Sportgeschichten (93) Papa Pascal hat er schon eingeholt

Neuss · Morgen kann Kentin Mahé mit Frankreich zum zweiten Mal Handball-Weltmeister werden. Damit wäre der 25-Jährige, der elf Jahre in Dormagen lebte und spielte, erfolgreicher als sein Vater - und der gilt im Land des WM-Gastgebers als Legende.

Dormagen Während die "bad boys" zu Hause ihre Wunden lecken, spricht im morgigen Finale der Handball-Weltmeisterschaft in Paris wenigstens einer Deutsch. Denn Kentin Mahé, mit 28 Toren bislang erfolgreichster Werfer des WM-Gastgebers, ist zweisprachig aufgewachsen. Schließlich verbrachte er 16 seiner 25 Lebensjahre in Deutschland, davon elf in Dormagen, wo er von 2000 bis 2011 lebte, am Norbert-Gymnasium in Knechtsteden sein Abitur baute und sämtliche Teams des TSV Bayer Dormagen durchlief - von der E-Jugend bis zur Bundesliga.

Kentin Mahé ist der kommende Mann im Team des Titelfavoriten, für dessen Routiniers um Thierry Omeyer (40) und Daniel Narcisse (37) das morgige Endspiel vor 15.000 Zuschauern wohl den letzten Auftritt im Nationaltrikot bedeutet. Mahé, so schreibt "Le Parisien" in einem Porträt des Linksaußens, zählt hingegen noch zur "jeune garde" - vor allem vom Aussehen mit seinem Babygesicht ("visage poupon") und seiner Frische.

Dabei ist der 25-Jährige alles andere als ein Frischling. 70 Länderspiele hat er schon auf dem Buckel, er gehörte zum erweiterten Aufgebot der Franzosen, das 2014 Europameister wurde, er gehörte zum Stamm der "experts", die 2015 den WM-Titel gewann und im Sommer in Rio erst im olympischen Finale von den Dänen gestoppt wurden.

Mit diesen Erfolgen hat Kentin Mahé seinen Vater schon eingeholt - und kann dessen Bilanz morgen sogar übertreffen. Dabei ist Pascal Mahé, der im September 1999 als Abwehrchef zum (damaligen Bundesligisten) TSV Bayer Dormagen wechselte und bis 2012 als Trainer blieb, in seinem Heimatland eine Legende: 1995 führte der heute 53-Jährige die Franzosen als Mannschaftskapitän zum ersten WM-Titel ihrer Handballgeschichte, 1992 wurde er Olympiadritter, ein Jahr später Vize-Weltmeister. Seinem beim Bundesliga-Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt spielenden Sohn schaut er bei der WM im eigenen Land voll Bewunderung zu: "Er spielt im Verein und im Nationalteam auf der Mittelposition, trotzdem ist er auf dem Weg, der zweitbeste Linksaußen der Welt zu werden - das spricht für seine Anpassungsfähigkeit", sagt Pascal Mahé, der das älteste seiner drei Kinder in den Anfangsjahren auch trainierte. In seinen Augen hat das etwas mit Kentins Lebenslauf zu tun: "Er ist ein bisschen schwedisch, ein bisschen deutsch, gut französisch und sehr europäisch."

Kentins schwedische Großmutter Kerstin wurde am Dienstag 80 Jahre alt - just an jenem Tag, an dem sich die Franzosen im WM-Viertelfinale mit 33:30 gegen Schweden durchsetzten und Mahé sieben von sieben Siebenmetern verwandelte. Er selbst will seine Rolle nicht überbewerten: "Man kann dieses Team nicht führen, bevor man eine große Zahl von Länderspielen hat", sagte er gegenüber "Le Parisien". Er sei da, "um diese tolle Mannschaft zu komplettieren", um Frische und Können in kritischen Momenten aufs Feld zu bringen. Und um Verantwortung zu übernehmen, wenn es darauf ankommt.

Das hat er in den bisherigen Spielen getan. Doch ausgerechnet beim Rekordspiel, als die Franzosen vor 28.010 Zuschauern im "Stade Pierre Mauroy" in Lille Island mit 31:25 bezwangen, saß Mahé auf der Bank. "Bei uns bekommt jeder mal eine Pause, das könnte am Ende des langen Turniers zu unserem Vorteil sein", sagt der Ex-Dormagener, der nach dem Einlaufen feststellte: "Ich fühlte mich wie ein Gladiator, als wir ins Stadion einmarschierten."

Die "Blauen" haben eine riesige Handball-Euphorie in ihrem Land entfacht: 15.609 Zuschauer in der ausverkauften Pariser Arena und knapp sieben Millionen vor dem Fernseher sahen den 31:25-Sieg im Halbfinale über Slowenien, zu dem Mahé vier Tore beisteuerte. "Diese Leute und unsere Familien stolz zu machen, ist eine Extra-Motivation für uns", sagt der Linksaußen - klingt wie ein "echter Mahé".

(NGZ)
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