American Football Mit voller Kraft in Richtung Granada

Neuss · Jessica Neues (29) nimmt mit der Football-Nationalmannschaft an der ersten Europameisterschaft der Frauen teil.

Jessica Neues hat ein teures Hobby. Die 29 Jahre alte Neusserin begeistert sich nicht etwa für Sportwagen oder sammelt Kunstwerke, sie spielt American Football. Und das sehr erfolgreich. Doch während andere Sportler von ihrer Lieblingsbeschäftigung leben können, muss Neues dafür tief in die Tasche greifen. Ob Flüge, Ausrüstung oder Verpflegung - auf den Kosten bleibt sie mangels Sponsoren stets selbst sitzen. "Das ist schon ziemlich teuer. Wenn ich hätte Geld verdienen wollen, wäre ich besser Fußballerin geworden", sagt sie lachend.

Wenn Anfang August die erste Frauen-Europameisterschaft im südspanischen Granada stattfindet, will sie dennoch unbedingt dabei sein. "Ich fahre auf jeden Fall", betont der Defensive End des amtierenden Deutschen Meisters Mülheim Shamrocks. Das bedeutet für Neues Kosten in Höhe von 1800 Euro. Rechnet man noch die Summen dazu, die für die beiden Weltmeisterschaften in Finnland und Schweden zusammenkamen, hätte sich Neues stattdessen wohl nicht nur einen Urlaub in Granada, sondern wohl eher im nicht weit entfernten Luxusbadeort Marbella leisten können. Doch das nimmt sie gerne auf sich: "Klar würde ich auch irgendwann mal gerne in den Urlaub fahren. Aber ich leben für diesen Sport."

Los ging alles 1997 mit einer Flagfootball-AG an der Neusser Janusz-Korczak-Gesamtschule, in der Neues das einzige Mädchen war. Danach war sie infiziert, wechselte zu Rhein Fire nach Düsseldorf, später zu den Panthers Ladies und den Bulldozers, ehe sie in Mülheim die bislang erfolgreichste Station ihrer Laufbahn fand. Wenn sie an den klaren 50:22-Erfolg gegen Berlin im "Ladies Bowl", dem Endspiel der Damen-Bundesliga, denkt, bekommt sie immer noch Gänsehaut. "Da ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich spiele seit 20 Jahren Football und habe mit Düsseldorf auch noch dreimal im Finale gegen Berlin verloren", sagt Neues und präsentiert stolz ihren Meisterring, den die Shamrocks obligatorisch nach dem Titelgewinn anfertigen ließen.

Steigerbar wäre dies nur noch durch einen Triumph mit der Nationalmannschaft. Doch während bei den Weltmeisterschaften die Dominanz von USA und Kanada erdrückend ist - dort sind die Spielerinnen allesamt Profis -, ist ein Triumph bei der Premieren-EM gut möglich. "Die erste EM ist etwas ganz Besonderes. Ich glaube, dass wir relativ gute Chancen haben", sagt Deutschlands Nummer 70, die als Schichtbegleiterin bei Maoam arbeitet. In Schweden und Finnland reichte es jeweils nur zu Rang vier, dieses Mal sei ihr Team aber bereit: "Wir geben alles dafür." Allerdings spielte das liebe Geld auch bei der Mannschaftsauswahl von Bundestrainer Tom Balkow eine Rolle: "So ein Turnier kann sich halt nicht jede Spielerin leisten, gerade weil wir auch viele Studenten und Schüler dabei haben. Deshalb spielen leider nicht die Besten mit, sondern die, die genug Geld dafür haben."

Neues, deren Onkel Hans-Günter (64) übrigens eine Legende beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern ist, sucht daher händeringend nach Unterstützung. Sie klapperte vergeblich Reisebüros ab und wandte sich auch an die Neusser Sportstiftungen. Dass sie auf dem Löwenanteil letztendlich wohl trotzdem sitzen bleiben wird, ist ihr dabei bewusst. Doch Jessica Neues lebt halt für ihren Sport.

(NGZ)
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