Rhein-Kreis Neuss Plötzlich Waffenlieferant

Rhein-Kreis Neuss · Viele Unternehmen beliefern unwissend Hersteller von Massenvernichtungswaffen. Bei der IHK sprach der Verfassungsschutz darüber.

Es ist eine Grauzone im Außenhandel - und doch keine Seltenheit: Immer wieder tauchen Fotos auf, die Geräte deutscher Hersteller in Forschungs- und Produktionseinrichtungen für Massenvernichtungswaffen im Ausland zeigen. "Firmen, die mit Dual-Use-Produkten handeln, also Gütern, die zivil und militärisch verwendet werden können, können oft nur schwer erkennen, wohin ihre Waren am Ende geliefert werden", sagt Zollrechtsexperte Jörg Schouren von der IHK Mittlerer Niederrhein.

Das ist ein Problem. Denn geraten sensible Exportgüter, die als Komponenten für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen dienen könnten, in die falschen Hände, drohen empfindliche Strafen. Proliferation nennt sich das Schattengeschäft, auf das auch immer wieder Unternehmen aus NRW hereinfallen. Der Verfassungsschutz will das vermeiden. "Wir wollen deutsche Unternehmen schützen und gleichzeitig Beschaffungsnetzwerke identifizieren", sagt Sebastian Meyfarth.

Er ist beim Verfassungsschutz für die Bekämpfung von Proliferation zuständig und nutzte jetzt die Dialogreihe "Zoll- und Handelspolitik" der IHK, um Wirtschaftsvertreter aus der gesamten Region zu warnen. Seinen Fachvortrag verfolgten auch einige Unternehmer aus dem Rhein-Kreis - zum Beispiel von der Firma Pierburg Pump Technology, von Toshiba oder von Goodrich Control Systems. Sie alle leben auch vom Export ins Ausland.

In erster Linie sind Güter für unseriöse Käufer interessant, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen wie etwa Atombomben genutzt werden können. "Wir wissen, dass Tarnfirmen und ganze Netzwerke, die vor allem im Auftrag des Irans handeln, immer wieder versuchen, solche Güter in NRW zu beschaffen", sagt Sebastian Meyfarth. Neben dem Iran zählten auch Länder wie Nordkorea oder Pakistan zu den Staaten, deren Kaufaktivitäten genau beobachtet werden. Die Tarnfirmen wechselten häufig ihre Namen, kommunizierten gerne per E-Mail und pflegten nur den nötigsten Kontakt zu den Herstellern.

Doch welche Güter stehen auf der Einkaufsliste der Staaten, die Uran anreichern und vielleicht an Massenvernichtungswaffen tüfteln? "Zum Beispiel Hochgeschwindigkeitskameras, um die Zündfolge von Sprengvorrichtungen analysieren zu können. Oder Sinteröfen, Karbonfasern und Vakuumausrüstungen", zählt der Experte auf. Ein "Topseller" seien spezielle Druckmessgeräte.

Zum Beweis zeigte der Verfassungsschutz-Mitarbeiter ein Foto aus einer Uran-Anreicherungsanlage im iranischen Ort Natanz, in der offensichtlich deutsche Druckmessgeräte zum Einsatz kommen sollen. "Wir wissen, dass der Iran über mehrere Zwischenhändler an diese Geräte gekommen ist."

Immer wieder erfahre der Verfassungsschutz auch von sogenannten Umweglieferungen über Drittländer wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Malaysia, China oder die Türkei. "Dadurch sollen Herkunft und Ziel der Ware verschleiert werden", sagt Sebastian Meyfarth. Viele Käufer weichen zudem auf Länder aus, in denen die Exportkontrollen schwächer sind.

Doch wie können sich Exporteure schützen? "Ich empfehle Unternehmen, so viel wie möglich über den Endkunden herauszufinden. Insbesondere sollten sie darauf achten, ob die technischen Spezifikationen auch zum angegebenen Verwendungszweck passen", sagt Meyfarth, der bei seinem Vortrag eine Art Checkliste präsentierte. Darauf steht auch, dass Exporteure immer wieder hinterfragen sollten, was mit ihren Waren genau geschieht - und dass sie Wert auf eine vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erteilte Ausfuhrgenehmigung für die bestellte Lieferung legen sollten.

Verräterisch sind neben fehlendem Fachwissen auch ungewöhnliche oder falsche Deklarationen, gefälschte Endverbrauchszertifikate oder der Verzicht auf Service und Garantien für die bestellten Produkte. "Wir wollen die Beschaffungsstrukturen aufdecken. Daher ist es wichtig, dass betroffene Unternehmen sich bei uns melden", erklärt Meyfarth. Konkret zuständig sei das Landesministerium für Inneres und Kommunales.

(NGZ)
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