Lesezeichen mit der Aufschrift "Ordnung ist die schönste Zier" Von der Hasenschule bis zum Friedhofskreuz

Lesezeichen mit der Aufschrift "Ordnung ist die schönste Zier" · Von Ruth Wiedner

Von Ruth Wiedner

Was für den Marathonläufer die Laufschuhe sind, ist für Hans-August Oberdörster die Feder. Kaum ein Tag vergeht, an dem sich der 64-jährige Glehner nicht mit Hingabe - das allgemein immer seltener genutzte Schreibgerät fest in der Hand - seinem Hobby widmet. Die Schönschrift - wie er es formuliert - hat sich der selbständige Maler- und Lackierer-Meister bereits im Teenager-Alter selbst beigebracht. Sein Erstlingswerk war ein Lesezeichen mit der Aufschrift "Ordnung ist die schönste Zier". Die Feder ist sein Freizeit-Begleiter: Hans-August Oberdörster besticht mit Schönschrift, ob auf Friedhofskreuzen, Schützenschildern oder der Hasenschule als Schaufensterdekoration. NGZ-Foto: L. Berns

Damit machte er bei den Mädels mächtig Eindruck: "Das kam gut an, die waren wirklich begeistert", erinnert er sich und bringt damit so manche Tanzeinladung in Verbindung. Das Erstlingswerk brachte Hans-August Oberdörster aber auch auf den Geschmack - legte den Grundstein für ein lebensbegleitendes Hobby. Er hatte Spaß an dem schönen Schriftbild und vertiefte seine Kenntnisse bis hin zur Perfektion.

Mit konzentriertem Blick und sicherer Schriftführung fliegt auch heute noch seine Feder über so manchen Bogen Papier. Schablonen und Hilfslinien sind dem Schönschreiber dabei fremd. "Ich kann's halt", meint er bescheiden zu seiner Begabung. Und genau von dieser Begabung profitieren in Glehn viele Vereine. Immer wieder wird seine Fähigkeit von Vereinskollegen abgerufen. Beim Glehner Buretheater ist er, aber auch seine Frau Gerda, fest eingeplant. Während sie sich als Laienschauspielerin bei bisher jeder Aufführung ins Szene setzen konnte, nahm Hans-August Oberdörster schnell Abschied von der Schauspielkunst. Er zeichnet seither für die stets ausgefallenen Kulissen verantwortlich, die jeder Aufführung den gewissen Rahmen verleihen.

Aber auch die Plakate und die Einladungen stammen aus seiner Feder. Aber auch die Mitgliedszüge des Glehner Schützenvereins wissen die Fähigkeiten des heute 64-Jährigen zu schätzen. Der Beiname "Schildbürger" wurde ihm recht bald verliehen. Ob für die Königsresidenz, den Schützenbaum, das Festzelt - für jeden Schützenzug malt er das entsprechende Schild - auf Holz, Papier oder auf Metall. "Nein sagen", kann der Meister nicht. Wer bei ihm an der Kirchstraße 6 anklopft, wird nicht abgewiesen. Dass er sich manches Mal bei den Vereinswünschen etwas mehr Vorlaufzeit wünscht, erwähnt Oberdörster dabei nur am Rande. "Bislang hat's ja immer noch geklappt."

Aber die eine oder andere Nachtschicht musste der engagierte Vereinsmensch dafür schon einlegen. Die Deutschen Skatmeisterschaften 1992 führt er als Beispiel an. Doch da der Glehner selbst ein begeisterter Skatspieler ist - eine umfassende Pokalsammlung dokumentiert seine Erfolge - fertigte er dann mal so nebenbei 700 Urkunden an. Hans-August Oberdörster setzt auf Handarbeit. Eine Schreibmaschine besitzt er nicht und "ein Computer kommt mir schon gar nicht ins Haus". Das gilt auch für seinen Handwerksbetrieb, den er seit nunmehr 40 Jahren betreibt. Alle Kostenvoranschläge und auch die Rechnungen gleichen kleinen Kunstwerken. Ob die Kunden - wird ihnen die fällige Summe für erbrachte Renovierungsarbeiten als kleines Gemälde präsentiert - zahlungsfreudiger sind, ließ er allerdings unbeantwortet.

Aber auch für die örtlichen Bestattungsunternehmer ist Hans-August Oberdörster eine feste Bank. Die Holzkreuze für Beerdigungen werden von ihm gewissenhaft mit der gewünschten Aufschrift versehen. Das macht er im Handumdrehen: "Zwischen dem Rasieren und einer Tasse Kaffee" - für ihn ein Zeichen wie dicht doch "Freud und Leid" bei einander liegen. Überhaupt haben es ihm Kreuze angetan: Seine stattliche Sammlung umfasst mittlerweile schon über 200 Exemplare - aus den unterschiedlichsten Jahrgängen und den verschiedenen Materialien. Zurzeit unterstützt er als Mitgründer der Heimatfreunde die begonnene Restaurierung des Wegekreuzes auf dem Friedhof. In diesem Fall ist er nicht nur für die Inschrift zuständig, er hat auch die Jesusfigur vorbildlich hergerichtet.

(NGZ)
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