Beier-Gemeinschaft St. Paulus Weckhoven Süßer die Glocken nie klingen...

Neuss · Der Aufstieg zum Glockenturm der Pfarrkirche St. Nektarios in Weckhoven kann getrost als abenteuerlich bezeichnet werden. Steil geht es eine Wendeltreppe nach oben. Unterwegs trifft man auf schwarze Spinnweben, die Jahrzehnte einer Kirchengeschichte erzählen. 1900 als St. Josef gebaut, wurde die katholische Kirche am Lindenplatz vor knapp 20 Jahren der griechisch-orthodoxen Gemeinde überlassen und in St. Nektarios umgetauft. Die Katholiken sind in die Pfarrerei St. Paulus umgezogen. In St. Nektarios sind sie bis heute willkommene Gäste.

 Bernhard Kühling ist einer der sechs Glockenschläger der Beier-Gemeinschaft St. Paulus, die an Heiligabend in St. Nektarios beiert.

Bernhard Kühling ist einer der sechs Glockenschläger der Beier-Gemeinschaft St. Paulus, die an Heiligabend in St. Nektarios beiert.

Foto: Salz

Der Aufstieg zum Glockenturm der Pfarrkirche St. Nektarios in Weckhoven kann getrost als abenteuerlich bezeichnet werden. Steil geht es eine Wendeltreppe nach oben. Unterwegs trifft man auf schwarze Spinnweben, die Jahrzehnte einer Kirchengeschichte erzählen. 1900 als St. Josef gebaut, wurde die katholische Kirche am Lindenplatz vor knapp 20 Jahren der griechisch-orthodoxen Gemeinde überlassen und in St. Nektarios umgetauft. Die Katholiken sind in die Pfarrerei St. Paulus umgezogen. In St. Nektarios sind sie bis heute willkommene Gäste.

Auch im Glockenturm. Oben angekommen zieht ein kalter Wind. "Hier müssen wir uns zu Heiligabend warm anziehen", sagt Bernhard Kühling, der seit 2004 einer der sechs Glockenschläger ist. Man glaubt es ihm aufs Wort. Drei schwere Eisenglocken sind in einem Gestell an Holzbarren befestigt. In ihrem Winkel machen es sich die Männer "bequem". Traditionell wird am Patronatsfest, Fronleichnam und am Weißen Sonntag gebeiert - ein jahrhundertealter, besonders im Nordwesten Europas weit verbreiteter Brauch. Dabei entsteht das Glockengeläut nicht durch Schwingungen, die durch einen elektrischen Motor erzeugt werden, sondern durch manuellen Anschlag.

"Seit 1999 beiern wir auch beim Schützenfest und am Heiligen Abend", erklärt Helmut Plath. Der Servicetechniker für Leitstellen der Firma Siemens wohnt direkt neben St. Nektarios. Die Beier-Gemeinschaft hat er gegründet, als der Schützenverein damals auf ihn zugekommen ist. Jahr für Jahr veranstaltet der am Lindenplatz an Heiligabend um 17 Uhr eine Feierstunde, direkt an der großen Krippe. Das Beiern soll dazu einladen, "als ein Aufruf zu etwas Besonderem", sagt Plath. Ein wenig Ahnung von der Technik brachten er und sein Bruder Stefan Plath bereits mit, denn sie beierten seit vielen Jahren im Münster von St. Quirin. "Im Quirinus-Münster braucht man für jede der sieben Glocken ganze vier Mann - ein Klöppel wiegt 450 Kilogramm", erklärt Plath. In St. Nektarios reicht pro Glocke eine Person. "Bei drei Glocken ist das Melodiespektrum natürlich begrenzt", sagt er: "Die Melodie, die wir läuten, hat uns der Großvater der Familie Tillmanns genannt, der das Beiern schon in der Vorkriegszeit praktizierte." Wichtig seien vor allem Ohrenschützer, denn der Glockenschlag ist sehr laut. Eine Beier-Melodie dauert sieben bis acht Minuten. Und wird jede Viertelstunde wiederholt - insgesamt verbringen die Männer Heiligabend eine ganze Stunde auf dem Turm. Ein fester Bestandteil der Weihnachtstradition. "Und ein skurriles Hobby", sagt Plath: "Man sitzt irgendwo, wo einen niemand sieht, aber die ganze Stadt hört, was man tut." -lhen

(NGZ)
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