Lokalsport Wenn der Vater mit der Tochter

Dormagen · 24 Jahre nach dem Sieg ihres Vaters gewinnt Sofia Podzniakowa das Junioren-Weltcupturnier der Säbelfechter um dem "Preis der Chemiestadt" - ein Turnier, "das ich nie vergessen werde", sagt der vierfache Olympiasieger aus Novosibirsk.

 Soeben hat Leonardo Dreossi (r.) im Finale der Linkshänder den entscheidenden Treffer gegen Kostiantyn Voronov gesetzt.

Soeben hat Leonardo Dreossi (r.) im Finale der Linkshänder den entscheidenden Treffer gegen Kostiantyn Voronov gesetzt.

Foto: H. J. Zaunbrecher

Es sind die Emotionen und die Geschichten dahinter, die Sport so einzigartig machen. So wie die von Sofia Podzniakowa. Als Nummer 26 der Juniorinnen-Weltrangliste angereist, gewinnt die Russin durch ein 15:12 über die ein Jahr jüngere Italienerin Lucia Lucarini den 41. "Preis der Chemiestadt".

 Die einzigartige Fechtkarriere von Stanislaw Podzniakow begann 1991 mit dem Sieg beim "Preis der Chemiestadt". Am Samstag tat es ihm Tochter Sofia gleich.

Die einzigartige Fechtkarriere von Stanislaw Podzniakow begann 1991 mit dem Sieg beim "Preis der Chemiestadt". Am Samstag tat es ihm Tochter Sofia gleich.

Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Das Junioren-Weltcupturnier des TSV Bayer Dormagen, mittlerweile das größte seiner Art weltweit, ist das erste bedeutende Turnier, bei dem die 18-Jährige aus dem sibirischen Novosibirsk ganz oben auf dem Podium steht. An sich schon ein kleines Fecht-Märchen, das bei der Siegerehrung noch eine ganz andere Qualität erhält.

Lokalsport: Wenn der Vater mit der Tochter
Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Da eilt nämlich ihr Vater von der Tribüne und schließt seine vor Freude und Rührung schluchzende Tochter in die Arme. 24 Jahre zuvor hat Stanislaw Alexejewitsch Podzniakow an der gleichen Stelle auf dem gleichen Podest gestanden. Ob er sich daran noch erinnern kann? Stanislaw Podzniakow schaut den Fragesteller an, als hätte der von ihm wissen wollen, ob es in Novosibirsk im Winter kalt sei. "Natürlich", versichert der 42-Jährige im besten Englisch, "dieses Turnier werde ich nie in meinem Leben vergessen. Es war das erste große Turnier, das ich gewonnen habe." Und schiebt nach kurzer Pause nach: "Hier hat meine Karriere begonnen . . ."

Und was für eine Karriere, die da Anfang Dezember 1991 mit Sieg beim 17. "Preis der Chemiestadt" startete. Stanislaw Alexejewitsch Podzniakow hat vier Mal Olympiagold gewonnen, das erste bereits ein Jahr nach seinem Sieg in Dormagen bei den Spielen in Barcelona mit der Mannschaft. 1996 setzte er sich in Atlanta im Einzel die Krone auf, holte ebenso wie vier Jahre später in Sydney erneut Mannschaftsgold, fügte dem 2004 in Athen noch Bronze hinzu. Zehn Weltmeistertitel, fünf davon im Einzel, gewann er zwischen 1994 und 2007, fünf Vize-Weltmeisterschaften, zwei Mal WM-Bronze und elf Europameistertitel komplettieren seine Bilanz.

Kurz: Stanislaw Alexejewitsch Podzniakow ist der erfolgreichste Säbelfechter aller Zeiten - und wird das wohl auch bleiben. Jetzt steht er hier im Bayer-Sportcenter am Rande der Planche und drückt seine Tochter an sich, nachdem er sich beinahe schüchtern einen Platz erobert hat, um den historischen Augenblick der Siegerehrung im Foto festzuhalten. "Und wissen Sie, was das schönste ist", lässt der Vize-Präsident des russischen Fechtverbandes den Fragesteller wissen, "heute war das erste große Turnier, das meine Tochter gewonnen hat." Dann klopft er Max Hartung, Matyas Szabo und Benedikt Wagner, den Dormagener Welt- und Europameistern, die gekonnt und launig die Finalkämpfe moderiert haben, anerkennend auf die Schultern . . .

Es sind diese Emotionen und die Geschichten dahinter, die Sport so einzigartig machen. Darüber verblasste sogar, dass am Samstag erst zum vierten Mal seit 2001, als der Dormagener Franz Boghicev Platz drei belegt hatte, die Halbfinals und Finalkämpfe ohne deutsche Beteiligung über die Bühne gingen. Der Stimmung unter den 800 Zuschauern tat das kaum Abbruch. "Weil die Finals unglaublich spannend und auf sehr hohem Niveau waren", befand Max Hartung, der selbst 2007 als Zweiter auf dem Treppchen gestanden hatte.

In der Tat: Sofia Podzniakova führt im Finale schon 8:3, lässt Lucia Lucarini dann auf 7:8 herankommen. Nach 9:12-Rückstand gleicht die temperamentvolle Italienerin wieder auf 12:12 aus - und gestattet der Russin dann drei Treffer in Folge zum Turniersieg. Der eine Runde zuvor das Kunststück gelungen war, gegen Lucarinis Landsfrau Rebecca Gargano einen 4:8-Rückstand in einen 15:14-Sieg umzudrehen und damit das Fecht-Märchen erst möglich zu machen.

Während die Italienerinnen mitPlatz zwei und drei vorlieb nehmen müssen, triumphiert ihr Landsmann Leonardo Dreossi (18) im Finale mit 15:12 gegen den ein Jahr älteren Israeli Kostiantyn Voronov, der für sein Geburtsland Ukraine bereits Junioren-Vizeweltmeister war. Er hatte zuvor den vierten Italiener im Final-Bunde, den Weltranglistenzweiten Dario Cavaliere mit 15:11 ausgeschaltet, Dreossi sich in einem wahren Halbfinal-Krimi mit 15:14 gegen den Weißrussen Artsiom Novikau (19) durchgesetzt.

"Es drängen immer wieder neue Nationen nach vorn", stellt TSV-Cheftrainer Olaf Kawald auch mit Blick auf die Mexikanerin Tania Arrayales fest, die nur um drei Treffer das Finale verpasste, "wir müssen aufpassen, dass wir da nicht den Anschluss verlieren." Denn schließlich lebt der Sport neben den Emotionen und Geschichten nicht unwesentlich auch vom Erfolg.

(NGZ)
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