Serie Rio Fest Im Blick Für Olympia gibt es sogar Sonderurlaub

Neuss · Mit der Nominierung für die Olympischen Spiele geht für den Neusser Ringer-Kampfrichter Michael Faller ein Lebenstraum in Erfüllung.

Serie Rio Fest Im Blick: Für Olympia gibt es sogar Sonderurlaub
Foto: Woitschützke Andreas

Neuss Olympische Spiele sind für alle Beteiligten etwas besonderes, da bildet Michael Faller (50) keine Ausnahme. Denn für seinen Einsatz in der Carioca Arena 2 in Rio de Janeiro bekommt der 50-Jährige von seinem Arbeitgeber Sonderurlaub spendiert.

"Ich habe nicht danach gefragt", sagt der Finanzdirektor eines mittelständischen Stahlunternehmens mit Sitz in Düsseldorf, "deshalb betrachte ich das als eine besondere Auszeichnung." Die Faller, einer von drei Kampfrichtern, die der Deutsche Ringerbund zu den am Freitag beginnenden XXXI. Olympischen Sommerspielen schicken darf, gerne annimmt.

 Als Kampfrichter musst du stets auf Höhe des Geschehens sein, sagt Michael Faller, das erfordert auch eine gewisse körperliche Fitness.

Als Kampfrichter musst du stets auf Höhe des Geschehens sein, sagt Michael Faller, das erfordert auch eine gewisse körperliche Fitness.

Foto: -woi/privat/T. Rotundo

Denn bisher hat der ehemalige Bundesliga-Ringer des KSK Konkordia Neuss, der sich bereits als Jugendlicher entschloss, in die Fußstapfen seines Vaters Horst zu treten und 1980 der jüngste Kampfrichter Deutschlands wurde, bei seiner sportlichen Leidenschaft meist draufgezahlt. "Ich bin viel gereist in den vergangenen zwei Jahren", sagt Michael Faller, und zählt als Destinationen Las Vegas, Sotschi, Ulan-Bator, Antalya und zum guten Schluss in diesem Frühjahr Rio de Janeiro auf - alles Orte, an denen internationale Turniere, Welt- oder Europameisterschaften auf dem Programm standen.

Klingt verlockend. Der eine Haken an der Sache: Dabei ist fast sein gesamter Jahresurlaub draufgegangen. Der andere Haken: Viel gesehen von den Städten hat Michael Faller außer den Sportarenen nicht. Das wird in Rio de Janeiro kaum anders sein. Vom 14. bis 20. August steht Ringen (griechisch-römischer und Freistil bei den Männern, Freistil bei den Frauen) auf dem olympischen Programmzettel. Gekämpft wird jeweils von 10 bis 13 und 16 bis 19 Uhr.

Für Michael Faller und seine 34 Kampfrichter-Kollegen, darunter Uwe Manz (Bönen) und Antonio Silvestri (Benningen), bedeutet das: Um acht Uhr morgens wartet der Bus vorm Hotel und liefert sie dort gegen 19.30 Uhr wieder ab. "Für Sightseeing oder den Besuch anderer Wettkämpfe bleibt da wenig Zeit", bedauert der Neusser. Trotzdem sitzt Ehefrau Angela mit im Flugzeug, wenn die Reise am 10. August los geht. Und trotzdem hat Faller die Chance genutzt, als in der vergangenen Woche der Ticketverkauf auch außerhalb Brasiliens freigeschaltet wurde und sich Eintrittskarten für weitere Sportarten gekauft - darunter Beachvolleyball - "nicht nur Frauen, sondern auch Männer", betont er lachend - wo er hofft, die Dormagener Säbelfechter Max Hartung und Matyas Szabo im Publikum zu treffen, "am liebsten mit einer Medaille um den Hals."

Dass er den größten Teil seines Rio-Aufenthalts in der Carioca Arena 2 verbringen wird, das stört einen, der Ringen von Kindesbeinen an betreibt, nicht. Er empfinde "Freude und Genugtuung" darüber, zu den besten 35 Kampfrichtern der Welt zu gehören, sagt Faller - und wer ihn kennt, ist geneigt, das zu glauben: "Für mich geht damit ein Lebenstraum in Erfüllung, für mich ist das genauso, als wenn ich es als Aktiver zu Olympia geschafft hätte."

Drei kleine Wermutstropfen fallen freilich in den olympischen Freudenbecher. Dass die Kampfrichter nicht im olympischen Dorf wohnen dürfen, kann Faller nachvollziehen. Dass sie nicht bei der Einkleidung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dabei sein durften und auch keine Akkreditierung für das "deutsche Haus", den Treffpunkt für Athleten, Trainer und Funktionäre in Rio erhalten haben, wurmt ihn schon eher: "Es wird immer übersehen, dass es ohne Schiedsrichter in den meisten Sportarten überhaupt keine Wettkämpfe geben würde."

Die Aufgaben des Mattenleiters im Ringen hält er für "das schwierigste Schiedsrichter-Amt, das es gibt." Nirgendwo sonst sei "die Beeinflussung von außen" so stark wie beim Ringen, nirgendwo sonst müsse der Unparteiische jede Sekunde hellwach sein und das Geschehen verfolgen und bewerten. Michael Faller muss es wissen. Seit er 1995 seine aktive Karriere auf der Matte beendete, stieg der Neusser schnell die Karriereleiter empor. Die einen sagten wegen, die anderen trotz seines Vaters, der sich vor wenigen Jahren als international erfahrenster und höchstdekorierter deutscher Kampfrichter in den Ruhestand verabschiedete. Michael Faller strafte alle Lügen: Bald machte er sich einen Namen, fünf Jahre später erwarb er die internationale Lizenz. Die Olympia-Teilnahme, die seinem Vater aus verbands-politischen Gründen versagt blieb, hat er sich hart erarbeiten müssen. "Wir müssen uns genauso qualifizieren wie die aktiven Sportler", sagt Faller.

Starke Objektivität, Neutralität und Gleichmut, das seien die herausragenden Eigenschaften, über die ein guter Mattenleiter verfügen müsse. "Ein gewisses Durchsetzungsvermögen schadet auch nicht", sagt Faller. Eigenschaften, die auch im alltäglichen und beruflichen Leben durchaus nützlich sein können: "Es ist immer gut, wenn man erst abwägt, bevor man den Mund aufmacht oder als Kampfrichter den Arm hebt."

Dass er in Rio keine Kämpfe mit deutscher Beteiligung leiten darf, versteht sich von selbst. Unter den nominierten vier Ringerinnen und drei Ringern sieht er zwei "heiße Medaillenkandidaten": die Weltmeister Aline Focken (Germania Krefeld) und Frank Stäbler (TSV Musberg). Auch die Ückeratherin Nina Hemmer könne mit ihrem "Killerinstinkt" weit kommen: "Aber beim Ringen hängt halt auch sehr viel von Glück und Pech bei der Auslosung ab." Und von den Kampfrichtern - aber das sagt Michael Faller lieber nicht.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort