Lokalsport Galopp auf Sand

Neuss · Man stelle sich vor, die Fußballer des FC Bayern München würde auf Gras die dominierende Rolle wie jetzt spielen, aber auf Asche mit der gleichen Mannschaft nur im Mittelfeld der 3. Liga kicken. Eigent-lich unvorstellbar.

 Newnton Lodge beim Sieg auf Sand in Neuss am 12. Januar 2014 mit Toon van den Troost.

Newnton Lodge beim Sieg auf Sand in Neuss am 12. Januar 2014 mit Toon van den Troost.

Foto: K.J. Tuchel

Wenn sich heute Nachmittag um 16.10 Uhr auf der Neusser Galopprennbahn (bei freiem Eintritt und Parken) die Boxentüren zum ersten der sieben Rennen auf der Sandbahn öffnen, dann tritt im vierten Rennen um 17.40 Uhr ein sechsjähriger Wallach namens Newnton Lodge (Nummer 9) mit Jockey Patrick Gibson an, für den dieser komische Vergleich aus dem Fußball im übertragenen Sinn zutrifft. Auf Grasbahnen ist er zwar nicht in der Bundesliga angesiedelt, aktuell aber nach drei Siegen in dieser Saison in Dortmund, Iffezheim und Hannover drei bis gar vier Klassen höher eingestuft als auf den Sandbahnen.

Im Galopprennsport gibt es nach Leistungsklassen getrennte Wertungen und weil der aus England stammende Sechsjährige auf Sand seit dem 12. Januar 2014 nicht mehr gewonnen hat, kann er auf Sand heute in einer unteren Liga laufen. Newnton Lodge ist damit auch ein Musterbeispiel für die große Erklärungsbedürftigkeit dieses im Grunde so einfachen Sports: Wer als Erster im Ziel ist, der hat gewonnen. Nur der Weg dorthin, der ist komplizierter als in anderen Sportarten.

Also: Nach insgesamt neun Starts ohne Sieg auf den englischen Bahnen von Leicester, Warwick, Wolverhampton und Bath und drei Versuchen im belgischen Mons Ghlin kam der 12. Januar 2014 mit einem Renntag in Neuss. Die belgische Trainerin Peggy Bastiaens Van Cauwenbergh hatte Newnton Lodge in England für "Kleingeld" erworben und sattelte ihn in Neuss in einem Verkaufsrennen mit einem Verkaufspreis von 2.000 Euro. Deshalb trug er ein geringes Renngewicht von 57 Kilogramm und mit dem Belgier Toon van den Troost gewann er in überzeugender Manier. Eigentlich war jedem Kenner der Sandbahnrennen klar: Das ist einer für diesen Boden!

Dazu zählte auch die Trainerin Vera Henkenjohann aus Verl in Ostwestfalen und für das "Höchstgebot" von 2.228 Euro ging der Sieger in das Eigentum von Christian Bruer, einem Besitzer am Henkenjohann-Stall über. Das Team aus Belgien war total verblüfft, damit hatte man überhaupt nicht gerechnet, nahm es aber sportlich. Schließlich gab es noch den Siegpreis von 2.000 Euro und zudem gab es auch keine Garantie für künftige Erfolge. Das schien sich zu bewahrheiten, denn der Neusser Einkauf tat sich in den Rennen extrem schwer, es gelang wenig bis nichts. Am 26. April 2014 war in Magdeburg in einem kleinen Grasbahnrennen der erste Sieg fällig und in dieser Saison steigerte sich der Wallach in die Form seines Lebens. Mehrfach ist er auch auf Gras gut gelaufen, war auch Wettfavorit, doch zum Sieg fehlte immer der letzte Tic. Mittlerweile hat er den Stall gewechselt.

Heute reist er aus Beckingen im Saarland an, denn der neue Trainer heißt Uwe Schwinn. Vera Henkenjohann schließt ihren kleinen Stall. Im Sattel sitzt mit Patrick Gibson der längste deutsche Jockey mit stolzen 1,80 Meter.

(NGZ)
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