Lokalsport Im Olymp der Motorbootrennfahrer

Neuss · Simone Schuft aus Neuss rast in der Formel 1 als eine von weltweit nur zwei Pilotinnen mit Tempo 300 übers Wasser.

 Die gelbe Rakete: Rennkatamarane in der Formel 1, angetrieben von 350 PS, beschleunigen auf bis zu 300 Stundenkilometer.

Die gelbe Rakete: Rennkatamarane in der Formel 1, angetrieben von 350 PS, beschleunigen auf bis zu 300 Stundenkilometer.

Foto: Blaze Performance Team

Das ist mal ein majestätischer Aufschlag: Wer die offizielle Homepage der vom Weltverband "Union Internationale Motonautique" (UIM) anerkannten Rennserie "F1h20.com" anwählt, stößt auf der Startseite sofort auf ein mit dem fetten Titel "Simone Schuft teams up with Francesco Cantando at Blaze Performance" versehenes Bild. Und das heißt vor allem: Die Neusserin ist nach fast anderthalb Jahrzehnten im Geschäft im Olymp eines jeden Motorbootrennfahrers angelangt: Formel1! Die Topliga!

Ein Aufstieg, von dem die 43-Jährige noch nicht mal zu träumen gewagt hätte. Nach einer "Horror-Saison" in der Formel 2 stand sie vor wenigen Monaten sogar am Scheidepunkt: Entweder musste die Managerin und Pilotin ihres 2003 gegründeten Teams "Powerboat Racing Schuft" ein eigenes Rennboot anschaffen und ihre Karriere beenden. Eine schwierige Entscheidung, kostet ein neuer Katamaran von der Anschaffung bis zum ersten Start doch gut und gerne 100.000 Euro. Da das für die Angestellte einer Düsseldorfer Unternehmensberatungsfirma natürlich nicht infrage kam, fiel die Wahl auf ein gebrauchtes Gefährt, das sie seit dem vergangenen Winter gemeinsam mit ihrem Team im Bootshaus Krekels an der Bataverstraße im Krefelder Rheinhafen fit für den ersten Einsatz am 5./6. Mai in Brodenbach an der Mosel macht.

 Ist ganz oben: Simone Schuft (43).

Ist ganz oben: Simone Schuft (43).

Foto: Team Schuft

Und dann kam Post aus Fizzonasco di Pieve Emanuele, Provinz Mailand: Dort suchte Franco Cantando in seiner Funktion als Manager des seit mehr als 40 Jahren im Business etablierten italienischen Rennstalls "Blaze Performance" einen Piloten für die WM. Und er wollte "la ragazza tedesca", die Deutsche, die sich über die Formel ADAC und die Formel 4 bis zur Vizeweltmeisterin in der Formel 2 hochgearbeitet hatte. "Ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst", sagt Simone Schuft schmunzelnd und spielt damit ausdrücklich nicht auf das Zitat von Marlon Brando als Don Vito Corleone aus dem Filmklassiker "Der Pate" an. Natürlich war ihr sofort klar, dass sie als lupenreine Amateurin damit ihren kompletten Jahresurlaub und alle freien Tage opfern muss. "Aber ich konnte einfach nicht nein sagen. Das ist eine Chance, wie sie sich mir wahrscheinlich nie wieder bietet." Als Hochleistungssportlerin mit einem regulären 40-Stunden-Job hat sie sich fürs Erste von einem Privatleben verabschiedet. "Im Moment ist bei mir Land unter", sagt sie in gespielter Verzweiflung, "am liebsten wäre es mir, der Tag hätte 36 Stunden - und schlafen muss ich ja auch mal irgendwann ..." In den kommenden Wochen bis zum ersten WM-Einsatz am 20. Mai (Pfingstsonntag) im portugiesischen Portimão an der Algarve muss sie in erster Linie funktionieren. "Mensch sein kann ich dann hinterher wieder ..."

Auf den Trip mit ihrem eigenen Team an die Mosel folgt am Wochenende darauf vom 11. bis 13. Mai ein kleines Trainingslager in Mailand mit Testfahren auf dem Po. Darauf freut sich die Neusserin, gleichzeitig ist der Respekt vor den 350 PS starken und mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern über die Wellen jagenden Powermaschinen riesig. "Das ist ein phänomenales Abenteuer." Sie ist froh, dass sie in Francesco Cantando, der schon seit 1996 auf diesem Niveau fährt und dabei 42 Mal auf dem Podium stand, einen erfahrenen Teamkollegen an ihrer Seite hat. In Portugal bestreitet der Italiener bereits sein 170. Rennen.

Auf dem Programm stehen auch Läufe in den London Docks, ein Klassiker, der nach 33 Jahren eine spektakuläre Neuauflage erlebt, sowie in China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Neun Teams beschäftigen 18 Piloten, unter denen neben Simone Schuft in der beim Emirates Racing Team unter Vertrag stehenden Norwegerin Marit Stromoy (41) nur noch eine weitere Frau ist. Rennbootfahren ist immer noch eine Männerdomäne.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort