Rhein-Kreis Neuss Strukturwandel: Was Arbeitnehmer erwartet

Rhein-Kreis Neuss · Globalisierung, Energiewende, demografischer Wandel – die Grünen diskutieren den Strukturwandel. Der Schwerpunkt eines Expertengesprächs in Neuss: die Zukunft von Arbeit und Ausbildung.

 Nihat Öztürk, Manfred Haag, Hans Christian Markert, Angela Schoofs, Michael Dworak, Erhard Demmer und Dieter Porschen (v.l.) diskutierten über die Zukunft von Arbeit und Ausbildung im Rhein-Kreis.

Nihat Öztürk, Manfred Haag, Hans Christian Markert, Angela Schoofs, Michael Dworak, Erhard Demmer und Dieter Porschen (v.l.) diskutierten über die Zukunft von Arbeit und Ausbildung im Rhein-Kreis.

Foto: A. Woitschützke, dpa (2).

Globalisierung, Energiewende, demografischer Wandel — die Grünen diskutieren den Strukturwandel. Der Schwerpunkt eines Expertengesprächs in Neuss: die Zukunft von Arbeit und Ausbildung.

Soll der Rhein-Kreis auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich und ein Standort mit hoher Lebensqualität sein, kommt er um einen Strukturwandel nicht herum. Und das geht nicht ohne tiefgreifende Veränderungen auf Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, darin war sich eine Expertenrunde beim zweiten Termin einer Hearing-Reihe des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen am Dienstagabend in Neuss einig. Über den Weg dorthin wird jedoch gestritten.

Angela Schoofs, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Mönchengladbach, setzt auf Flexibilität, Mobilität und lebenslanges Lernen. Außerdem fordert sie mehr Sinn für Realitäten: "Nicht jeder Mensch ist formal gleich bildbar." Jeder verfüge über Begabungen, die sich jedoch nicht alle mit den üblichen Bildungsstandards messen ließen. Dennoch müsse die Gesellschaft lernen, auch solche, auf den ersten Blick weniger qualifizierte Menschen und ihre Arbeit wertzuschätzen.

"Wir brauchen sie alle", sagt Schoofs und verweist als Beispiel auf 140 Arbeitnehmer aus dem Rhein-Kreis, die im neuen Gewerbegebiet von Jüchen und Mönchengladbach beim Internetversandhaus Zalando einen neuen Job gefunden haben: "Die werden nie Ingenieur, aber sie sind stolz auf ihre Arbeit." Während Nihat Öztürk, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf-Neuss, dafür plädiert möglichst breit und hoch zu qualifizieren, warnt IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Porschen bei aller Begeisterung für die steigende Zahl von Hochschulabschlüssen auch vor übertriebener Bildungseuphorie.

Bis 2030 verliere die Wirtschaft drei Millionen Menschen aus dem dualen, betrieblichen Ausbildungssystem. Dafür kämen 1,5 Millionen Akademiker hinzu. Eine aus Sicht des IHK-Hauptgeschäftsführers Entwicklung mit Risiken: Vor allem in der Industrie drohe ein Mangel an — bezahlbaren — Fachkräften.

Das Handwerk hingegen sieht ganz andere Probleme: Michael Dworak, stellvertretender Obermeister der Malerinnung in Neuss, kritisiert das Schulsystem: "Dort wird das Augenmerk nur auf die Defizite der Schüler gelegt." Die Folge seien demotivierte Schulabgänger mit entsprechenden Problemen beim Start ins Arbeitsleben. Wer das ändern wolle, müsse bereits im Vorschulbereich ansetzen, Stärken fördern und erbrachte, individuelle Leistung belohnen.

Gleichzeitig drängt Dworak aber auch auf mehr Flexibilität im Arbeitsrecht: Zumindest in Branchen, die saisonalen Schwankungen unterworfen seien, sollten Betriebe Mitarbeiter einfacher kündigen dürfen. "Nur dann können die Unternehmen wirtschaftlich überleben und bei Bedarf auch schnell und in größerem Umfang wieder einstellen."

Die größten Zukunftschancen im Rhein-Kreis sehen die von Hans Christian Markert, Landtagsabgeordneter der Grünen, befragten Experten in der Logistik, in Gesundheits- und Pflegeberufen, haushaltsnahen Dienstleistungen, aber auch im Handel und Großhandel.

Besonders Öztürk und Porschen betonten zudem die Rolle der Industrie als Rückgrat der Wirtschaft in der Region — und ernten durchaus Zustimmung. "Wir bereiten für den Landesparteitag am 15. Juni einen Antrag zur ,Industriepolitik der Zukunft' vor", erklärt Markert. Das sei durchaus als grünes Bekenntnis zur Industrie zu verstehen, gestützt auf eine Strategie, die zum Beispiel auf die Förderung von höherer Effizienz beim Energie- und Ressourcenverbrauch setze. Das helfe Unternehmen, Kosten zu senken und wettbewerbsfähiger zu sein. Davon könne zum Beispiel die — auch aus Sicht der Grünen — für den Kreis wichtige Aluminiumindustrie profitieren.

(NGZ)
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