Wiedersehen Mit 72 einen Halbbruder bekommen

Neuss · Heinz Langlitz hat einen Halbbruder. Das haben andere sicherlich auch, doch der Nordstädter lernte seinen erst mit 72 Jahren kennen. Es ist die Geschichte eines Familienschicksals in Zeiten mit Krieg und Teilung Deutschlands - aber mit einem Hapy End: Nach einer ersten Kontaktaufnahme per E-Mail im Januar trafen sich die beiden Halbbrüder jetzt zum ersten Mal. In Neuss. "Es war ein komisches Gefühl, aber wir haben uns sofort verstanden", gab Langlitz zu.

 Heinz Langlitz (l.) traf zum ersten Mal seinen Halbbruder aus Chemnitz.

Heinz Langlitz (l.) traf zum ersten Mal seinen Halbbruder aus Chemnitz.

Foto: Langlitz

Als Heinz Langlitz am 18. Juli 1965 das 21. Lebensjahr vollendete und damit volljährig wurde, eröffnete ihm die Frau, die er immer für seine Mutter gehalten hatte, dass sie seine Stiefmutter ist. "Über meine leibliche Mutter in der damaligen DDR wurde nie gesprochen", sagt er: "Großes Geheimnis." Und weil er nicht wusste, dass hinter dem "Eisernen Vorhang" Verwandtschaft von ihm lebte, hatte der Handwerker auch nie den Drang, dorthin zu reisen. Obwohl sein Geburtsort Lommatzsch im Kreis Meißen ist und damit in der "Zone" lag. Aber Details hätte auch nur sein Vater gewusst, und der war schon 1954 verstorben.

Hinter der Mauer war man ebenso schweigsam. "Unsere Mutter hat 1944 ein außereheliches Kind geboren und später an den Kindsvater abgegeben": Damit durchbrach sein Halbbruder Gunter Schröder aus Chemnitz dieses Schweigen mit einer E-Mail, mit der er im Januar den Kontakt mit dem Neusser anzubahnen versuchte. "Dieses Thema war in unserer Familie immer tabu", fügt er noch hinzu. So glaubte der 1941 geborene Gunter Schröder immer, das jüngste von vier Geschwistern zu sein und war überzeugt: Das Baby, das seine 1992 verstorbene Mutter auf einer erhaltenen Fotografie hält, wäre er. "Ich bin mir aber jetzt nicht mehr sicher", schreibt Schröder. Denn als - nach dem Tod der Brüder Horst (1923-1996) und Kurt (1925-1926) - Anfang Januar mit Schwester Gertraude auch das letzte leibliche Geschwisterkind starb, hatte Gunter Schröder einen Haushalt aufzulösen. Dabei stieß er zwar nicht auf den Geburtseintrag eines jüngeren Bruder im Familienstammbuch, wohl aber auf einen Brief einer Frau Langlitz aus Neuss. Sie antwortet darin auf ein Schreiben, das Gertraude eigentlich an ihren 20-jährigen Halbbruder Heinz in Neuss gerichtet hatte (und von dem dieser nie erfuhr). Die klare Ansage aus Neuss: keinerlei Kontaktversuche mehr. So blieb es.

Heinz wurde im August 1944 in der Neusser Josefskirche getauft, wuchs auf der Furth auf und lebt noch dort. Doch jetzt, wo er seine ganze Geschichte kennt, will er auch Lommatzsch besuchen. Ende Mai ist er dort. Christoph Kleinau

(NGZ)
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