Sportgeschichten (95) Der alte Tor-Fuchs lässt das Jagen nicht

Neuss · Mit stolzen 54 Jahren steht der einstige Goalgetter Edgar Hagedorn vor seinem Comeback beim VfR 06 Neuss in der Fußball-Kreisliga C.

Sportgeschichten (95): Der alte Tor-Fuchs lässt das Jagen nicht
Foto: Andreas Woitschützke

Neuss Vor ziemlich genau 14 Jahren schien das Kapitel VfR 06 Neuss für Edgar "Eddy" Hagedorn endgültig abgeschlossen. Zwei Tage nach einem enttäuschenden 2:2 im Kellerduell mit dem SV Blau-Weiß Meer hatte der damals als Trainer für die immerhin noch in der Landesliga kickenden Grün-Weißen genug. Am 1. April (!) zog er frustriert die Reißleine - und gab der Mannschaft zum Abschied noch einen Spruch mit auf den Weg ins Ungewisse: "Wenn du sagst, du kannst mir für den Klassenerhalt den Arm abhacken, wäre ich wahrscheinlich der einzige ohne Arme gewesen ..." Der auch als Signal gedachte Rücktritt zeigte sogar Wirkung: Unter seinem Nachfolger Wolfgang Bergemann schaffte der VfR über die Relegation tatsächlich noch den Klassenverbleib. Eins der letzten Happy Ends für die "06er".

 Eddy Hagedorn in Aktion: In den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrtausends war der listige Fußballer einer der treffsichersten Stürmer der Verbandsliga. Linkes Foto: In der Saison 1989/90 stieg er mit dem VfR 06 Neuss unter Trainer Friedhelm Funkel (r.) gemeinsam mit Teamkollegen wie Frank Klein, Olaf Otto und Anjo Schonz (v.l.) in die Verbandsliga auf. Rechtes Foto: Die Ü40-Traditionsmannschaft des VfR 06 Neuss: (h.v.l) Michael Röder, Seppi Stumpilich, Markus Floer, Ralf Criens, Edgar Hagedorn, Betreuer Peter Lewandowski. (v.v.l.) Marc Schüttler, Dean Puseljic, Bogdan Matyasik, Sascha Conrad.

Eddy Hagedorn in Aktion: In den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrtausends war der listige Fußballer einer der treffsichersten Stürmer der Verbandsliga. Linkes Foto: In der Saison 1989/90 stieg er mit dem VfR 06 Neuss unter Trainer Friedhelm Funkel (r.) gemeinsam mit Teamkollegen wie Frank Klein, Olaf Otto und Anjo Schonz (v.l.) in die Verbandsliga auf. Rechtes Foto: Die Ü40-Traditionsmannschaft des VfR 06 Neuss: (h.v.l) Michael Röder, Seppi Stumpilich, Markus Floer, Ralf Criens, Edgar Hagedorn, Betreuer Peter Lewandowski. (v.v.l.) Marc Schüttler, Dean Puseljic, Bogdan Matyasik, Sascha Conrad.

Foto: WOI (3), FUPA

Doch alte Liebe rostet nicht. Und so hielt der gute Eddy dem einst so stolzen Klub die Treue - durch Chaos, Intrigen und den verheerenden Absturz bis in die letzte Kreisklasse. "Wir sind quasi am unteren Ende der Nahrungskette angekommen", stellt er nüchtern fest. Wenn er von "Wir" spricht, meint er das auch so, "denn ich habe mit dem VfR Neuss nie abgeschlossen." Und darum könnte er morgen Mittag (Anstoß 13 Uhr) in der Partie der Kreisliga C, Gruppe eins, beim SSV Delrath II sein Pflichtspiel-Comeback für die Neusser geben. Mit 54 Jahren. Die Vorbereitung hat er komplett mitgemacht. "Natürlich tun mir jetzt die Knochen weh", gibt der ehemalige Top-Torjäger zu. "Aber Fußball ist so ziemlich das einzige, zu dem ich mich nach einem langen Arbeitstag noch aufraffen kann, selbst wenn es draußen plästert."

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Foto: Andreas Woitschützke

Dabei hat er sich gemeinsam mit seiner Frau gerade erst im Fitnessstudio angemeldet. Den Kontakt zu seinem Herzensverein hielt er über die Ü40-Traditionsmannschaft, die VfR-Fans mit Fußballern wie Ralf Criens (47), Marc Schüttler (42), Jörg Ferber (48) Ralf Skrobisch (48) oder auch Michael Röder (46) wehmütig an weitaus bessere Zeiten zurückdenken lässt. Als ihm sein früherer Schützling Yildirim Yilmaz, mittlerweile in Personalunion Vereinspräsident und Trainer der stark am Aufstieg interessierten Erstvertretung, ein Engagement im Ligabetrieb antrug, war er zunächst skeptisch. Beim FC Tannenhof hatte er vor zwei Jahren mal in der Kreisliga B ausgeholfen, aber sein letzter wirklich ernsthafter Einsatz liegt bereits 13 Jahre zurück. In der Saison 2003/04 lief er für den TuS Hackenbroich unter Trainer Jörg Spillmann in der Bezirksliga auf. Und schon da lagen seine Glanzzeiten einige Jahre zurück. Dass er im Trikot des VfR 06 Neuss, aber auch des FC Zons mal zu den besten und abgebrühtesten Stürmern der Verbandsliga zählte, ist fast vergessen. Hagedorn bringt's gewohnt drastisch auf den Punkt: "Die Leute, die sich daran noch erinnern, sind doch alle längst tot!" In den Gesprächen mit seinen aktuellen Teamkollegen hält er sich darum absichtlich zurück. "Die können das doch gar nicht mehr einordnen. Die Verbandsliga kam direkt unter der Oberliga Nordrhein - und darüber begann mit der 2. Liga der Profifußball." Edgar Hagedorn trainierte in Neuss unter beiden Funkel-Brüdern, klopfte mit dem VfR ans Tor zur dritthöchsten Liga in Deutschland. "Aber ich gehe damit jetzt nicht hausieren, rede nur, wenn ich ausdrücklich danach gefragt werde. Und wenn ich den Jungs davon erzähle, denken die, das wäre ein Märchen von den Gebrüdern Grimm." Also hält er lieber seine Klappe - und lässt Taten sprechen. Allerdings wohl nicht mehr im Sturmzentrum, sondern in der Abwehr. "Von da hast du einen besseren Überblick - und kannst dann auch mal ab und zu nach vornegehen." Aus Wersten, wo der Spezialist für Heizung und Sanitär mittlerweile heimisch geworden ist, hat es der ehemalige Spielertrainer der Rheinwacht Stürzelberg, der lange auch mit der Traditionself von Fortuna Düsseldorf über die Dörfer zog, nicht weit nach Weckhoven, wo der VfR 06 nach dem ruhmlosen Abriss des nun legendären Stadions an der Hammer Landstraße inzwischen untergekommen ist. Als Mitglied des Ältestenrats ist Edgar Hagedorn jedoch klar, "dass wir irgendwann mal wieder eine eigene Sportanlage haben müssen, sonst wird es schwierig für den VfR."

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Foto: FUPA

Für den Moment ist er freilich schon zufrieden, wenn er nach einem Spiel oder einem harten Training morgens ohne allzu große Probleme aus dem Bett steigen kann. Und er ist froh und dankbar, dass er bei Grün-Weiß "die aufregenden Zeiten" in vollen Zügen mitgemacht hat. "Und wenn wir mit den Jungs von früher zusammensitzen, ist das Unterhaltung mit dem höchsten Spaßfaktor. Dann heißt es nur: Anschnallen, Bauch festhalten und ablachen ohne Ende."

(NGZ)
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