Fußball "Fußball kann so unglaublich brutal sein"

Neuss · Nach der 1:2-Pleite gegen den SV Sonsbeck kündigt der 39-Jährige beim Oberligisten seinen Rücktritt am Saisonende an.

Herr Niestroj, ausgerechnet nach der in ihrer Bitterkeit kaum mehr zu toppenden 1:2-Pleite im Kellerduell der Fußball-Oberliga mit dem SV Sonsbeck haben Sie Ihren Spielern verkündet, dass für Sie nach dieser Saison Schluss ist in Nievenheim. Eine Reaktion auf die Niederlage?

Marko Niestroj Definitiv nein. Das hat nichts mit der Tabellensituation zu tun. Ich höre nicht auf, nur weil wir auf einem Abstiegsplatz stehen. Aber ich stimme Ihnen zu: Natürlich war das der absolut ungünstigste Zeitpunkt überhaupt. Aber ich bin damit dem ausdrücklichen Wunsch des Vereins gefolgt. Er wollte endlich Klarheit. Ich kann das verstehen.

Also. Warum hören Sie auf? Glauben Sie nicht mehr an die Rettung?

Niestroj Wenn das zuträfe, wäre ich in dieser Lage ja wohl der falsche Mann. Nein, meine Entscheidung hat ausschließlich berufliche Gründe. Ich arbeite bei Bayer als Chemikant im Schichtdienst und schaffe das einfach zeitlich nicht mehr.

Sagen Sie dem Fußball damit komplett ade?

Niestroj Auf keinen Fall. Ich werde am ersten Spieltag der neuen Saison zwar definitiv keine Mannschaft trainieren, aber ich werde ganz sicher in irgendeiner Funktion zurückkehren. Mir sind sogar schon zwei, drei Sachen angeboten worden - das ging vom Trainer bis zum Sportlichen Leiter. Aber das habe ich alles auf Eis gelegt. Ich brauche meine ganze Kraft für den VdS Nievenheim.

Aber die Lage ist ernst. Mal ehrlich: Ist Ihnen nach jetzt neun sieglosen Spielen in Folge nicht mal der Gedanke gekommen, die Brocken sofort hinzuschmeißen?

Niestroj Ich bin ja nicht blöd, natürlich hinterfrage ich mich auch. In der Nacht nach der Niederlage gegen Sonsbeck habe ich nicht viel geschlafen. Fußball kann so unglaublich brutal sein. Aber es sind noch neun Spiele; und ich rechne hin und her, was du am Ende an Punkten brauchst. Ich sehe, dass wir besser werden: Wir trainieren besser, die Trainingsbeteiligung ist wieder besser. Ja, auch wenn es sich komisch anhört, selbst die Stimmung ist immer noch gut. Darum glaube ich ganz fest, dass wir die Klasse gemeinsam halten können.

Aber das Spiel gegen Sonsbeck ...

Niestroj Ich weiß ... Danach waren alle enttäuscht. Das war nicht der Gegner schuld, das waren wir komplett selber schuld. Wir sind kopflos nach vorne gerannt, anstatt das Spiel in Überzahl, so wie im Training immer wieder eingeübt, breitzumachen. Was mich maßlos aufgeregt hat, ist, dass wir nicht wenigstens den Punkt mitnehmen - das kann am Saisonende entscheidend sein.

Ist Ihre Mannschaft einfach nicht gut genug für die Oberliga? Die Verkettung von Fehlleistungen gegen Sonsbeck, vor allem beim Treffer zum 1:2 in der Nachspielzeit, muss bedenklich stimmen.

Niestroj Das Problem ist bekannt: Je länger das Spiel läuft, desto weniger frisch sind wir im Kopf. Dann machen wir Fehler, die in der Oberliga nun mal brutal bestraft werden. Das Tor zum 1:2 wäre doch vermeidbar gewesen: Du kannst den Konter durch ein taktisches Foul unterbrechen, dann haben wir uns nicht gut verschoben und so die Mitte freigegeben. Gefehlt hat aber auch der unbedingte Wille, selber das Tor zu machen. Uns fehlt einfach ein zentraler Stürmer. Ich will nicht jammern, aber ein Alex Hauptmann fehlt uns allen Ecken und Enden. Vielleicht hätten wir da in der Winterpause noch energischer reagieren müssen.

Aber in Salvatore Franciamore, Kai Pelzer und Sascha Pelka saßen am Montag drei gestandene Größen 90 Minuten auf der Bank. Ein Fehler?

Niestroj Nein. Vier Tage zuvor hatte die Mannschaft in Hönnepel auch ohne sie ein Superspiel gemacht. Und Leistung wird bei mir belohnt, das hatten sich die Jungs verdient.

Am Sonntag wartet in Homberg das nächste Endspiel auf ihre verunsicherte Truppe. Wie wollen Sie Ihre Spieler bis dahin wieder aufrichten?

Niestroj So bitter und ärgerlich die Niederlage gegen Sonsbeck auch war: Wir haben ein Spiel verloren, nicht mehr und nicht weniger. Aber in Homberg müssen wir gewinnen, ohne Wenn und Aber. Wir werden vorher viel reden, ich bin mal gespannt auf die Reaktion der Spieler.

Viele davon werden auch Ihrem Nachfolger erhalten bleiben.

Niestroj Ich beglückwünsche meinen Nachfolger schon jetzt, denn er bekommt eine tolle Mannschaft in einem tollen Verein. Ich habe mit den Jungs super gerne gearbeitet und werde beim Abschied sicher eine Träne verdrücken. Ich hoffe, ich kann meinem Kollegen einen Oberligisten übergeben.

DIRK SITTERLE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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