Radsport Vier kommen von der Tour zur Tour

Neuss · Am Sonntag endet die Tour de France in Paris. Vier deutsche Radprofis - Marcel Sieberg, Roger Kluge, Paul Voss und Andreas Schillinger - kommen aus Frankreich zur Tour de Neuss, die am 30. Juli zum 13. Mal auf dem Programm steht.

 Die Tour-Macher und ihr Plakat: Barthel Winands, Heinz-J. Hegger, Stephan Hilgers und Kurt Sitterle (v.r.) voller Vorfreude auf "ihr" Rennen.

Die Tour-Macher und ihr Plakat: Barthel Winands, Heinz-J. Hegger, Stephan Hilgers und Kurt Sitterle (v.r.) voller Vorfreude auf "ihr" Rennen.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Auch wenn sie derzeit in den Pyrenäen keine große Rolle spielen - deutsche Radprofis haben, in der Heimat weitgehend unbemerkt, bei der Tour de France für Furore gesorgt. Den wenigen deutschen Rennveranstaltern, die nach dem jähen Ende des Radsportbooms hierzulande noch übrig geblieben sind, kommt das nicht unbedingt zu Gute.

 Marcel Sieberg, der hier den Sprint bei der Deutschen Straßenmeisterschaft für André Greipel anzieht.

Marcel Sieberg, der hier den Sprint bei der Deutschen Straßenmeisterschaft für André Greipel anzieht.

Foto: Uwe Zucchi

"Die deutschen Fahrer sind plötzlich überall heiß begehrt - und das vielfach zu Antrittsgagen, bei denen wir nicht mithalten können", sagt Andreas Kappes (48), der selbst von 1988 bis '92 vier Mal bei der Tour de France startete. Der zweifache Etappenvierte, 1992 Fünftbester in der Punktwertung der besten Sprinter und im elften Jahr Sportlicher Leiter der Tour de Neuss, hat die Folgen in den vergangenen Tagen zu spüren bekommen: "So schwierig war es noch nie, deutsche Tour-Fahrer nach Neuss zu holen."

Vor allem, wenn der Etat des einzig verbliebenen Nach-Tour-Kriteriums auf deutschem Boden "trotz der Rückgewinnung von zwei Großsponsoren zu allerdings reduzierten Konditionen" weiterhin eng gesteckt ist, sagt Barthel Winands, 2. Vorsitzender des ausrichtenden Neusser Radfahrerverein (NRV), "und wir weder in der Lage noch bereit sind, die Wahnsinnsgagen zu bezahlen, die in Holland und Belgien bezahlt werden."

 Roger Kluge (r. hinter Alejando Valverde).

Roger Kluge (r. hinter Alejando Valverde).

Foto: -woi

So wollte dem Vernehmen nach ein deutscher Etappenzweiter seinen Start in Neuss mit einer Summe entlohnt haben, "die wir noch nie gezahlt haben, noch nicht mal an Erik Zabel zu dessen Glanzzeiten", sagt Kappes und vermisst da die "Verhältnismäßigkeit" im Preis-Leistungs-Verhältnis. Dass die meisten deutschen Fahrer bei Teams anderer Nationalität unter Vertrag stehen, macht die Sache nicht einfacher: "Früher, zu Zeiten von Telekom, Gerolsteiner oder Milram hatten Teamchefs und Sponsoren ein Interesse daran, dass sich ihre Fahrer nach der Tour de France den heimischen Fans präsentieren", erinnert sich Andreas Kappes, der diesmal feststellen musste, dass einige Profis durchaus nach Neuss kommen wollten, aber keine Freigabe ihrer Teams erhielten.

Um so stolzer ist der Sportliche Leiter, dass es ihm allen Widrigkeiten zum Trotz gelungen ist, vier der ohnehin nur zehn deutschen Teilnehmer aus der Frankreich-Rundfahrt zur "Tour nach der Tour" zu locken. Auch wenn zwei "Wunschkandidaten" nicht dabei sind: Vorjahressieger André Greipel "hat abgesagt, weil er in diesem Jahr gar keine Kriterienmehr fahren will," sagt Kappes. Und Jens Voigt, den der NRV auf seiner "Abschiedstournee" gerne noch einmal präsentiert hätte, muss, man höre und staune, auf Geheiß seines Teams Trek FactoryRacing bei der Colorado-Rundfahrt in den USA an den Start gehen.

 Paul Voss, derzeit zweitbester Deutscher im Gesamtklassement.

Paul Voss, derzeit zweitbester Deutscher im Gesamtklassement.

Foto: Roth/Augenklick

Kappes macht aus der Not eine Tugend: "Ohne großen Favoriten wird das Rennen extrem spannend", sagt er voraus. Um so mehr, als er neben den vier Tour de France-Startern Marcel Sieberg (Bocholt, Team Lotto-Belisol), Roger Kluge (Eisenhüttenstadt, IAM Cycling), Andreas Schillinger (Kümmersbruch) und Paul Voss (Rostock, beide Team NetApp Endura), derzeit zweitbester Deutscher in der Gesamtwertung, einige extrem ehrgeizige Nachwuchsfahrer wie Lokalmatador Nils Schomber oder den Deutschen U23-Meister Phil Bauhaus (Team Stölting) und einige extrem erfahrene Haudegen verpflichtet hat, die voraussichtlich für viel Bewegung im knapp 60-köpfigen Fahrerfeld sorgen werden. Allen voran Danilo Hondo, der am 4. Oktober in Ditzingen sein letztes Rennen bestreiten will - unvergessen, wie sich der mittlerweile 40-Jährige 2012 nur drei Tage nach seinem schweren Sturz auf den Champs Elyséés den Friedhelm-Hamacher-Gedächtnispreis für den kämpferischsten Fahrer verdiente. Und nicht zu vergessen zwei weitere Lokalmatadore: der unverwüstliche Lars Teutenberg (43) aus Mettmann und der Uedesheimer Joachim Tolles (28), der im vergangenen Jahr als Dritter aufs Podium fuhr.

Der Preis für den kämpferischsten Fahrer als Erinnerung an den allzu früh Verstorbenen Tour de Neuss-Begründer wird auch am Mittwoch vergeben. Stephan Hilgers, sein Nachfolger als NRV-Vorsitzender, nahm gestern Anleihe beim schier unerschöpflichen Zitaten- und Anekdotenschatz seines Vorgängers: "Unser Motto lautet auch weiterhin 'nit inschlope - donn'." Im 13. Jahr der Tour de Neuss dürfte es aktueller denn je sein.

(NGZ)
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