Lokalsport Lange Gesichter statt Aufstiegsfeier

Köln/Dormagen · Warum der TSV Bayer Dormagen bei der 27:28-Niederlage in Longerich den ersten Matchball zum Zweitliga-Aufstieg verspielt.

 So hatten sich die mehr als 100 Fans des TSV Bayer Dormagen den Freitagabend in der Sporthalle der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Köln-Chorweiler nicht vorgestellt: Beim Fan-Club herrscht Tristesse statt Aufstiegseuphorie - und Handball-Geschäftsführer Björn Barthel (u.r.) mag gar nicht mehr hinsehen.

So hatten sich die mehr als 100 Fans des TSV Bayer Dormagen den Freitagabend in der Sporthalle der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Köln-Chorweiler nicht vorgestellt: Beim Fan-Club herrscht Tristesse statt Aufstiegseuphorie - und Handball-Geschäftsführer Björn Barthel (u.r.) mag gar nicht mehr hinsehen.

Foto: Heinz Zaunbrecher

Es sollte eine lange Feier-Nacht werden, doch die von Marketingleiterin Jil Falkenstein eilends bedruckten Aufstiegs-T-Shirts blieben im Koffer. Mit der 27:28-Niederlage (Halbzeit 10:15) beim Lokalrivalen Longericher SC hat der TSV Bayer Dormagen die erste von drei Chancen zur Rückkehr in die Zweite Handball-Bundesliga verspielt. Leichtfertig und unnötigerweise, auch wenn es am verdienten Sieg der leidenschaftlich kämpfenden Kölner letztlich nichts zu deuteln gab.

Doch wohl selten ist ein Profi-Handballteam so schlecht vorbereitet in ein entscheidendes Aufstiegsspiel gegangen wie das der Dormagener am Freitagabend. Es fing schon damit an, dass der für Handballer bei der Ausübung ihres Berufes eigentlich unverzichtbare Topf mit dem Harz am heimischen Höhenberg vergessen worden war. Ob der Mangel an nötiger Klebekraft eine Erklärung für die haarsträubenden technischen Fehler und Ballverluste der ersten dreißig Minuten ist, sei dahingestellt.

Als viel entscheidender erwies sich, dass die Dormagener auf einen durchaus erwartbaren taktischen Schachzug der Hausherren offenbar in keiner Weise vorbereitet waren: SCL-Trainer Chris Stark ließ Lukas Stutzke von der ersten bis zur letzten Spielsekunde in Manndeckung nehmen, zunächst durch den Demnächst-Dormagener Benjamin Richter, später durch den aus Dormagen stammenden Matthias Peters.

Longerich beraubte so die Gäste ihrer in dieser Saison durchschlagskräftigsten Waffe: 153 Tore hatte derJunioren-Nationalspieler in den voraufgegangenen 27 Partien erzielt, was einem Schnitt von knapp sechs Treffern pro Spiel entspricht. Am Freitagabend gelangen ihm drei. Eine kluge Taktik fürwahr, doch normalerweise eine mit hohem Risiko behaftete. Denn eine Manndeckung gegen einen Spieler schafft immer Freiräume für die anderen - wenn denn jemand da ist, der sie zu nutzen versteht. Bei Dormagen gab es an diesem Abend keinen. Der, der es am ehesten gekonnt hätte, Eloy Morante Maldonado, saß mit Muskelriss im Oberschenkel als Co-Trainer auf der Bank (was die Longericher wussten).

Den anderen versagten Kopf, Nerven, Hände und Füße den Dienst, sie liefen oftmals hilf- und planlos durch die überhitzte Halle und gestatteten den Hausherren so einen zwischenzeitlichen Sieben-Tore-Vorsprung (19:12, 35.). Insgesamt unternahmen die Dormagener zu wenig, um Stutzke ins Spiel einzubeziehen - taktische Mittel dazu gibt es genug. Als das einfachste (Sperre/Absetzen) nach der Pause kurzzeitig funktionierte, kamen sie gegen konditionell abbauende Longericher von 15:21 (40.) auf 21:21 (48.) heran. Doch statt selbst in Führung zu gehen - Chancen dazu gab es genug - verfielen sie in alte Verhaltensmuster und ließen zu viele Tormöglichkeiten ungenutzt. Mit 15 gehaltenen Bällen machten sie den Ex-Neusser Nils Thorben Schmidt zum Helden - und sich selbst mit fünf verworfenen Siebenmetern zum Deppen.

"Alles Kopfsache", erklärte Ian Hüter hinterher. Und Trainer Ulli Kriebel meinte: "Wir sind von den Ereignissen überrollt worden. Als ich heute Mittag die Nachricht bekam, dass wir heute Abend aufsteigen können, musste ich das erst einmal sacken lassen." Mag sein. Doch der Auftritt war ja kein einmaliger Ausrutscher, sondern erinnerte in vielfältiger Weise an die vorhergegangenen "Spitzenspiele" gegen Ferndorf, Leichlingen und Krefeld, die der TSV auch nicht (alle) hätte verlieren müssen. "Im direkten Vergleich der fünf Top-Teams sind wir mit am schlechtesten", weiß Handball-Geschäftsführer Björn Barthel.

Doch er sagt auch: "Wir dürfen uns den Aufstieg jetzt nicht mehr nehmen lassen." Der nächste Matchball wird am Samstag (16.30 Uhr) in der 180 Zuschauer fassenden Hinni-Schwenker-Sporthalle in Bremen liegen. Gastgeber ATSV Habenhausen ist zwar Tabellenvorletzter, bereitete dem TSV aber schon im Hinspiel (35:31) enorme Schwierigkeiten. Mehr Gegentore als das Kellerkind schenkte den Bayer-Handballern in dieser Saison nur der Leichlinger TV ein. Ein gutes Omen sieht anders aus.

(NGZ)
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