Auge darauf haben, dass hiesige Küchenchefs sauber arbeiten.

Auch Dessousläden im Rhein-Kreis werden von den Kontrolleuren von Zeit zu Zeit aufgesucht — rein dienstlich, versteht sich. Seit 33 Jahren begutachtet Lothar Norf als Lebensmittelkontrolleur Restaurantküchen, Metzgereien, Kindergartenkantinen, Kioske und viele andere Betriebe, die mit Lebensmitteln, Kosmetika oder Tabakwaren zu tun haben. "Ich bin in dieser Zeit vom jüngsten zum mittlerweile dienstältesten Mitarbeiter geworden", sagt Norf, der seine berufliche Laufbahn als Konditormeister gestartet hat. Eine erfolgreich abgeschlossene Meisterprüfung im Lebensmittelhandwerk ist noch heute eine der Voraussetzungen, um die Ausbildung zum Lebensmittelkontrolleur beginnen zu können: Wer kontrolliert, muss wissen, wie die Praxis funktioniert.

Der Wechsel von der Backstube zur Lebensmittelüberwachung war für Norf allerdings zunächst gewöhnungsbedürftig. "Ich komme ja aus der süßen Ecke und werde meinen ersten Tag im Schlachthof nie vergessen", erinnert sich der 61-jährige Korschenbroicher. "Die Gerüche dort, der Tötungs- und Schlachtvorgang, die Anschnitte an den Organen, das alles lässt einen nicht kalt, besonders wenn man kurz vorher noch Kuchen und süße Teilchen kreiert hat." Abschrecken ließ sich Lothar Norf aber keineswegs. 1983 erwarb er die Zusatzqualifikation zum Fleischfachassistenten. Nach dem Rotationsprinzip kontrolliert er — zusammen mit sechs Kollegen — seitdem die verschiedenen Kreisbezirke.

Alle vier bis fünf Jahre wechseln die Kontrolleure ihre Bezirke, zurzeit ist Lothar Norf für Jüchen zuständig. "Das Rotationsprinzip dient der Korruptionsprävention, aber es verhindert auch, dass man betriebsblind wird", sagt Amtsleiter Frank Schäfer. Die Aufgaben der Lebensmittelüberwacher beginnen nicht erst in den Betriebsküchen oder hinter Fleischtheken. "Unser Anliegen ist immer die Verbrauchersicherheit", erzählt Lothar Norf. "Das fängt schon bei der Hilfe für Existenzgründungen an. Wir erklären zum Beispiel, welche baulichen Voraussetzungen eine Küche haben muss oder welche Hygienemaßnahmen nötig sind." So mancher nimmt nach einem Gespräch mit den Beamten schnell wieder Abstand von seinem Vorhaben. "Es gibt viele Bürger, die sich mit dem Verkauf von selbst gemachter Marmelade aus der eigenen Küche etwas dazu verdienen wollen, das ist regelrecht zum Trend geworden", sagt Norf. "Wenn ich den Leuten erzähle, dass das Haustier dann aber nicht mehr in die Küche darf, hat es sich oft schon mit dem geplanten Marmeladenvertrieb."

Selbst bei bereits existierenden Kleinbetrieben oder Gewerbetreibenden stellen Norf und seine Kollegen oft einen Mangel an Fachkompetenz fest. "Es gibt Kleinunternehmer, die zum Beispiel einen Frühstücksservice anbieten und sich wundern, wenn wir sie aufsuchen. Sie begreifen nicht, dass sie in der Produkthaftung sind. Teilweise wissen sie gar nicht, was Lebensmittelkontrolleure überhaupt sind", gibt Norf zu bedenken.

Zwar seien die gesetzlichen Vorgaben hoch. "Aber die Qualifikationen sind sehr niedrig angesetzt. Bisher reicht ein etwa dreistündiger Kurs bei der IHK, der sogenannte Frikadellenkurs, aus, um ein Restaurant eröffnen zu dürfen", erklärt Schäfer. Allerdings hat die Politik das Problem des fehlenden Sachverstandes mittlerweile erkannt und ist dabei, einen bundesweiten Berufstest für Gastronomen, den Gastro-Führerschein, zu planen. Er soll verpflichtend sein und bei Beanstandungen entzogen werden können.

Verwarnungen von Seiten der Kontrolleure folgen zum Beispiel auf einen der Klassiker: "Besagt die Speisekarte, dass eine Pizza mit Schinken belegt ist, in Wirklichkeit handelt es sich aber um den minderwertigen 'Pizzabelag‘, ist das eine Verbrauchertäuschung und kann ein Bußgeld zur Folge haben", sagt Kontrolleur Norf. "Der sogenannte Pizzabelag ist ein Schinkenimitat und hat mehr mit Brühwurst als mit Schinken zu tun. Natürlich ist er auch erheblich preiswerter." Zugelassen sind diese Imitate, zu denen auch der berüchtigte Analogkäse zählt zwar — aber sie müssen als solche gekennzeichnet sein. Etwa 2200 Proben wertet das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt in Zusammenarbeit mit anderen Untersuchungsämtern pro Jahr aus. Jedes Lebensmittel ist mit bakteriologischen Standards versehen.

Feste Vorgaben, wie oft Betriebe besucht werden, gibt es nicht. "Aber wenn bei einem Betrieb neun von zehn Proben den Richtwert überschreiten, sieht der Eigentümer uns sicher nicht nur einmal im Jahr", sagt Norf. Weil die Kontrollen immer unangemeldet sind, haben sie mitunter weitreichende Folgen. "Es ist einmal passiert, dass ich vormittags eine Gaststätte schließen musste, in der nachmittags eine Hochzeit hätte stattfinden sollen", sagt er. "Das war natürlich ärgerlich für das Brautpaar, aber die Gaststätte befand sich in verheerendem Zustand. In einem Toaster war beispielsweise Mäusekot."

Klare Worte, aber auch Empathie und Fingerspitzengefühl seien gefordert. Sogar dann, wenn er Betriebe kontrolliert, die auf den ersten Blick wenig mit seinem Bereich zu tun haben. So sind die Kontrolleure auch für Bedarfsgegenstände zuständig, die mit der Haut in Berührung kommen. "Dazu gehört nun mal Unterwäsche. Aber dass die Dessousverkäuferin sich wundert, wenn ich ihr sage, dass ich von der Lebensmittelüberwachung komme und Proben nehmen muss, kann ich schon verstehen."

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