Tsvbayerdo Die große Ernüchterung

Hagen · Von der Anfangseuphorie ist bei Handball-Zweitligist TSV Bayer Dormagen nach einem Viertel der Saison nichts mehr zu spüren.

 Der eine wendet sich mit Grausen, die anderen schauen zumindest so, als ob ihnen die bisher schlechteste Saisonleistung und die höchste Saisonniederlage nahe ginge: Robin Doetsch, Sebastian Linnemannstöns, Marijan Basic, Jo-Gerrit Genz, Max Jäger und Alexander Kübler (v.l.) nach dem Debakel in Hagen.

Der eine wendet sich mit Grausen, die anderen schauen zumindest so, als ob ihnen die bisher schlechteste Saisonleistung und die höchste Saisonniederlage nahe ginge: Robin Doetsch, Sebastian Linnemannstöns, Marijan Basic, Jo-Gerrit Genz, Max Jäger und Alexander Kübler (v.l.) nach dem Debakel in Hagen.

Foto: H. J. Zaunbrecher

Jeder verarbeitet Niederlagen auf seine Art. Jobst Wierich, der Sprecher des Wirtschaftsbeirates, wollte am Freitagabend gar nichts sagen im Treppenhaus der Hagener Enervie-Arena: "Es könnte sonst leicht das Falsche sein." Geschäftsführer Björn Barthel fielen nur "Dinge ein, die nicht zitierfähig sind." Dafür redete Jörg Bohrmann um so mehr nach der ebenso peinlichen wie vermeidbaren 21:28-Schlappe (Halbzeit 12:14), die sich seine Handballer beim wahrlich nicht furchterregenden Zweitliga-Neuling Eintracht Hagen einhandelten. So viel, dass sich der Trainer des TSV Bayer Dormagen am Ende der Pressekonferenz dafür sogar entschuldigte: "Eigentlich wollte ich nicht so viel sagen."

Doch er musste 'raus, der Frust über die stetig schlechter werdenden Leistungen seiner so gut in die zweite Spielzeit nach dem Wiederaufstieg gestarteten Schützlinge. Frust, der sich Minuten zuvor bereits in einer denkwürdigen Auszeit entladen hatte, in der der 47-Jährige statt taktische Kommandos zu geben einfach nur brüllte. Erreichen, gar aufwecken konnte er seine Spieler damit auch nicht mehr: "Wir haben das Spiel am Ende einfach so weggegeben", stellte Bohrmann ernüchtert fest - nicht mal die zuvor trotz Niederlagen (nicht nur von ihm) hoch gelobte Einstellung scheint mehr zu stimmen bei den Dormagenern.

Zumindest bei einigen. Es gab selbst an diesem schwarzen Freitagabend Ausnahmen: Max Jäger vertrat den erkrankten Sven Bartmann leidlich gut zwischen den Torpfosten - dass er mit zehn gehaltenen Bällen nicht an die 17 Paraden seines Gegenübers Jürgen Müller heranreichte, lag vor allem an den unmotivierten und in ihrer Qualität oft unterirdischen Würfen seiner Vorderleute. Max Bettin feierte nach dreimonatiger Verletzungspause ein Comeback als Torschütze und Passgeber, das unter anderen Umständen als sensationell gut eingestuft worden wäre. Anderen, wie den unglücklich agierenden Sebastian Damm und Alexander Kübler, wie Robin Doetsch, Patrick Hüter und bis zu seinem folgenschweren Ausscheiden nach 23 Minuten vor allem Dennis Marquardt kann zumindest ihre Einsatzbereitschaft nicht abgesprochen werden. Doch der Rest steht vollkommen neben seinen Handballschuhen.

Oder um es mit Bohrmanns Worten zu sagen: "Natürlich haben wir Ausfälle, aber das darf keine Ausrede sein. Wir haben immer noch einen Kader von zwölf Mann, die wir geholt haben, weil wir dachten, dass sie Bundesliga-Niveau haben - das müssen sie jetzt beweisen." Und das möglichst schnell, denn nach 2:14 Punkten aus den letzten acht Spielen drohen die Dormagener den Anschluss ans Tabellenmittelfeld zu verlieren. Woher freilich die Wende innerhalb von drei Tagen kommen soll - am Mittwoch gastiert der TSV beim HC Empor Rostock - ist eine kaum zu beantwortende Frage.

Wie schon im verkorksten Heimspiel gegen Emsdetten schafften es die Dormagener auch in Hagen nicht, das Momentum einer erfolgreichen Aufholjagd zu nutzen. Von 4:8 (14.) zogen sie auf 9:8 (20.) weg, nur um schnell wieder 10:13 (28.) hinten zu liegen. Den 12:14-Pausenrückstand drehten sie in eine 15:14- und 16:15-Führung (40.) - normalerweise bricht man damit einem Gegner das Genick. Die Bayer-Handballer brechen es sich derzeit selbst, und das kann eigentlich nur mentale Gründe haben. Vielleicht, weil sich einige Spieler nach gerade mal einem Viertel der Saison schon mehr mit ihrer eigenen handballerischen Zukunft zu beschäftigen scheinen als mit dem aktuellen Erfolg ihres derzeitigen Arbeitgebers - Anspruch und Wirklichkeit klaffen vor allem bei den bereits vor dieser Spielzeit heftig umworbenen Akteuren im rechten Rückraum weit auseinander. Und ein Marijan Basic läuft im Rückraum herum wie ein Veganer auf der Grillparty der rheinischen Metzgerinnung.

Zu allem Überfluss fällt jetzt auch noch Dennis Marquardt aus. Der bisherige Turm in der Abwehrschlacht und Kopf der Offensivbemühungen wird wohl um eine Schulteroperation nicht herumkommen und, wenn überhaupt, erst in der nächsten Spielzeit in den Kader zurückkehren. Damit der dann noch in der Zweiten Liga spielt, bedarf es jetzt um so mehr eines funktionierenden Kollektivs - doch davon sind die Dormagener im Moment so weit entfernt wie von einem Tabellenplatz im gesicherten Mittelfeld. "Was wir hier teilweise abgeliefert haben", sagte Jörg Bohrmann, "hatte nichts mehr mit Bundesliga-Handball zu tun." Dem ist nichts hinzuzufügen.

(NGZ)
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