Rheinberg Abschiebung wurde vorerst verhindert

Rheinberg · Aserbaidschanische Flüchtlings-Familie genießt seit einer Woche Kirchenasyl im Haus der Generationen in Rheinberg.

 Der aus dem Iran stammende Journalist Sirus A. (2.v.r. - hier mit seiner Frau, den beiden Söhnen sowie ehrenamtlichen Helfern) in der Flüchtlingsunterkunft am Melkweg. Weil er das Regime im Iran kritisiert, fürchtet der 50-Jährige um sein Leben. Ob die Familie in Deutschland bleiben kann, ist ungewiss.

Der aus dem Iran stammende Journalist Sirus A. (2.v.r. - hier mit seiner Frau, den beiden Söhnen sowie ehrenamtlichen Helfern) in der Flüchtlingsunterkunft am Melkweg. Weil er das Regime im Iran kritisiert, fürchtet der 50-Jährige um sein Leben. Ob die Familie in Deutschland bleiben kann, ist ungewiss.

Foto: ARFI (Archiv)

Am Dienstagmorgen um 4.20 Uhr sollte es passieren: Der aus dem Iran stammende Journalist Sirus A., seine aserbaidschanische Frau Arzu J., und die Söhne Emil (17) und Ugur (7) sollten von der Ausländerbehörde des Kreises Wesel abgeholt und aus dem Land gebracht werden - nach Litauen, weil die geflüchtete Familie dort vor zwei Jahren den Erstkontakt mit der EU hatte und nach dem Dublin-Abkommen die dortigen Behörden zuständig sind (wir berichteten). Die Polizei war da, die Abschiebung konnte aber zunächst verhindert werden.

Sirus A. will nicht nach Litauen, weil er befürchtet, von dort nach Aserbaidschan weitergereicht zu werden. In Aserbaidschan hat man 2014 versucht, ihn umzubringen, weil er als Journalist offen das Mullah-Regime im Iran verurteilt hat.

Im Januar erhielt die gut integrierte Familie die Nachricht, dass sie Deutschland verlassen muss. Ein ehrenamtlicher Helferkreis will das verhindern und nahm Kontakt mit der Evangelischen Kirchengemeinde Rheinberg auf. Bilgenur Zaman von der Awo-Flüchtlingsberatung hatte Kirchenasyl vorgeschlagen. Pfarrer Udo Otten und sein Presbyterium ließen sich nach Rücksprache mit der Landeskirche und den anderen Kirchengemeinden darauf ein. Die Familie wurde vor einer Woche im Haus der Generationen untergebracht.

Am Montag kam dann Nervosität auf im Haus der Generationen. Bilgenur Zaman und Presbyter Robert Diedrich erfuhren bei einem Gespräch im Kreishaus, dass Kirchenasyl keine absolute Sicherheit biete - es könne trotzdem abgeschoben werden. Ein Krisenstab wurde gebildet, mehrere Frauen und Männer entschlossen sich kurzfristig, die Nacht an der Grote Gert zu verbringen, um reagieren zu können, wenn die Behörden anrücken.

Am frühen Morgen stand die Ausländerbehörde mit Polizeiunterstützung vor der Tür, auch ein Vertreter der Stadt Rheinberg war dabei. "Ich habe von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht. Die Herrschaften sind unverrichteter Dinge wieder gefahren. Das Ganze lief in großer Ruhe und respektvoller Freundlichkeit ab", berichtete Pastor Udo Otten. "Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde haben keinerlei Druck ausgeübt. Es ist gut gelaufen - für alle Seiten." Man habe jetzt Zeit gewonnen, um sich mit übergeordneten Stellen wie der Landeskirche, dem Innenministerium sowie dem Bundesministerium für Migration und den Flüchtlingen zu beraten. Otten: "Wir konzentrieren uns jetzt hier in der Kirchengemeinde und im Haus der Generationen darauf, die Familie menschlich zu begleiten und aufzufangen. Das ist bitter nötig. Die Angst sitzt ihnen ganz schön im Nacken." Der Vater habe schwere Herzprobleme, die Söhne seien schwer traumatisiert. Bereits heute hat Otten ein Gespräch mit der Landeskirche in Düsseldorf und hofft, dass etwas in Bewegung kommt.

Dr. Lars Rentmeister vom Verwaltungsvorstand im Weseler Kreishaus erklärte die Rolle des Kreises: "Wir sind nur die ausführende Behörde." Er wolle den Rheinberger Fall aber keinesfalls herunterspielen. Das Bundesinnenministerium habe die Abschiebung abgeordnet, der Kreis sei dem nachgekommen - wenn auch erfolglos.

"Schwer zu sagen, wie es jetzt weitergeht", so Rentmeister. "Ich denke, dass in den nächsten Tagen erst mal nichts passieren wird." Das Kirchenasyl, so sagte er, stelle keinen gesicherten Rechtsraum dar. Jedoch gebe es eine Art Clearingstelle zwischen Bundesinnenministerium und Landeskirche. Man habe sich darauf geeinigt, in schwerwiegenden Fällen weitere Prüfungen vorzunehmen. Drohende Abschiebungen seien immer emotional besetzt. Rentmeister: "Das ist auch für unsere Leute nicht leicht."

(up)
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