Alpen "Brausebad" auf der Bönninghardt

Alpen · Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) erinnert mit einer Info-Tafel an die militärische Geschichte des ehemaligen Feldflughafens am Bandola-Hof. Bereits 1827 hatten die Gemeinden Alpen und Huck die "Alpsche Kuhweide" an den Militärfiskus verkauft.

 Ursula Hüsch, Bürgermeister Thomas Ahls und Wolfgang Wegener vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) vor der Hinweistafel auf den ehemaligen Flughafen Bönninghardt.

Ursula Hüsch, Bürgermeister Thomas Ahls und Wolfgang Wegener vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) vor der Hinweistafel auf den ehemaligen Flughafen Bönninghardt.

Foto: Armin Fischer

Weites, flaches Feld gibt den Blick ungehindert frei auf die Autobahn 57. Nur die Bezeichnung Flughafenweg erinnert daran, dass sich die Bönninghardt hier auf geschichtsträchtigem Boden ausbreitet. Vorm Eingang des Gemeindebauhofes weist eine Info-Tafel darauf hin, dass hier mal weit mehr passiert ist als der jährlich wiederkehrende Wechsel von Aussaat und Ernte. Aufgestellt hat das plakative Geschichtsbuch über die Historie des "Feldflughafens", der im Zweiten Weltkrieg den Decknamen "Brausebad" trug, das Amt für Bodendenkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland (LVR).

Das hatte ein Programm aufgelegt, mit Info- und Hinweistafeln an ausgewählten Standorten im Rheinland, um an den Ersten Weltkrieg zu erinnern, dessen Ausbruch sich 2014 zum 100. Mal jährte. Das Erinnerungsprojekt wurde ausgedehnt auf Geschehnisse nach Beginn des II. Weltkrieges vor 75 Jahren und auf das Ende des Kalten Krieges vor 25 Jahren. Auf Initiative von Ursula Hüsch vom Gemeindearchiv wurde auch der ehemalige Militärflughafen in die LVR-Reihe der Erinnerungsstätten aufgenommen. Nun sorgt auch am ehemaligen "Bandola-Hof" eine Geschichtssäule dafür, dass nicht einfach Gras über die denkwürdige Vergangenheit des Ortes wächst, sondern die Erinnerung daran lebendig bleibt.

 Die ehemalige Jugendherberge in Alpen wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugleitstelle umfunktioniert. Oben: Segelflieger vorm Krieg. Die ehemalige Jugendherberge in Alpen wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugleitstelle umfunktioniert. Oben: Segelflieger vorm Krieg.

Die ehemalige Jugendherberge in Alpen wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugleitstelle umfunktioniert. Oben: Segelflieger vorm Krieg. Die ehemalige Jugendherberge in Alpen wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugleitstelle umfunktioniert. Oben: Segelflieger vorm Krieg.

Foto: Gemeindearchiv Alpen

Die Militärgeschichte wie die Interessengemeinschaft Geschichte Natur in einem umfassenden Aufsatz auf ihrer Internetseite schreibt, begann hier im Jahre 1827. Für 1050 Taler verkauften die Gemeinden Huck und Alpen die "Alpsche Kuhweide" an den Militärfiskus. Das Stück Heide diente dem 17. Kavallerie-Regimentes des preußischen Landsturms zunächst als Exerzier- und Reitplatz. Berittene Verbände aus der Garnisonsstadt Wesel nutzten das weitläufige Gelände für Manöver. Zum Abschluss wurde im Saal Paeßens-Thiesen Manöverball gefeiert.

Nach dem Ersten Weltkrieg nutzten das Exerziergelände belgische Besatzungstruppen als Reitplatz. Es dauerte nicht lange, bis hier Pferde um die Wette liefen. Anfang des 20. Jahrhunderts fanden auf der Landebahn die ersten Pferderennen statt.

1928 kauften die Brüder Heinrich und Hermann Baumgärtner vom Gestüt Franzissenhof in Menzelenerheide die "Alpsche Kuhweide", die sie zwei Jahre zuvor bereits gepachtet hatten. Die Baumgärtners betrieben hier einen Bauernhof. Der wurde auf den bis heute klangvollen Namen der Wunderstute "Bandola" getauft, Mitte der 20er Jahre mit 32 Siegen in 64 Rennen das erfolgreichste Hindernispferd Deutschlands und ein echter Star - heute vergleichbar mit Fußball-Legenden wie Beckenbauer oder Breitner. Bandola steht für "Rasanz, Schnelligkeit und Sprungkraft", schreibt Fritz Nühlen in Heft 3 der Menzelener Dorfchronik.

Bandola fand ein trauriges Ende. Die Stute wurde gegen Kriegsende erschossen. Die Baumgärtner-Brüder hatten 1936 den Hof auf der Bönninghardt an den nationalsozialistischen Staat verkauft. Der legte hier einen Segelflugplatz an. Zwei Jahre später war die Bönninghardt Kontrollpunkt beim Deutschland-Flug des NS-Fliegerkorps mit 400 Flugzeugen. Am 1. Juni 1939 übernahm das NS-Fliegerkorps Niederrhein, Nachfolgeorganisation des Deutschen Luftsportvereins, das Gelände als Segelflugplatz.

"Es war anfangs eine geruhsame Zeit. Der Flughafen war meist schwach belegt. Die Soldaten fanden Zeit, in der nahen Gaststätte Pötters ein gutes Bier zu trinken", schreibt Jürgen Wiegert auf der Internetseite der Interessengemeinschaft für Geschichte und Natur Bönninghardt. "Am Bahnhof herrschte sonntags Hochbetrieb. Es kamen Freundinnen, Bräute, Frauen mit ihren Kindern zu Besuch."

August 1939 landeten bei Manövern des Jagdgeschwaders 26 auf der Bönninghardt Maschinen des Typs Messerschmidt Mf 109. Neben dem Flughafen wurden der Bandola-Hof, die evangelische Schule und Privatquartiere belegt. Der II. Weltkrieg war auf der Hei angekommen. Militärmaschinen sollten beim Angriff auf Polen die Grenzen zu den Niederlanden und Belgien sichern.

Fremd- und Zwangsarbeiter wurden zum Ausbau des Feldflughafens eingesetzt. Flugleitstelle war die architektonisch markante Jugendherberge in Alpen, die den Krieg überstanden hat, noch bis 1965 Gäste aufnahm aber schließlich 1968 abgerissen worden ist. Die Kommandoeinrichtungen, Offiziersmesse, Unterkünfte sowie Munitions- und Treibstoffbunker fanden sich auf dem Bandola-Hof. Mit Tankwagen wurde der Treibstoff vom Bahnhof aufs Flughafengelände gebracht.

In den Wäldern an der Landebahn, eine Graspiste, wurden rechteckige Plätze mit Erdwällen errichtet als Splitterboxen für Militärflugzeuge. Der Hoerstgener Weg und die Straße Am Flughafen wurden mit Schlagbäumen gesperrt - Tag und Nacht von Posten bewacht. Passieren durfte man nur mit einem Sonderausweis.

Der Feldflughafen wuchs rasch. Immer mehr Einheiten wurden stationiert. Unter anderem Jagdgeschwader für den Luftkrieg gegen England. 1941 wurde der Flugplatz in der Bönninghardt offiziell "Einsatzhafen 1. Ordnung" und erhielt den Decknamen "Brausebad".

Doch mit dem Ausbau des Fliegerhorstes Venlo verlor die Bönninghardt ihre strategische Bedeutung. Als 1943 britische Bomberstaffeln erste Angriffe auf deutsche Städte und Fabriken flogen, wurde auch Häuser auf der Bönnighardt getroffen. Die Heideschule erhielt einen Einschlag. Eine Familie wurde ausgelöscht. Nur ein Kleinkind überlebte. Erst als im Herbst 1944 die alliierten Truppen am Niederrhein landeten, starteten von hier wieder Militärmaschinen.

Die letzten Jagdflugzeuge verließen Mitte Februar 1945 den Feldflugplatz. Deutsche Truppen sprengten am 25. Februar 1945 unmittelbar vor dem Abzug sämtliche Anlagen. Am 9. März befreite die 53. Division Großbritanniens die Bönninghardt und Alpen von der Nazi-Herrschaft. Während der Überquerung des Rheins bei Wesel, "Operation Plunder", waren auf dem Höhenzug Artillerieeinheiten der britischen Armee stationiert. Mit Kriegsende ist auch die militärische Geschichte des Flughafens vorbei.

Anfang der 50er Jahre kommen die Reitsportler zurück. Der Reit- und Fahrverein St. Georg Alpen veranstaltet Turniere und Fuchsjagden. Nachdem aber eine schwere Geländeprüfung 1954 ein Todesopfer fordert, ziehen auch die Pferde von der Alpschen Kuhweide ab. Eine Siedlung für Aussiedler aus dem Osten entsteht, der Kreis Moers stationiert hier einen Bauhof mit Gartenbaubetrieb. Auch für den Bauhof der Gemeinde Alpen ist Platz. Von 1964 bis 1975 gibt's noch mal ein fliegerisches Intermezzo. Ein Modellbauverein lässt seine Maschinen aufsteigen über dem Gelände, das ein deutscher Soldat in einem Tagebuch mal als "kahl, öde und wild" beschrieben hatte.

(bp)
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