Lokalsport NHV ist gegen Krefeld erneut chancenlos

Neuss · Gästetrainer Olaf Mast macht die "größere Leidenschaft" seiner Mannschaft als entscheidend für den 32:25-Sieg beim Neusser HV aus.

 Noch zwei der besseren im Neusser Team: Der sechsfache Torschütze Niklas Weis (hinten) und der sich nach Kräften mühende Philip Schneider. Insgesamt hatte die HSG Krefeld um Marcel Görden, Stephan Pletz und Gerrit Kuhfuss (v.l.) aber deutlich mehr in die Waagschale zu werfen als der Neusser HV.

Noch zwei der besseren im Neusser Team: Der sechsfache Torschütze Niklas Weis (hinten) und der sich nach Kräften mühende Philip Schneider. Insgesamt hatte die HSG Krefeld um Marcel Görden, Stephan Pletz und Gerrit Kuhfuss (v.l.) aber deutlich mehr in die Waagschale zu werfen als der Neusser HV.

Foto: A. Woitschützke

Lorenz-Günther Köstner, der sich als ehemaliger Trainer in Unterhaching, beim 1. FC Köln, dem Karlsruher SC und Rot-Weiß Essen in solchen Dingen bestens auskennt, hat es einmal in unnachahmlicher Weise formuliert: "In einer toten Mannschaft ist einfach kein Leben mehr drin."

Der Versuch, den als Top-Favoriten in die Drittliga-Saison gestarteten Handballern des Neusser HV durch den zweiten Trainerwechsel dieser Spielzeit solches Leben einzuhauchen, darf vorerst als gescheitert angesehen werden. Denn bei der 25:32-Schlappe (Halbzeit 14:18) gegen die HSG Krefeld zum Heimdebüt von Ceven Klatt als neuem Chef an der Seitenlinie war kein großer Unterschied zur 26:32-Niederlage im Hinspiel, damals noch unter Regie des inzwischen wieder auf der Bank sitzenden René Witte, zu erkennen.

Mit einer Ausnahme: In Krefeld führten die Neusser nach 20 Minuten mit 8:5. Am Samstag übernahmen die Gäste beim 4:3 durch den insgesamt acht Mal erfolgreichen Maik Schneider in der sechsten Minute das Kommando und die Führung, die sie bis zum Schluss nicht mehr hergaben. Auch wenn sie dank einer fünfminütigen Torflaute der HSG unmittelbar nach der Pause noch einmal bis auf 17:18 verkürzen konnten, so richtig in Reichweite kamen die Gastgeber nie.

Bis auf Augenhöhe schon gar nicht. Denn spielerisch gute Momente, zu denen die Neusser ja durchaus fähig sind - alles andere wäre angesichts ihrer personellen Ausstattung auch eine Überraschung - dauern selten lange. Oft reicht ein einziger Fehlwurf oder -pass, um das gerade im Aufbau befindliche Gefüge zum Einsturz zu bringen. Was Olaf Mast im (peinlicherweise von René Witte moderierten) Trainertalk zu dem Fazit brachte: "Die leidenschaftlichere Mannschaftsleistung hat heute den Unterschied gemacht. Leidenschaft gehört im Handball nun mal dazu."

Die Aussage seines Krefelder Kollegen wollte Ceven Klatt nicht unkommentiert stehen lassen. In puncto Einsatz und Leidenschaft könne er seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen, im Gegenteil: "Der einzige Unterschied heute war, dass wir unsere hundertprozentigen Torchancen nicht genutzt haben." Insgesamt scheiterten seine Schützlinge 15 Mal an Stefan Nippes - doch Torhüter gehören zum Handball nun mal ebenso dazu wie Leidenschaft.

Ceven Klatt steht ganz am Anfang seiner Trainerlaufbahn. Soll aus ihr wirklich eine werden, muss der 32-Jährige noch eine Menge lernen. Zum Beispiel Selbstkritik und die Fähigkeit, anzuerkennen, dass ein Gegner einfach besser ist. Und das waren die keineswegs so prominent wie der NHV besetzten Krefelder (drei gegenüber sechs Spieler mit Zweitliga-Erfahrung) auf fast allen Positionen. Sie steckten sogar weg, dass Marcel Görden, der anerkannt beste Kreisläufer der Liga, über weite Strecken nur in der Abwehr eingesetzt werden konnte, weil er sich früh am Daumen verletzt hatte: "Aber das können wir kompensieren, weil wir eine Mannschaft sind", sagte der Ex-Korschenbroicher, dem Mast bescheinigte, "mit einer Hand besser zu decken als viele andere Spieler mit zweien."

Ob der NHV gut beraten war, Klatt schon jetzt auf den Cheftrainerposten zu befördern, sei dahingestellt. Eine Handschrift, eine klare taktische Linie war jedenfalls nicht zu erkennen. Der Versuch, die Gäste dadurch zu verwirren, dass Philip Schneider von der Linksaußenposition als zweiter Kreisläufer einlief, zeigte wenig Wirkung. Zeitweise fand sich der einstige Aufstiegsheld sogar auf der Regieposition wieder - und das, obwohl in Heider Thomas, Felix Handschke und dem nicht eine Sekunde eingesetzten Ivan Cosic drei "gelernte" Mittelmänner im Kader stehen. Wie man klug Regie führt, zeigte auf der Gegenseite Tim Gentges - unverständlich, dass Klatt den überragenden Krefelder nicht permanent in Manndeckung nehmen ließ. "Wir hatten uns in der Halbzeitpause schon darauf vorbereitet", sagte Mast.

Vielleicht kriegt der jetzt seit dem 7. November auf einen Heimsieg wartende Neusser HV ja unter Klatts Regie in den ausstehenden zwölf Saisonspielen doch noch die Kurve. Wenn nicht, haben die Verantwortlichen der NHV1 Spielbetriebs-GmbH am Saisonende ein Problem. Denn dann müssen sie ihren Ambitionen entsprechend entweder einen Großteil der Mannschaft austauschen - oder erneut den Trainer. Eine mögliche Lösung saß in Gestalt des als "Leiter des Leistungszentrums Nachwuchs-Handball" vorgestellten Ex-Nationalspielers Mark Dragunski am Samstag bereits auf der Tribüne. Zuzutrauen wäre es den NHV-Machern auf alle Fälle. Denn wie sagte ein Intimkenner der niederrheinischen Handballszene am Samstagabend: "So etwas wie hier habe ich in vierzig Jahren Arbeit im Handball noch nicht erlebt."

(NGZ)
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