Rhein-Kreis Neuss Wiederaufbau von St. Quirin

Rhein-Kreis Neuss · Ostern 1945 lag das Münster in Trümmern. In einem Kraftakt wurde die Kirche bis 1950 wieder aufgebaut.

 Das Bild zeigt den zerstörten Innenraum des Münsters nach dem Angriff vom 5. Januar 1944. Im Hintergrund ist das Pfarrhaus zu sehen.

Das Bild zeigt den zerstörten Innenraum des Münsters nach dem Angriff vom 5. Januar 1944. Im Hintergrund ist das Pfarrhaus zu sehen.

Foto: Stadtarchiv

Für Ferdi Moog, Küster an St. Quirin, begann der Tag wie viele andere. Erst spät war es am 5. Januar 1944 hell geworden. Aber dann stand eine strahlende Wintersonne über der Stadt. Im Münster, dem Wahrzeichen von Neuss, wurde eine Messe gelesen. Später dann sollte Moog mit Helferinnen die Weihnachtskrippe für das Dreikönigsfest umstellen. Doch dazu kam es nicht mehr. Am Mittag heulten Sirenen auf. Der Wachtposten, der auf dem Westturm des Münsters stationiert war, meldete Bomber im Anflug, die kurz darauf Neuss attackierten.

Es war der fünfte Großangriff des Krieges. Viele Häuser wurden in Schutt und Asche gelegt. Und auch St. Quirin war schwer getroffen. Eine Bombe hatte den östlichen Teil der Krypta sowie die Weihnachtskrippe zerstört. Insgesamt kamen an diesem 5. Januar 1944 68 Menschen ums Leben. Darunter auch zwei Helferinnen von Küster Moog sowie dessen siebenjähriger Sohn. Alle drei wurden in der Nähe der Krippe von Trümmern erschlagen.

Noch 1944 kündigte der damalige Oberpfarrer Hugo Liedmann an: "Wir bauen wieder auf." Gleichwohl konnte davon zunächst keine Rede sein. Denn als der Krieg endete, lag der Ostteil des einsturzgefährdeten Münsters weiter in Trümmern. Das erste Osterfest in Freiheit, das 1945 auf den 1. April fiel, konnten die Neusser nicht in St. Quirin feiern. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde eine Turnhalle für Gottesdienste genutzt. Erst 1946 war die Kirche so gesichert, dass in ihr wieder eine Messe gelesen werden konnte.

Dabei hatte sich Liedmann bereits direkt nach dem Krieg für den Wiederaufbau eingesetzt. Zwar waren große Teile der Stadt zerstört. Und die Wohnungsnot blieb noch lange bedrückend. So wurden in Neuss 800 000 Kubikmeter Schutt beseitigt, 300 Häuser mussten nach Kriegsende abgerissen werden, da sie einsturzgefährdet waren. Trotzdem hatte der Oberpfarrer bei seinen Plänen für St. Quirin Unterstützung. "Die Neusser wollten, dass wichtige Bauten wieder aufgebaut wurden", sagt Stadtarchivar Jens Metzdorf.

Dem Münster kam eine besondere Bedeutung zu. Wohl waren auch andere Gotteshäuser in der Region zerstört. Doch gerade bei St. Quirin drängte die Zeit. Denn 1950 standen zwei große Jubiläen an. Es sollte der 900. Jahrestag der Überführung der Gebeine des heiligen Quirinus gefeiert werden. Und es jährte sich das Ende der Belagerung durch Karl den Kühnen zum 475. Mal.

Tatsächlich schafften es die Neusser. Am 7. Mai 1950 erstrahlte das Münster in neuem Glanz, nachdem die Schäden unter Federführung des Neusser Architekten Wilhelm Gilges beseitigt worden waren. Eine Prozession zog durch die Stadt. Dem gebürtigen Neusser Josef Kardinal Frings, ein Bruder von Oberbürgermeister Alfons Frings, wurde die Ehrenbürgerschaft verliehen. Und zusammen mit einer zeitgleich stattfindenden Ausstellung der Neusser Wirtschaft prägte sich die Wiedereröffnung des Münsters bei vielen Neussern als eine Art Wende hin zu einer besseren Zukunft ein. Die Rolle des Kardinals kann dabei kaum zu hoch eingeschätzt werden. Denn der Wiederaufbau bedeutete auch einen finanziellen Kraftakt. Zwar gab es öffentliche Darlehen. So setzte sich NRW-Innenminister Alfons Flecken, ebenfalls Neusser, immer wieder ein. Dennoch hatte die Pfarrgemeinde bis 1950 1,2 Millionen Mark an Schulden angehäuft. Und auch 1951 drückten noch 300 000 Mark Schulden, wobei nun das Erzbistum Ärger bereitete.

In einem Schreiben an Dechant Liedmann monierte die Bistumsverwaltung nicht ordnungsgemäß ausgeschriebene Aufträge — mit der Folge, dass die Mitglieder des Kirchenvorstandes im schlimmsten Fall persönlich für die Schulden gehaftet hätten. Im Stadtarchiv ist ein Brief Liedmanns an Kardinal Frings erhalten, in dem sich der Oberpfarrer über eine "verkrampfte Bürokratie" im Bistum beklagte. Die Antwort des Kardinals ist nicht überliefert. Aber es ist wahrscheinlich, dass Frings seinen Neussern half. Denn am Ende musste der Vorstand nicht für die Schulden geradestehen. Und St. Quirin ist bis heute Wahrzeichen sowie religiöser Mittelpunkt der Stadt.

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