Alpen 1716 - Brand vernichtet das "Stätgen Alpen"

Alpen · Vor 300 Jahren zerstört eine Feuersbrunst alle 93 Gebäude innerhalb der Stadtmauern - auch die beiden Kirchen lagen in Trümmern.

 Die Ansicht der "Stat Alpen" um 1700 hat Arnold Nederkorn 1980 gezeichnet. Die Zeichnung ist nicht genordet, die Draufsicht auf die Stadt aus optischen Gründen seitenverkehrt. Die Gebäude mit Ausnahme der beiden Kirchen sind historisch nicht authentisch.

Die Ansicht der "Stat Alpen" um 1700 hat Arnold Nederkorn 1980 gezeichnet. Die Zeichnung ist nicht genordet, die Draufsicht auf die Stadt aus optischen Gründen seitenverkehrt. Die Gebäude mit Ausnahme der beiden Kirchen sind historisch nicht authentisch.

Foto: Stadtarchiv

300 Jahre zurück - Mittwoch, 30. April anno Domini 1716. Eine Feuersbrunst rafft in weniger als zwei Stunden das "Stätgen Alpen" dahin. Von 93 Gebäuden innerhalb der Stadtmauern bleibt nur ein rauchender Trümmerhaufen. Nicht ein Haus bleibt stehen. Wie viele Menschen und Tiere im Flammenmeer umgekommen sind, ist heute nicht mehr bekannt. An die Katastrophe erinnert vor dem Jahreswechsel das von Ursula Hüsch betreute Archiv der Gemeinde.

Ihr Schwager Hermann Hüsch, Mitarbeiter des Archivs, hat die Umstände des verheerenden Brandes recherchiert und zusammengefasst. Als Quellen dienten ihm das Buch "Kurfürstin Amalia von der Pfalz und ihre Kirche in Alpen" von Dr. Joachim Daebel sowie der Aufsatz, den der Privatgelehrte Walter Bösken 1916 unter dem Titel "Eine Zweihundertjahr-Erinnerung der Gemeinde Alpen" veröffentlicht hat und seine Zeitgenossen damals an das dramatische Geschehen erinnert hat.

Die Wunden, die die historische Katastrophe geschlagen hat, sind längst verheilt. Aber Narben sind noch heute, 300 Jahre später, sichtbar. Die evangelische Kirche war 1716 eines der wenigen Gebäude, das zumindest im Grundriss erhalten geblieben ist. Die Außenmauern des Kirchenschiffs blieben stehen, so Daebel, auch der Turm auf der Südseite trotzte den Flammen.

Das steinerne Kreuzgewölbe aber stürzt ein. Der Glockenturm verbrennt, die Glocken stürzen herab und zerbrechen. Allerdings vermutet Daebel, dass die Stadtuhr von 1610 "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" das Feuer überstanden hat. Das noch existierende Uhrwerk stand während des Brandes wahrscheinlich in einer Nische des Mauerwerks. Das Grabmonument der Kurfürstin Amalia von der Pfalz - zumeist Epitaph genannt - ist das architektonische Glanzstück der Kirche. Es erhebt sich über einer nicht zugänglichen Gruft an der Stirnseite der Grabkapelle. Dort liegt die Kurfürstin Amalia an der Seite ihres ersten Ehemannes Heinrich von Brederode und ihrer Eltern begraben.

Am Epitaph lassen sich noch Brandspuren nachweisen, schreibt Hermann Hüsch mit Bezug auf den Historiker Daebel. Der wiederum stellt fest, dass "Wappenreliefs, Kapitelle und die Wächterlöwen aus Bentheimer Sandstein an einigen Stellen rot verfärbt sind". Der Marmor sei an vielen Stellen gerissen, für Experten ein sicheres Indiz für die "Einwirkung großer Hitze". Unten so Hüsch, habe Schutt des eingestürzten Kirchdaches das Grab der Kurfürstin vor dem Flammeninferno bewahrt.

Nicht ein Haus entkommt dem Raub der Flammen. Über die Zahl der Toten oder über verendete Tiere ist offenbar wenig bis nichts bekannt. Das Feuer ist vermutlich in einem "Bürgerhaus" entstanden. Die waren überwiegend aus Holz gebaut, die Mauern bestanden aus einem Gemisch aus Stroh und Lehm. So genügte oft ein Funke, oft aus offenen Feuerstellen oder aus einem schadhaften oder fehlenden Schornstein für ein folgenschweres Feuer. Die Flammen fanden reichlich Nahrung und breiteten sich, wenn auch der Wind noch ungünstig stand, gierig aus. Nicht nur die Wohnhäuser - auch Rathaus, Schule, beide Kirchen und Pfarrhäuser brannten am 30. April 1716 vollständig nieder.

Die Menschen, die ihr Hab' und Gut und ihr Dach über dem Kopf verloren hatten, stürzten in der Folge in bittere Armut, flüchteten auf die Burg, die vor der Stadtmauer vom Feuer verschont worden war. Vom ganzen Ausmaß der Brandkatastrophe, so zitiert Hermann Hüsch ein Dokument aus der Literatur, das sich auf einen Aufruf bezieht, der auf den 4. Mai 1716 datiert ist und der damals regierenden Gräfin Isabella Justina von Bentheim-Steinfurt zugeschrieben wird und in einer niederländischen, umgangssprachlichen Variante des Neuhochdeutschen verfasst ist: "... eene schieleyk (schnelle) ende schroomelycke (gewaltige) Viers-Bronst dese geheele (ganze) Stadt met beyde Kerken ende alle Borgers wooningen ... in minder als 2 uyren tijds ten eenen mael is in d'asche gelegt ende tot eenen Puyn-Hoop (Trümmerhaufen) gemaeckt ..."

Die Gräfin, so Hüsch, scheint sich sehr um Stadt und notleidenden Bürger gekümmert zu haben. Ihr Hilferuf sei vor allem in den benachbarten Niederlanden erhört worden. Von dort seien zahlreiche Spenden für den Wiederaufbau der evangelischen Kirche gekommen.

Auch die Synode zu Kleve war der Auffassung, dass man "Kraft der Gemeinschaft der Heiligen" den gebeutelten Alpenern unter die Arme greifen müsse. Der verheerende Brand wurde damals gedeutet als "göttliche Zuchtruthe", als Strafe Gottes also. Den so Geschundenen fühlte man sich offenbar in christlicher Nächstenliebe eng verbunden. Parallel zum Spendenaufruf liefen in der Kirchengemeinde unter Pfarrer Johannes Neckelmann die Vorbereitungen für den Wiederaufbau. Das Presbyterium, damals Konsistorium genannt, schloss mit dem Ziegelmeister Peter Prion einen Vertrag über den Betrieb eines Ziegelofens in der Menzelener Heide - ausgelegt für 150.000 Ziegelsteine. Dort besaß die Herrlichkeit Alpen das Recht, Tiere zu weiden und die obere Erdschicht zu nutzen (Jus compascui et plagenandi). Dem Konsistorium gehörte übrigens auch Richter Ernest Christian Ketter an, Gründervater des Junggesellenschützenvereins. Insgesamt wurden für den Wiederaufbau von Kirche, Pfarrhaus und Schule - es kam ein zweiter Ofen hinzu - 218.321 Steine gebrannt.

Darüber hinaus wurden auch Steine verkauft und so zu Geld gemacht. Im Kirchenarchiv finden sich zudem die Namen von 317 Alpenern, die bei der Kirchengemeinde insgesamt 45.184 Ziegelsteine geordert haben. Es wird vermutet, dass es sich um Spenden für den Wiederaufbau des Gotteshauses gehandelt hat. Alpener haben, obwohl selbst vom Unglück heimgesucht, für ihre Kirche Opfer gebracht. Ersatz für die zerstörte Glocke kam als Leihgabe von der reformierten Kirchengemeinde in Rheinberg.

Der Wiederaufbau konnte aber erst in Angriff genommen werden, nachdem der Streit mit der katholischen Kirchengemeinde friedlich beigelegt war. Die hatte, ihrerseits nach dem Verlust ihres Gotteshauses, alte Ansprüche geltend machen wollen auf Kirche und Pfarrhaus der Reformierten.

(RP)
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