Rhein-Kreis Neuss "Wir können noch effektiver zusammenarbeiten"

Neuss · Der scheidende Allgemeine Vertreter des Landrates und Wirtschaftsförderer war zum Talk auf dem Blauen Sofa der NGZ.

 NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten (re.) im Gespräch mit Jürgen Steinmetz auf dem Blauen Sofa im Vogthaus mit Unterstützung der Privatbrauerei Frankenheim.

NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten (re.) im Gespräch mit Jürgen Steinmetz auf dem Blauen Sofa im Vogthaus mit Unterstützung der Privatbrauerei Frankenheim.

Foto: Woi

Am Samstag ist Ihr letzter Arbeitstag als Allgemeiner Vertreter des Landrates. . .

Steinmetz . . .und ich habe einen Termin mit Landrat Hans-Jürgen Petrauschke. Er meint es gut mit mir.

Als Sie sich 1989 beim Kreis beworben haben, welche Karriere hatten Sie damals im Sinn?

Steinmetz Allein, dass ich mich beim Kreis als Stadtinspektor-Anwärter beworben habe, zeigt, wie unbedarft ich das angegangen bin. Ich wollte mit Menschen zusammen arbeiten. Es war zufällig, dass es der öffentliche Dienst geworden ist.

Sie geben mit dem Wechsel Ihren Beamtenstatus auf. Wie viel Chance, wie viel Risiko?

Steinmetz Hundert Prozent Chance, null Prozent Risiko. Und zwar aus mehreren Gründen: Sicherheit war nie mein großes Thema. Ich kenne die Region hier, einen Wechsel irgendwoanders in Deutschland hätte ich nicht vollzogen. Ich knüpfe an die Themen an, mit denen ich mich seit den 90er Jahren beschäftige. Und ich kenne die IHK. Das sind Chancen, die ich nutzen möchte.

Die Wirtschaftsförderung im Kreis wurde mit Ihnen neu geschaffen.

Steinmetz Dafür waren der damalige Landrat Dieter Patt und sein Vertreter Hans-Jürgen Petrauschke verantwortlich. Beiden habe ich viel zu verdanken. Sie haben mich gefördert und gefordert. Ich erinnere mich noch gerne an die ersten Jahre, als Fax-Mitteilungen nachts bei uns zu Hause ankamen und meterweise das Thermopapier im Flur lag.

Welche guten Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit beim Kreis?

Steinmetz Im Bereich der Wirtschaftsförderung ist die Entwicklung als mittelstandsfreundliche Verwaltung und die stetige Zertifizierung seit 2006 ein großer Erfolg sowie die zahlreichen Auszeichnungen und guten Platzierungen in Rankings. Im sozialen Bereich war es die Untersagung von zwei Seniorenzentren in Meerbusch wegen erheblichen Mängeln in der Betreuung der Heimbewohner im Jahr 2013. Das war eine schwierige Situation, der Druck war immens, aber wir haben durchgehalten mit einem guten Ergebnis: Wir haben einen neuen Träger gefunden. Zu nennen ist aber auch die Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes mit der Schulsozialarbeit. Im Sport haben wir die Partner für Sport und Bildung sowie viele Investitionen geschaffen. Es sind aber auch die Erinnerungen an die vielen tollen Menschen, die ich kennengelernt habe.

Was ist unvollendet geblieben?

Steinmetz Es ist schade, dass wir es nicht geschafft haben, die Olympischen Spiele an Rhein und Ruhr zu holen. Das hätte uns Schub gegeben. Und die Betreuung von Langzeitarbeitslosen in alleiniger kommunaler Trägerschaft hat nicht geklappt. Das hätten wir lieber selbst gemacht, weil wir an die Schaffenskraft des Kreises und der Kommunen geglaubt haben. Die Klage ist aber vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Jetzt arbeiten wir aber gut mit der Agentur für Arbeit zusammen.

Der Rhein-Kreis besteht nun 40 Jahre. Bedauern Sie es, dass vielerorts noch nach dem Schema "Mehr Ich statt Wir" gedacht wird?

Steinmetz Das ist Klein-Klein, ein Thema von gestern. Heute denken wir in ganz anderen Größenordnungen. Im internationalen Maßstab denken wir in einer Metropolregion Rheinland. Genauso ist auch eine interkommunale Zusammenarbeit da sinnvoll, wo sie sich anbietet.

Eine der größten Herausforderungen ist die Energiewende.

Steinmetz Ja, der Rhein-Kreis spielt in der nationalen Energiepolitik eine wichtige Rolle. Irgendwann wird der Tagebau enden, und diesen Strukturwandel müssen wir durch Ansiedlung neuer Unternehmen gestalten. Das ist längst erkannt, wir arbeiten mit RWE und anderen zusammen.

Was sind neben der Energiewende die wichtigsten Baustellen?

Steinmetz Wir müssen die Verkehrsinfrastruktur im Rhein-Kreis erhalten und ausbauen. Das gilt auch für die digitale Infrastruktur. Neben der Energiewende und der regionalen Zusammenarbeit ist der demografische Wandel für mich eine Riesen-Herausforderung. Es ist schwer, junge Menschen, die für ihre Ausbildung wegziehen, wieder zurückzuholen. Deshalb müssen wir auch an der Bildungs-Infrastruktur arbeiten und zulegen, was das Hochschulangebot angeht.

Und was könnte sich in der Wirtschaftsförderung verändern?

Steinmetz Man kann noch effektiver arbeiten. Ein Beispiel: Wir haben in Neuss auf einer Entfernung von 300 Metern drei Existenzgründungsberatungen: An der Oberstraße 7 die Stadt, an der Oberstraße 91 den Kreis, und an der Friedrichstraße 40 die IHK. Das müssen wir verschlanken und dann sind wir noch effektiver unterwegs.

Beim Thema kommunale Haushalte steht der Perspektivwechsel an: Jetzt müssen Sie die Finanzpläne von Kreis und Kommunen kritisieren. Wie hart werden Sie sein?

Steinmetz (lacht) Da werde ich sehr kritisch herangehen, denn ich kenne ja die Tricks. Aber ernsthaft: Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert. Insgesamt muss aber die Staatsquote gesenkt werden.

ANDREAS GRUHN FASSTE DEN TALK ZUSAMMEN. MEHR UNTER WWW.NGZ-ONLINE.DE

(NGZ)
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