Rückblick Rhein-Kreis Neuss: Das Jahr 2013 in Bildern
2013 war sein Jahr: Hermann Gröhe hat als Generalsekretär einen großen Anteil am Erfolg der Christdemokraten bei der Bundestagswahl. Er gilt als Architekt des guten Ergebnisses. In der großen Koalition wird der Neusser Gesundheitsminister - der Höhepunkt einer steilen Karriere. Sehen Sie Folgenden weitere Themen des Jahres.
Vesuv von Neuss Die Zeiten der Gemütlichkeit in „Herberts Havanna Lounge“ sind vorbei. Nichtraucherschützer nehmen den Neusser Bürgermeister ins Visier und drängen darauf, dass das in öffentlichen Gebäuden geltende Rauchverbot auch im Büro des Verwaltungschefs gilt. Der „Vesuv von Neuss“ titulierte Napp wehrt sich gegen solchen Dirigismus und lässt an der Tür zu dem Büro, wo er alleine über Akten brütet, ein Schild anbringen, mit dem Jugendlichen der Zutritt verboten wird. Doch die Bezirksregierung lässt sich nicht erweichen. Sie weist den Landrat an, das Rauchverbot durchzusetzen. Auf demRathausflur mit den Dezernentenbüros wird ein Raucherzimmer eingerichtet. Das Gerangel um sein Büro macht Napp zu einer Ikone im Kampf gegen das Nichtraucherschutzgesetz und zu einem gefragten Kundgebungsredner, der auch Fernseh-Gast bei Sandra Maischberger wird.
Annette Schavan tritt zurück Es ist ein schwerer Schritt für Annette Schavan: Im Februar tritt sie von ihrem Amt als Bildungs- und Forschungsministerin zurück, nachdem ihr der Doktortitel wegen Plagiatsvorwürfen entzogen worden war. Die CDU-Politikerin, die in Neuss aufwuchs und in der Quirinusstadt zur Schule ging, lässt sich jedoch nicht entmutigen. Ihren ersten öffentlichen Auftritt nach dem Rücktritt absolviert sie in Neuss: Im Juli gratulierte sie den Abiturienten des Nelly-Sachs-Gymnasiums, ihrer alten Schule, zum Abitur.
Maggikalypse Sicherlich wünscht der eine oder andere Neusser seiner Heimatstadt deutschlandweiten Ruhm – aber doch nicht so! Als im Sommer ein Betriebsunfall bei der Firma Silesia passiert, bei dem eine nach Liebstöckel riechende „Stink-Wolke“ Richtung Köln zog, wird die Quirinusstadt als Ort der „Maggikalypse“ verhöhnt. Vor allem im Internet verbreiten sich die Lästereien, bei denen vor allem der Spott darüber mitschwingt, dass stundenlang niemand weiß, warum es in Köln nach Maggi riecht. Obwohl die zuständigen Mitarbeiter des Rhein-Kreises schon früh am Tag von dem Betriebsunfall wussten, dauert es bis zum Nachmittag, die „Stink-Posse“ aufzuklären. Immerhin gibt es auch eine gute Nachricht: Gesundheitsgefahr besteht nicht.
Ausspähaktion der CIA: Von 2005 bis 2010 war Neuss zentraler Standort für ein „Analyseprojekt“ deutscher und amerikanischer Geheimdienste. Das bestätigt Anfang November das Bundesinnenministerium. Ziel: eine Software zu entwickeln, um die Radikalisierung von Terroristen früh zu erkennen. So hatte die CIA bei der Verhaftung der drei Mitglieder der „Sauerland-Gruppe“ die entscheidenden Hinweise geliefert. Bereits im Juli meldet das Nachrichtenmagazin „Focus“, dass die CIA nach Abstimmung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz seinerzeit ein 100-köpfiges Expertenteam nach Deutschland entsandt habe. Als Kommandozentrale dienten demnach „schmucklose“ Räume der Neusser Sparkasse. Lokalen Behörden und einem Sparkassen-Sprecher waren die Vorgänge unbekannt. Dass das „Analyseprojekt“ in Neuss geschah, habe keinen besonderen Grund gehabt, hieß es aus Verfassungskreisen.
Salafisten bereiten Neuss-WeckhovenSorge Der muslimische Kulturverein an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße beschäftigt die Nachbarn, die Stadt – und den Verfassungsschutz. Was dort in Weckhoven geschehe, so urteilt Sozialdezernent Stefan Hahn, sei das Gegenteil von Integration. Sorge bereiten auch die Seminare, bei denen islamistische Hassprediger auftreten. Eines dieser Seminare kann die Stadt untersagen. Im Sommer sorgen neue Beobachtungen für neue Unruhe. Immer wieder werden an der Moschee Rettungswagen gesehen, die über diese Drehscheibe – Videoaufnahmen im Internet beweisen es – in Krisenregionen wie Syrien gehen. Erworben werden sie von dem Verein „Helfen in Not“, dessen Vorsitzender auch der Sprecher der Moscheegemeinde ist. Formal ein korrektes Geschäft, doch liegen den Behörden Hinweise darauf vor, dass solche Wagen für Sprengstoffanschläge missbraucht werden. Die Aktion belegt zudem, dass die Neusser Gemeinde mit Salafisten in Kontakt steht. (-nau)
SEK stürmt Wohnung in Grevenbroich Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei macht im März einem sechsstündigen Einsatz an der Welchenberger Straße in Neurath ein Ende: Die Polizisten stürmen am späten Abend eine Dachgeschosswohnung in einem Mehrfamilienhaus und überwältigen einen offensichtlich verwirrten Mann. Zuvor war die Polizei nachmittags wegen einer Ruhestörung nach Neurath gerufen worden. Als die Ordnungshüter eintreffen, weigert sich der 46-Jährige, die Wohnungstür zu öffnen. Er verbarrikadiert sich, stößt wüste Drohungen aus – und droht laut Polizeisprecher Hans-Willi Arnold sogar, die Polizisten zu erschießen. In der Wohnung befindet sich auch die Frau des Neurathers, die Polizei spricht von einer „unklaren Einsatzsituation“. Einsatzkräfte sperren die Straße ab, viele Anwohner beobachten das Geschehen. Im weiteren Umfeld wird Verstärkung zusammengezogen. Nach dem SEK-Einsatz wird der vorläufig Festgenommene abgeführt. Danach untersucht die Polizei die Wohnung. „Der Mann hatte Messer offenbar griffbereit in seiner Nähe liegen“, erklärt Arnold. Der 46 Jahre alte Neurather war bereits vorher der Polizei wegen verschiedener Delikte bekannt – unter anderem wegen Körperverletzung.
Bombenentschärfungen in Neuss: Vier Mal wird in diesem Jahr auf der Furth eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden und entschärft, zweimal gibt es dabei echte Premieren. Uwe Palmroth (l.) nimmt im November zum ersten Mal in seiner Karriere alleinverantwortlich den Schrecken, Mike Wehner folgt im Dezember. Dieser Einsatz ist kurios, weil den kampfmittelbeseitigern Bombenschrott gestohlen wird.
Neuss-Hammfeld: Millionengeschäft spaltet Rat In einem Jahr soll im Hammfeld ein Höffner-Möbelhaus eröffnen. Der Zeitplan bleibt ehrgeizig und hält eine „Task-Force“ in Atem, die Anfang Juni im Rathaus gebildet wird. Da ist die Entscheidung, das Areal an den Berliner Investor Kurt Krieger zu verkaufen, erst einige Stunden alt. Was von da an auf Umsetzung drängt, hat eine intensive Vorgeschichte. Im März wird öffentlich, dass die Stadt die Augsburger Möbelhauskette Segmüller, die nicht nur mit Möbeln handelt, sondern auch selbst produziert, in Neuss ansiedeln will. Segmüller, auch am Standort Pulheim in Verhandlungen, bekommt rasch Gesellschaft. Die Gladbacher Möbelhauskette Schaffrath, in Neuss schon mit einem Knuffmann-Möbelhaus präsent, tritt als Bieter auf, und als letzter Interessent wirft Kurt Krieger seinen Hut in den Ring. Der Berliner Projektentwickler fühlt sich in Düsseldorf ausgebootet, wo allein Schaffrath neu bauen soll, und wirft sich voller Elan auf das Projekt Neuss. Und dabei macht er drei Dinge entscheidend anders. Ja, ein Möbelhaus bis 45 000 Quadratmeter Verkaufsfläche wollen auch die Konkurrenten errichten, und auch sie versprechen bis zu 600 neue Jobs. Doch Krieger überrascht schon im Mai, als die Investoren der Politik ihre Konzepte vorstellen, mit einem Coup: Er hat sich über einen Erbpachtvertrag fast 20 000 Quadratmeter Fläche gesichert und kann so die sechs Hektar große Projektfläche vis-à-vis zum Rheinpark-Center für eine großzügige Lösung arrondieren. Zweitens bietet er als einziger an, auch die übrigen Flächen im Gewerbegebiet Hammfeld II, wo sich in 20 Jahren nichts getan hatte, zu entwickeln. Und er greift besonders tief in die Tasche: Fast 30 Millionen Euro für das Möbelhausgrundstück und noch einmal die Hälfte für die Flächen im Hammfeld: da sagen CDU ud FDP nicht Nein und binden den Investor. Für die Opposition ist der Verkauf ein Sündenfall. Die Koalition habe die Stadtentwicklung an den Investor delegiert, wettern die Grünen noch in der letzten Ratssitzung des Jahres. Und SPD und Grüne finden immer wieder Gelegenheit, Kritik zu üben. Anlass bietet die Änderung der „Neusser Liste“, mit der Innenstadtsortimente für Märkte auf der Grünen Wiese freigegeben werden, ebenso wie Nachverhandlungen mit der Stadt, bei der Krieger eine Kaufpreisminderung durchsetzen kann. Ein Grund dafür: die Abfindung für den Pferdestall-Betreiber. Dessen Pachtvertrag läuft formal erst Mitte 2014 aus, wird aber ausbezahlt. Daher räumt der Betreiber Ende September das Feld. Sind alle Genehmigungen bis März zusammen, wird heute in einem Jahr eröffnet.
Dormagener Feuerwehrmann stirbt bei Einsatz Zum ersten Mal ist in diesem Jahr ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz ums Leben gekommen. Der 44 Jahre alte Straberger starb auf dem Gelände der Hauptwache an der Kieler Straße. Er sollte mit einem Kollegen ein für Umwelteinsätze spezialisiertes Löschfahrzeug holen, um damit nach Horrem zu fahren. Während sein Kamerad den Mannschaftswagen parkte, ging der Oberbrandmeister in die Halle. Plötzlich war ein heftiger Knall zu hören, sein Kollege aus dem Löschzug der Freiwilligen Feuerwehr Straberg fand den Schwerverletzten eingeklemmt zwischen dem Fahrzeugholm und der Tür des schweres Gefährts, das ein Stück weit nach vorne gerollt war. Trotz schneller Hilfe und Reanimationsversuchen der Notärzte starb der 44-Jährige am Unglücksort. Ein Gutachter spricht später davon, dass der Feuerwehrmann offenbar den Wagen startete, ohne auf dem Fahrersitz zu sitzen. Warum, dafür gibt es keine Erklärung. Vielleicht wollte er noch einmal schnell aussteigen, um etwas zu erledigen. Zeugen gibt es keine. Der 44-Jährige galt, so sagt die völlig geschockte Feuerwehr-Chefin Sabine Voss, als „sehr erfahren und besonnen“. Schon mit 13 Jahren kam er zur Jugendfeuerwehr, mit 18 wurde er Mitglied der Freiwilligen Wehr in Straberg, wurde stellvertretender Löschzugführer. Im Ort war der Berufskraftfahrer gut vernetzt und verwurzelt: 2005 war er Schützenkönig und nach Ende des Königsjahres auch Bezirkskönig des Bezirks Nettesheim. Über tausend Trauergäste erweisen ihm zwei Wochen später in St. Agatha in Straberg die letzte Ehre.
Mysteriöser Mord an der Landstraße Am Jahresende schockt eine schreckliche Bluttat Dormagen: Der Delhovener Daniel D. wird in Büttgen tot neben seinem Auto aufgefunden – erschlagen. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Sie weiß nicht, was der 35 Jahre Jahre Versicherungskaufmann zu später Stunde dort machte. Eine heiße Spur gibt es nicht auch nicht, nachdem die Polizei mit einer Hundestaffel das Umfeld des Tatorts absuchte. So wendet sie sich wenige Tage später mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, damit sich eventuelle Zeugen melden, die Hinweise geben können. Zum Beispiel, wo sich D. in den Abendstunden aufhielt und wo das Fahrzeug, ein Audi, in den Stunden zuvor gesehen worden ist. D. lebte mit seiner Partnerin im Neubaugebiet Gansdahl in Delhoven und wird von Nachbarn als sehr freundlicher Mann beschrieben, der gerne in der Umgebung joggen ging. Im Eingangsbereich des schmucken Einfamilienhauses legen Nachbarn Kerze und Blumen nieder, um ihre Teilnahme auszudrücken. Daniel D. wird dann in aller Stille in Korschenbroich beigesetzt, der Stadt, in dem seine Eltern leben.
Jobcentermord-Prozess Ahmed S. muss lebenslang in Haft. Der 52-jährige Langzeitarbeitslose, der im September 2012 im Neusser Jobcenter an der Stresemann-Allee eine Sachbearbeiterin in ihrem Büro mit mehreren Messerstichen tötet, wird im April vom Landgericht verurteilt. Sein Anwalt Horst Ruthmann (r.) plädierte auf maximal 15 Jahre Haft. Die Bluttat löst bundesweit eine Debatte über Sicherheit in Behörden aus.
Neusser Schützenfest Es ist der emotionale Höhepunkt eines spannenden Schießens: „Papa, ich hab die Königskette zurückgeholt!“, jubelt Rainer Reuß vor 15 000 Zuschauern über die Festwiese seinem Vater zu, als er – genau 31 Jahre nach dessen Sieg an der Vogelstange, die Königsinsignien erringen kann. 16 Mal feuern Reuß und seine Mitbewerber Christoph Napp-Saarbourg und Dirk Büchel auf den Holzklotz, dann können, zum ersten Mal seit 1995, die Hönesse der Neusser Hubertusschützen mit ihren Blumenhörnern für einen König aus dem eigenen Korps aufmarschieren. Der 45-jährige Reuß regiert mit Ehefrau Andrea und folgt im Amt auf Jörg und Dorothee Antony. Gerade der Vorjahreskönig hatte viel dafür getan, dass sich mehrere Bewerber fanden. Im Reiterkorps siegt Constantin Hoerdeman. Auch der folgt dem beispiel des vaters, der Hoher Reitersieger war, als vor 31 Jahren Rainer Reuß senior als König regierte.
Schützen wollen das Unesco-Siegel Mit starker Unterstützung des Neusser Präsidenten Thomas Nickel streben die Schützen aus dem Rheinland und Westfalen an, dass ihre gelebte Tradition auf die Liste der immateriellen Unesco-Kulturgüter gesetzt wird. Ein entsprechender Antrag wird Ende November vom Generalsekretär der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS), Dormagens Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann, gestellt. Die öffentlich verbriefte Anerkennung durch die Unesco wäre in Augen von Schützenpräsident Nickel eine „motivierende Form der Wertschätzung“. Die Initiatoren erwarten frühestens in einem Jahr eine Entscheidung. Initiatoren, v. l.: Horst Thoren, Ansgar Heveling, Peter-Olaf Hoffmann
ISR-Insolvenz schockt Eltern und Schüler Das Prestigeprojekt von Stadt, Kreis und IHK Mittlerer Niederrhein muss nach den Ereignissen der vergangenen Wochen als gescheitert gelten – denn die Internationale Schule am Rhein (ISR) hat Insolvenz angemeldet, ein Eingeständnis dafür, dass sie und ihre Gesellschafter die Ziele doch zu hoch gesteckt hatten. Zur Eröffnung des Neubaus im Jahr 2007 waren Aufsichtsrat und Geschäftsleitung der Privatschule noch davon ausgegangen, die Schülerzahlen bis 2012 auf 900 steigern zu können. Dieses Ziel wurde verfehlt – 550 Jugendliche sind es derzeit, darunter nur 515 „Vollzahler“. Weil in diesem Schuljahr mehr Schüler ab- als angemeldet wurden, brachte dies die „auf Kante“ genähte Finanzierung der ISR ins Wanken. Denn die Schule hat hohe Belastungen: Sie muss über einen „Mietkauf“ ihren millionenschweren Neubau am Stadtwald bezahlen, 100 000 Euro sind pro Monat fällig. Die ISR bat um Stundung – doch Stadt und Kreis, die über eine Firma als Mittler für die Mietzahlungen an die Bank fungieren, lehnten ab. Zuletzt gab es wieder Hoffnung: Der Meerbuscher Unternehmer Peter Soliman kündigte ein Millionen-Investment an – Verträge darüber liegen jedoch nicht vor.