Lokalsport "Sport notfalls in der Kirche"

Die Turngemeinde hat das, wovon andere Vereine träumen: Ihre Mitgliederzahlen klettern nach oben. Am Montag, dem Tag der Jahreshauptversammlung, standen 5476 Namen im Mitgliederverzeichnis, das waren 189 mehr als 2009. Wie die TG gegen den Trend arbeitet und was das für den größten Neusser Sportverein bedeutet, darüber sprach die NGZ mit dem Vorsitzenden Mario Meyen.

 Der Vorsitzende des Ausrichters überquert die Ziellinie — auf dieses gewohnte Bild werden die Zuschauer des Sommernachtslaufs am6. Juni verzichten müssen. Wegen einer Bein-OP steht Mario Meyen erstmals in 26 Jahren nicht an der Startlinie.

Der Vorsitzende des Ausrichters überquert die Ziellinie — auf dieses gewohnte Bild werden die Zuschauer des Sommernachtslaufs am6. Juni verzichten müssen. Wegen einer Bein-OP steht Mario Meyen erstmals in 26 Jahren nicht an der Startlinie.

Foto: NGZ

Herr Meyen, allerorten klagen Sportvereine über rückläufige Mitgliederzahlen. Die Turngemeinde arbeitet offensichtlich gegen den Trend - wie schaffen Sie das?

Mario Meyen: Ich glaube nicht, dass das ein allgemeiner Trend ist. Vereine unserer Größenordnung leiden nicht so stark unter einem Mitgliederrückgang, sie haben stabile oder wie in unserem Fall sogar steigende Mitgliederzahlen. Die klassischen Ein- oder Zwei-Spartenvereine sind am stärksten davon betroffen.

Woher kommen die neuen Mitglieder?

Meyen: Wir können da nur Vermutungen anstellen, wir befragen ja nicht jedes neue Mitglied, was bei einer jährlichen Fluktuation um die Tausend gar nicht zu bewerkstelligen wäre. Wir haben den Eindruck, dass zur Zeit viele Leute in die Sportvereine kommen, die sich eine Mitgliedschaft bei kommerziellen Anbietern wie Fitnessstudios oder Sportcentern nicht mehr leisten können oder wollen. Bei diesen Angeboten haben wir nämlich den größten Zuwachs - Aerobic ist mit knapp tausend Mitgliedern inzwischen unsere größte Abteilung.

Also hin zum Gesundheits-, weg vom klassischen Wettkampfsport?

Meyen: In der Tat. Unsere Abteilungen, die klassischen Wettkampfsport anbieten, bewegen sich von den Zahlen her eher nach unten.

Könnte das damit zu tun haben, dass sich diese Angebote vornehmlich an Kinder und Jugendliche richten?

Meyen: Genau das ist es. Der Kinder- und Jugendbereich stagniert, wir haben im Moment 2353 Mitglieder unter 18 Jahren. Und wenn wir oder andere Vereine da nicht gegensteuern, wird der Sport massive Probleme bekommen. Ohne die Zusammenarbeit mit den Schulen geht da gar nichts mehr, weil die Kinder im offenen Ganztagsbetrieb oft bis in den späten Nachmittag hinein in der Schule sind. Wann sollen die denn noch bei uns trainieren? Also müssen wir Angebote mit und an den Schulen unterbreiten, doch das ist gar nicht so einfach. Das funktioniert nur, wenn sie etwas Besonderes anbieten, etwas, was die Schule allein nicht leisten kann.

Verfügen Sie denn über ausreichend Möglichkeiten, ein solches Angebot zu unterbreiten?

Meyen: Ganz klar: nein. Wir stoßen an unsere Grenzen, weil es in Neuss kein ausreichendes Potenzial an Sporträumlichkeiten, sprich Turnhallen, gibt. Wir könnten 40,50 Wochenstunden mehr anbieten, haben dafür aber keine Kapazitäten. Wir würden gerne unser Angebot für Senioren erhöhen, denn davon gibt es ja immer mehr, die sich auch sportlich betätigen wollen. Aber finden Sie mal eine Halle, die zwischen 9 und 17 Uhr frei ist.

Abhilfe könnte das geplante TG-Zentrum schaffen.

Meyen: Auf jeden Fall. Wir benötigen dieses Zentrum dringender denn je. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass nach dem abgeschlossenen Werkstattverfahren zum Jahnstadion diese Planungen deutlich vorangetrieben würden. Wir haben deshalb angefangen, nach leerstehenden Gebäuden im Stadtgebiet zu suchen, alten Fabrikhallen zum Beispiel., die wir anmieten können. Notfalls nehmen wir auch eine leerstehende Kirche.

Volker Koch führte das Gespräch

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