600 Einsätze nach Sturm "Friederike" im Rhein-Kreis Ikea in Kaarst evakuiert - Hauswand stürzt in Grevenbroich ein

Rhein-Kreis Neuss · Seit dem Vormittag zieht Sturmtief Friederike über NRW und den Rhein-Kreis Neuss hinweg. Gegen 11 Uhr wurde die Feuerwehr zu ersten Einsätzen alarmiert. In Rommerskirchen fuhr ein Zug auf einen umgekippten Baum auf. In Kaarst wurde der neue Ikea evakuiert. Die Feuerwehr löste Großalarm aus.

Sturm in NRW: Orkan "Friederike" zieht über den Rhein-Kreis Neuss hinweg
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"Friederike" zieht über den Rhein-Kreis Neuss hinweg

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Foto: Woitschützke, Andreas

Zwischen 10 und 14 Uhr ging in der Leitstelle des Rhein-Kreises rund 600 Notrufe ein. Umgestürzte Bäume, abgebrochene Äste, losgelöste Bauteile, abgedeckte Dächer oder umgekippte Fahrzeuge beschäftigten die Feuerwehren in allen acht Städten des Kreises. Schwerverletzte auf Grund des Sturms gab es nach aktuellem Stand nicht.

Die meiste Aufmerksamkeit dürfte wohl die Evakuierung des neuen Ikeas in Kaarst ausgelöst haben. Gegen 11 Uhr wurde das 25.000 Quadratmeter-Gelände geschlossen, nachdem der Sturm schwere Schäden an der Fassade des erst im Oktober eröffneten Neubaus verursacht hatte. Die Zufahrtsstraße zum Einrichtungshaus, die Hans-Dietrich-Genscher-Straße, wurde komplett gesperrt.

Sturm Friederike: Bilder der Orkan-Schäden aus NRW vom Januar 2018
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Diese Schäden richtete "Friederike" in der Region an

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Foto: Uwe Heldens

Um 11.30 Uhr alarmierte die Firma Hofmann-Verpackungen in Kaarst die Feuerwehr, weil sich mehrere Schilder an der Außenfassade gelöst hatten und auf die Straße gefallen waren. "Die Feuerwehr war zum Glück schnell da. Jetzt müssen wir mal das Gespräch mit der Schilder-Firma suchen, warum so etwas passieren kann", sagte Geschäftsführer Guido Coenen. Verletzt wurde niemand.

Im Nahverkehr mussten zahlreiche Fahrgäste des RE 8 auf offener Strecke ausharren. Ihr Zug war um 9 zwischen Grevenbroich und Rommerskirchen mit einem umgestürzten Baum kollidiert. Der Zug wurde am Mittag bis nach Mülheim abgeschleppt. Am Rommerskirchener Bahnhof strandeten zwei Züge, nach die Deutsche Bahn ihren Betrieb in NRW am Vormittag schließlich für den Rest des Tages komplett eingestellt. Ein Schienenersatzverkehr in Neuss in Richtung Grevenbroich und Düsseldorf lief erst gegen 13.30 Uhr an.

Auf den Straßen im Kreisgebiet herrscht zeitweise Chaos. Gegen 12 Uhr blockierte ein umgestürzter Lkw das Kaarster Kreuz auf der A57, nur eine Fahrspur war befahrbar. Es staute sich auf bis zu zehn Kilometern.

In Rommerskirchen wurde der Polizei gegen 11.45 Uhr ein umgekippter Lkw gemeldet. Ein Lkw samt Anhänger war auf der B 59 unterwegs und bog auf die B 477 ab. In der Kurve wurde der 40-Tonner von einer Windböe erfasst und kippte um. Rettungskräfte halfen dem unverletzten Fahrer aus seiner Kabine. Die B 477 musste für die Dauer der Bergung gesperrt werden.

Die Grevenbroicher Feuerwehr war pausenlos im Sturmeinsatz. An der Goethestraße im Stadtteil Elsen war gegen Mittag ein Teil einer Hausklinkerwand heruntergefallen und auf ein Auto gestürzt. Die Einsatzkräfte sicherten die Gefahrenstelle ab, der Verkehr wurde umgeleitet.

An der Dechant-Kann-Straße in Wevelinghoven stürzte eine etwa 14 Meter hohe Tanne auf ein Einfamilienhaus. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Die Tanne musste mit Hilfe eines Autokrans geborgen werden. Auch in diesem Fall wurde glücklicherweise niemand verletzt.

Am Vormittag gingen auch in Neuss die ersten Notrufe bei der Feuerwehr ein. Um kurz vor 14 Uhr verzeichneten die Kräfte bereits um die 50 Einsätze im Stadtgebiet. Lose Dachziegel und umgestürzte Bäume beschäftigten die Feuerwehr unter anderem. Mehrere Straßen wurden durch Bäume blockiert. Wie auch in Jüchen und Kaarst wurde in Neuss Großalarm ausgelöst, alle Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

Die Stadt sperrte am Donnerstag schließlich alle Friedhöfe im Stadtgebiet bis Montag. "Ein Betreten ist strengstens verboten. Nach Prüfung der entstandenen Schäden und Einschätzung der Gefahrensituation wird am Montag entschieden, ob die Friedhöfe wieder geöffnet werden", teilte die Stadt mit.

Auch die städtischen Sportanlagen wurden am Donnerstag zunächst geschlossen, hier durften die Vereine jedoch ab 17 Uhr auf eigene Verantwortung die Benutzung wieder aufnehmen. Auch auf den Friedhöfen fanden Beerdigungen jedoch grundsätzlich statt. "Es kann sein, dass sich bei einer aktuellen Gefahrenlage Beerdigungen verschieben oder ausfallen", sagte Stadtsprecher Tobias Spange. Die Stadt warnt zudem davor, Parkanlagen und Wälder zu betreten.

In Dormagen sorgte Sturm "Friederike" dafür, dass die städtischen Spielplätze, Bolzplätze und Außensportanlagen geschlossen blieben, um Gefahren durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste zu vermeiden. Wegen der Warnung vor Orkanböen blieb auch der Tierpark Tannenbusch - ähnlich wie die Zoos in anderen Städten - vorsorglich geschlossen.

Anders als der Bahnverkehr der DB oder die Straßenbahnen der Rheinbahn, lief der Busverkehr im Rhein-Kreis bis zum Mittag weitestgehend normal. Alle Buslinien der Neusser Stadtwerke waren regulär im Einsatz, teilte Sprecher Jürgen Scheer auf Nachfrage mit. Lediglich die Schulbusfahrten seien gecancelt worden — wegen des ausgefallenen Schulunterrichtes.

Die Kommunikation des Schulausfalls habe in Neuss gut funktioniert, die Eltern seien informiert worden. "Kein einziger Schüler ist gekommen", sagt Manfred Neumann, Schulleiter am Neusser Nelly-Sachs-Gymnasium. Ein Grundstock von Lehrern sei jedoch vorhanden, um eine Betreuung zu gewährleisten.

In Rommerskirchen informierte die Gemeinde am frühen Morgen, dass der Unterricht in allen Schulen ausfällt. Die Gebäude sind allerdings grundsätzlich geöffnet für die Kinder, die ggf. Gefahrlos die Schulen erreichen können oder nicht rechtzeitig informiert werden konnten.

Die Stadt Grevenbroich hat hingegen keinen generellen Unterrichtsausfall wegen des Sturmes beschlossen. Bei extremen Witterungsverhältnissen sollten die Eltern selbst entscheiden, ob der Weg zur Schule zumutbar ist. Dementsprechend unterschiedlich sind die Schulen besetzt, sagt Schulamtsleiter Thomas Staff.

In der Grundschule St. Martin im Stadtzentrum sind beispielsweise zurzeit etwa 30 Kinder, in der Wilhelm-von-Humboldt-Gesamtschule sind zwei von sechs Klassen besetzt. "Um alle Kinder und Jugendlichen wird sich gekümmert", sagt Stadt. Niemand werde bei Sturm nach Hause geschickt. "Sollte der normale Heimweg am Nachmittag wegen der Witterungsverhältnisse nicht zu verantworten sein, werden die Schulen mit den Eltern absprechen, wann sie ihre Kinder abholen können", betont Staff.

In Jüchen verzichtete die Gemeinde ebenfalls auf die Schließung aller Schulen. Die Kinder dürfen jedoch in den Pausen die Gebäude nicht verlassen. Die Feuerwehr musste bis insgesamt zu rund 20 Einsätzen ausrücken, 70 Einsatzkräfte waren im Einsatz.

(cbo)
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