40 Jahre Rhein-Kreis Neuss Respekt prägt den Umgang mit Senioren

Neuss · In diesem Jahr feiert das Seniorenhaus Lindenhof sein 20-jähriges Bestehen. Tina Eßer leitet seit Anfang an den Sozialen Dienst.

 Tina Eßer ist Leiterin des Sozialen Dienstes des Kreises. Ursprünglich hatte die Diplom-Pädagogin geplant, nach dem Studium mit Kindern zu arbeiten. Heute ist sie froh, dass sie mit Senioren zu tun hat. Ziel der Verantwortlichen im Lindenhof ist es, dass sich die Bewohner des Seniorenhauses wohl fühlen.

Tina Eßer ist Leiterin des Sozialen Dienstes des Kreises. Ursprünglich hatte die Diplom-Pädagogin geplant, nach dem Studium mit Kindern zu arbeiten. Heute ist sie froh, dass sie mit Senioren zu tun hat. Ziel der Verantwortlichen im Lindenhof ist es, dass sich die Bewohner des Seniorenhauses wohl fühlen.

Foto: Hammer, Linda

Die Namensgeberin des Seniorenhauses Lindenhof erfreut sich trotz ihres hohen Alters bester Gesundheit und steht erhaben und schön im hauseigenen Erlebnisgarten. Die alte Linde zählt weit über 100 Jahre und ist damit um ein Vielfaches älter als das Seniorenhaus selbst, das vor 20 Jahren mitten in Grevenbroich errichtet wurde. Nicht nur der großzügige Garten, sondern vor allem die Mitarbeiter des Hauses sorgen dafür, dass sich die Bewohner gut aufgehoben fühlen. "Absoluter Respekt" vor den Menschen steht für Tina Eßer, Leiterin des Sozialen Dienstes dabei im Mittelpunkt.

Die Diplom-Pädagogin hatte ursprünglich ganz andere Pläne. "Mein Schwerpunkt im Studium war die Vorschulerziehung, ich wollte immer mit Kindern arbeiten. Dann bin ich aber doch bei der Arbeit mit Senioren gelandet", erinnert sich Eßer. Bereut hat sie diese Wendung nie. "Natürlich sind die Anforderungen im Job hoch, aber die Menschen geben mir hier so viel zurück. Jedes kleine Lächeln, jeder Händedruck kommt von Herzen, das merkt man."

Wie viele andere Mitarbeiter des Lindenhofs ist sie seit Anfang an dabei. Zu ihren Aufgaben zählt insbesondere die Heimaufnahme. Sie führt die Erstgespräche mit möglichen neuen Bewohnern und deren Angehörigen. "Ich nehme mir immer sehr viel Zeit. Ich weiß, dass es für die Menschen eine große Hemmschwelle darstellt, sich überhaupt erstmals an ein Seniorenheim zu wenden. Wichtig ist für sie dann eine kompetente Beratung."

Zu dieser Beratung gehört es, herauszufinden, ob der Einzug in das Heim wirklich die richtige Wahl ist. Zusammen mit den Angehörigen prüft Tina Eßer genau, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, dass der ältere Mensch weiterhin zu Hause leben kann. "Wenn klar wird, dass es eben nicht mehr geht, überlegen wir alle gemeinsam, was der künftige Bewohner braucht, um sich hier wohlzufühlen." Die Familie könne keiner ersetzen, das sei klar. "Wir haben aber den Anspruch, Lebensqualität und Lebensfreude zu vermitteln. Und ich glaube, das funktioniert auch gut."

Ein wichtiger Punkt ist die individuelle Gestaltung der Zimmer, die vom Lindenhof aus nur mit dem nötigsten ausgestattet sind. Eingerichtet werden sie mit eigenen Möbeln und Erinnerungsstücken der künftigen Bewohner. Auch von ihren Haustieren müssen sich die Senioren nicht trennen, wenn sie einziehen. "Manche Menschen bringen ihre kleinen Hunde mit, andere auch Vögel, Fische oder Meerschweinchen", sagt Barbara Kremers-Gerads, Leiterin des Seniorenhauses.

Da viele Bewohner früher auf dem Land gewohnt haben, finden die verschiedenen Hochbeete im Garten großen Anklang, in denen Gemüse oder Kräuter gezogen werden. Auch die Wasserspiele, der Rundweg und das Teehaus sind vor allem im Sommer sehr beliebt. "Überhaupt findet bei uns sehr viel draußen statt. Im Sommer haben wir viele Feste im Garten." Das Haus bekomme oft Besuch, zum Beispiel von Kindergartenkindern, aber auch von Schützenvereinen oder von Politikern. "Wir sind sehr gut eingebunden in das Stadtleben", sagt die Leiterin des Lindeshofs. "Und genau das wollen wir. Wir sind hier kein Biotop." Auch der Veranstaltungskalender des Lindenhofs ist gut gefüllt. Die Angebote reichen von der Karnevalssitzung über Schönheitstage bis zum Gedächtnistraining. Aus der Aktion "Dame mit Hut" ist sogar eine Fotoausstellung geworden, die zurzeit im Lindenhof zu sehen ist. "Eine schöne Tradition ist unser Montags-Singen. Da begrüßen wir die neue Woche mit alten Liedern wie ,Am Brunnen vor dem Tore'", sagt Tina Eßer. "Vor allem für demente Bewohner ist das Singen sehr wichtig. Die Liedtexte kennen sie noch aus früher Kindheit auswendig."

Die Anzahl von dementen Heimbewohnern habe sich im Laufe der Jahre erhöht. "Das liegt daran, dass die Menschen immer später zu uns kommen, weil die ambulanten Möglichkeiten ausgebaut wurden. Und mit fortschreitendem Alter erhöht sich das Risiko einer Demenz", erklärt Kremers-Gerads. "Die Anforderungen an uns steigen dadurch, der Betreuungsschlüssel aber leider nicht. Wir schaffen es nur durch sehr engagierte Mitarbeiter, eine strukturierte Arbeitsweise und natürlich durch unsere vielen ehrenamtlichen Helfer." Auch körperlich seien die Bewohner früher fitter gewesen. "Das bedeutet, dass wir unsere Angebote anpassen müssen. Früher haben wir zum Beispiel weite Reisen in großen Gruppen unternommen. Heute machen wir eher Ausflüge mit fünf, sechs Bewohnern und fahren weniger weit weg", sagt Eßer.

Allerdings, so fügt die Diplompädagogin hinzu, werde natürlich niemand gezwungen, bei den zahlreichen Veranstaltungen mitzumachen. Sie erinnert sich noch genau an eine prägende Unterhaltung mit einer 92-jährigen Bewohnerin, die sie in ihrer ersten Zeit im Lindenhof hatte. Eine Dame, die die meiste Zeit in ihrem Zimmer im Rollstuhl gesessen und aus dem Fenster auf die Straße geguckt habe.

"Ich dachte mir: ,Mensch, die musst du doch mal motivieren, etwas aktiver zu sein.'" Und so habe sie Bewohnerin gefragt, ob sie nicht mal bei ein paar Veranstaltungen mitmachen wolle. "Die Antwort der Dame werde ich nie vergessen", erzählt die Hoistenerin. "Sie sah mich fest an und sagte: ,Hören Sie mir mal zu. Meinen Sie nicht, dass ich alt genug bin und das Recht habe, einfach nur hier zu sitzen und mich zu langweilen?' Da war ich erstmal baff, aber eines ist mir dann klar geworden: Die alte Dame hatte vollkommen recht."

Den Anspruch, Verständnis für die Bewohner aufzubringen, nehmen die Mitarbeiter des Lindenhofs wörtlich. "Die älteren Menschen unterhalten sich sehr gern auf Platt. Allerdings versteht nicht jeder unserer Mitarbeiter diesen Dialekt, da müssen wir schon mal übersetzen", sagt Tina Eßer und muss lachen. "Beim Essen sagte eine Bewohnerin einmal zu einer aus Spanien stammenden Mitarbeiterin: ,Kink, donn mich ens die Ärpel'", erzählt die Leiterin des Sozialen Dienstes. "Die Kollegin war ziemlich ratlos, wir konnten das Ganze dann aber schnell aufklären."

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