Lokalsport Kegeln - ohne Bahn und Kugel zu sehen

Neuss · Zum 25. Mal gastiert der Blinden- und Sehbehinderten-Verband mit den Landesmeisterschaften Nordrhein in Neuss.

Normalerweise kommt es beim Kegeln auf ein gutes Händchen und ein gutes Auge an. Aber was passiert, wenn die Sehkraft stark eingeschränkt oder überhaupt nicht vorhanden ist? Kegeln für Blinde - für die meisten wahrscheinlich unvorstellbar. Dabei geht das ganz hervorragend, das stellten die 18 sehbehinderten und blinden Teilnehmer der in der Kegelhalle an der Jahnstraße in Neuss ausgetragenen Landesmeisterschaften eindrucksvoll unter Beweis: Sehbehinderte und Kegeln - diese Kombination passt.

Aber wie genau funktioniert diese Sportart, bei der selbst Organisation und Anreise eine Meisterleistung darzustellen scheinen? Klar ist, ein "Vollblinder" - so die offizielle Bezeichnung - kann nicht einfach auf die entsprechende Internetseite gehen und sich darüber informieren, wann und wo die nächsten Wettbewerbe stattfinden, um sich dann am Wettkampftag in sein Auto zu setzen und loszufahren. Die Organisation solcher Turniere beginnt schon Monate vorher. Die infrage kommenden Vereine werden per Rundschreiben über die anstehenden Wettkämpfe informiert. Dabei spielen die (sehenden) Betreuer eine besonders wichtige Rolle. Ohne deren Unterstützung bei der Planung, der An- und Abreise mit Auto, Bus und Bahn sowie deren Hilfeleistung beim Kegeln wäre ein solches Unterfangen überhaupt nicht realisierbar. "So ist es bei uns auch schon vorgekommen, dass eine Einladung zur Europameisterschaft nicht wahrgenommen werden konnte, weil sich kein Betreuer zur Begleitung finden ließ", sagt der zehnmalige Deutsche Meister Dieter Schäfer, dessen Sehkraft bei zehn Prozent liegt

Auch dem Laien erschließen sich rasch die hohe Komplexität und die anspruchsvolle Technik dieser Sportart. Die Wettkämpfer treten in drei Schadensklassen an: In der Klasse B1 nehmen ausschließlich vollständig Erblindete teil. Um sicherzustellen, dass die Teilnehmer auch wirklich nichts sehen, tragen diese noch zusätzlich eine Augenbinde.

Gekegelt wird dann aus einem festen, breitbeinigen Stand heraus. "In einer Art Stoßbewegung, keiner Wurfbewegung, wird die Kugel möglichst mittig auf die Bahn gebracht und bahnt sich dann langsam ihren Weg zu den Kegeln", erklärt Cheforganisator Hugo Ueberberg, der selber in der Schadensklasse B1 an den Start geht. Die Kugeln bekommt der Athlet von seinem Begleiter angereicht, der auch die erzielten Ergebnisse nach jedem Wurf laut ansagt. Die Sehbehinderten der Klasse B2 können sich die Kugeln selber nehmen. Sie sind zudem in der Lage, ihr Sportgerät per Ausfallschritt auf den Weg zu bringen. Ueberberg: "Die Technik variiert dabei von Sportler zu Sportler."

Deutlich dynamischer hingegen sieht das Ganze in der Schadensklasse B3 aus. Hier besitzen die Starter noch ungefähr zehn Prozent ihrer Sehkraft. Sie dürfen beliebig viele Schritte zum Schwungholen nehmen. Dabei erinnert der Anlauf an die Leichtathleten im Weitsprung. Wie auch diese legen die Kegler einen Startpunkt fest und haben von da an die immer gleiche Schrittabfolge. Diese feste Anlaufroutine ermöglicht ihnen einen besonders kräftigen Wurf.

Bei der 25. Auflage der Landesmeisterschaften unter dem Dachverband des Deutschen Behindertensportverbandes gingen in allen Schadensklassen Männer und Frauen an den Start. Wilfried Schwellnus, mit 83 Jahren ältester Teilnehmer, hatte den Wettkampf 1993 ins Leben gerufen hat. Neuss war für ihn aufgrund der zentralen Lage in Nordrhein-Westfalen der ideale Austragungsort. Das Ehepaar Jutta und Hugo Ueberberg übernahm ab 2005 die Organisation des Turniers. Der Termin für die 26. Auflage steht schon fest: 22. September 2018.

(NGZ)
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