Kommentar Schiedsrichter mit zu viel Macht

Neuss · Niemand möchte Florian Gerhard und Tobias Küsters Absicht unterstellen. Anders als ihre bulgarischen Kollegen, die 1993 den TSV Bayer Dormagen im Europapokalhalbfinale bei Olympique Marseille nach allen Regeln der Handballkunst verpfiffen (und, wie sich im Nachhinein herausstellte, vor der Partie schon eine Woche an der Cote d'Azur verbrachten), handelte das Schiedsrichterduo am Samstagabend nicht mit Vorsatz, als es den Zweitliga-Neuling im Duell mit dem HC Empor Rostock kräftig benachteiligte. Sondern aus einer Mischung aus Überforderung und Angst vor der eigenen Courage, die sie offenbar überkam, nachdem sie Rostocks tschechischen Nationalspieler Roman Becvar des Feldes verwiesen hatten.

Der vermeintliche Vorteil der Hausherren kippte ins Gegenteil, weil Handball-Schiedsrichter zu viel Macht und zu großen Ermessensspielraum haben. Wann sie "Zeitspiel" anzeigen, wann sie es ahnden - in der Schlussminute durfte Rostock 32 Sekunden im Angriff nichts tun, ehe die Unparteiischen die Hand hoben und weitere sechs, ehe sie pfiffen - ob und wann sie die Uhr anhalten, das alles ist nicht klar geregelt, sondern liegt allein in ihrem Ermessensspielraum. Was Szenen wie am Samstagabend Tür und Tor öffnet.

Derweil sitzt ein DHB-Offizieller auf der Tribüne und füllt seitenweise Papier mit den Fehlern seiner Kollegen, ohne dass er korrigierend eingreifen darf. Wenn schon dieser personelle Aufwand betrieben wird, kann man ihn auch getrost zum Oberschiedsrichter mit voller Befugnis machen. Volker Koch

(NGZ)
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