Rhein-Kreis Neuss Meisterbrief sichert Vertrauen ins Handwerk

Neuss · Die Meisterpflicht könnte aufgrund einer EU-Vorgabe bald kippen: Neusser Meister aus verschiedenen Branchen sehen das sehr kritisch.

 Monika Görg von Krinke Optik hat eine fundierte Ausbildung genossen. Ihr Meistertitel biete den Kunden Qualitätssicherheit, sagt sie.

Monika Görg von Krinke Optik hat eine fundierte Ausbildung genossen. Ihr Meistertitel biete den Kunden Qualitätssicherheit, sagt sie.

Foto: Woitschützke

Hornhautverkrümmung, entspiegelte Gläser, Gleitsicht - Michael Ritters hat 1983 seine Lehre als Optiker begonnen und kennt sich bestens aus. In einem Optometrie-Studium hat er seine Kenntnisse erweitert, ist seit 22 Jahren Meister, bildet Lehrlinge aus in seinem Geschäft an der Sebastianusstraße.

Was sich nach einer soliden Karriere im Handwerk anhört, könnte bald nur noch die Ausnahme darstellen: Wenn die Meisterpflicht fallen sollte "und jeder Hinz und Kunz ein Geschäft aufmachen kann", sagt Günter Tockloth, Fleischermeister in Neuss-Vogelsang. Die EU-Kommission hat die Überprüfung bestehender Berufsreglementierungen angeregt - darunter fällt auch die Vorgabe, dass nur ein Meister einen Betrieb eröffnen, junge Leute ausbilden und so Qualitätsarbeit leisten darf.

Was das für das Handwerk bedeuten kann, hat Alexander Konrad, Pressesprecher der Handwerkskammer Düsseldorf, schon 2004 erlebt. Bei der damaligen Gesetzesnovellierung wurde die Meisterpflicht für 53 Berufe aufgehoben, etwa für Uhrmacher und Fliesenleger. Sie müssen seitdem nur noch in die Anlage B der Handwerksordnung beziehungsweise -rolle eingetragen werden, sind zulassungsfrei. Mit fatalen Folgen: "Die Preise haben sich halbiert, die Fluktuation von Betrieben hat stark zugenommen", sagt Konrad. Viele Betriebe hätten dem Preisdruck nicht standhalten können und seien nach kurzer Zeit nicht mehr auffindbar gewesen. Oder die Firmen waren schon von Anfang an nicht fassbar - weil gewisse Büros als Vermittler Arbeitskräfte aus Osteuropa in die Handwerksrolle eintragen ließen, ohne Firmenadresse oder Kontaktdaten zum Handwerker.

"Damit sind auch für die Kunden keine Nachbesserungen möglich", stellt Konrad in puncto Verbraucherschutz klar. Hinzu kommt, dass aufgrund des Preiskampfes in den Branchen "die Ausbildungsleistung zusammengebrochen und damit ein stabilisierender Beschäftigungseffekt verloren gegangen ist", erklärt Konrad.

"Ohne Meisterbrief geht das nicht", bekräftigt auch Tockloth. Qualifikationen wie Buchführung oder fachliche Weiterbildung könne man nur in der Meisterschule erlangen. "Soll ein Professor bald auch nicht mehr studieren müssen?", fragt der Fleischermeister empört. Michael Ritters spinnt diesen Gedanken weiter: "Heute hinter der Wursttheke, morgen hinter dem Brillenglas." Er verweist für seine Branche auf mögliche Gesundheitsschäden, wenn Laien am Werk sind - "da können Kopfschmerzen oder Schielaugen ausgelöst und Leute in die OP getrieben werden". Sollte es tatsächlich zur Abschaffung der Meisterpflicht kommen, rät er Kunden, genau nachzufragen: "Ein guter Betrieb investiert in Schulungen seiner Mitarbeiter, das merkt man dann in der Fachkompetenz."

Auch für Elektrotechnik-Meister Frank van Thiel aus Uedesheim sind "Umgang mit Kunden, Personalführung, kaufmännische Fähigkeiten" ganz wichtig. Dies auf Anhieb ohne das "Aushängeschild" Meisterbrief zu erkennen, sei "sehr schwer", so Optikermeisterin Monika Görg von Krinke Optik. Mundpropaganda könne dann wichtiger werden, meint Ute Altmann von Elektro Fischer in Holzheim. Und das Bauchgefühl: "Wenn das Brötchen schmeckt, schmeckt es!" - auch ohne Meisterbrief.

Da sich die Bundesregierung unter Verweis auf das Prinzip "Berufsbildung als nationale Angelegenheit" aber hinter die Meisterqualifikation gestellt hat, bleiben das vielleicht auch nur Gedankenspiele.

(NGZ)
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