Rheinberg Der "Big Brother Award" für Amazon

Rheinberg · Verein "Digitalcourage" lässt dem Online-Versandriesen eine zweifelhafte Ehre zuteil werden: Amazon soll gegen Daten- und Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter verstoßen. SPD-Landtagsmitglied René Schneider fordert Konsequenzen.

 Landtagsmitglied René Schneider hat einen Tag bei Amazon gearbeitet.

Landtagsmitglied René Schneider hat einen Tag bei Amazon gearbeitet.

Foto: Armin Fischer/privat

Der Verein "Digitalcourage" hat dem US-amerikanischen Versandhändler Amazon in Bielefeld den "Big Brother Award 2015" als "größte Datenkrake" in der Kategorie "Arbeitswelt" verliehen. Ausgezeichnet wurden die Versandstandorte in Bad Hersfeld und Koblenz, weil Amazon dort von seinen Beschäftigten verlange, den gesetzlich verbrieften Schutz privatester Daten - insbesondere im sensiblen Gesundheitsbereich - am Werkstor abzugeben, heißt es. Aber auch der Standort Rheinberg ist betroffen.

"Uns liegen entsprechende Arbeitsverträge auch für die Standorte Rheinberg und Leipzig vor und aufgrund der zentralisierten Unternehmensführung von Amazon gehen wir davon aus, dass das Vorgehen an allen Versandstandorten gängige Praxis ist", sagte Stefan Najda, bei der Gewerkschaft Verdi für den Online- und Versandhandel zuständig.

 Blick in die zweite Sortierstufe bei Amazon in Rheinberg. Mitarbeiterin Natalya Zorina kümmert sich um die Endsortierung der Waren für den Kunden.

Blick in die zweite Sortierstufe bei Amazon in Rheinberg. Mitarbeiterin Natalya Zorina kümmert sich um die Endsortierung der Waren für den Kunden.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

In ihren Arbeitsverträgen, so Verdi, müssten die Amazon-Beschäftigten einwilligen, dass selbst sensible Gesundheitsdaten an eine zentrale Datenbank in die USA übermittelt, dort verarbeitet und genutzt werden können. Außerdem sollen die Beschäftigten sich dazu bereit erklären, jederzeit von einem Arzt, den Amazon bestimmt, untersucht werden zu können und den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden. "Das ist ein Beispiel dafür, wie Amazon die Rechte seiner Beschäftigten mit Füßen tritt und grundlegende Daten- und Persönlichkeitsrechte der Betroffenen missachtet; die zuständigen Datenschutzbehörden sind aufgefordert, umgehend zu handeln", sagte Najda. Der auch für Rheinberg zuständige SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider hat Amazon aufgefordert, Konsequenzen aus der Big-Brother-Award-Verleihung zu ziehen. Mit der beschriebenen Praxis "verstößt Amazon auch am Standort Rheinberg gegen Daten- und Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter", sagte Schneider gestern. Er fordert Amazon in einem Brief auf, die kritisierten Arbeitsverträge unverzüglich abzuändern. Gleichzeitig bittet er in einer Anfrage an die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, um die datenschutzrechtliche Prüfung der Verträge. Es dürfe nicht sein, dass Arbeitnehmer gezwungen werden, mit ihrer Unterschrift anzuerkennen, dass Ergebnisse betriebsärztlicher Untersuchungen vom Arzt ans Unternehmen weitergegeben werden dürfen. "Die ärztliche Schweigepflicht und eine grundsätzlich freie Arztwahl sind hohe Güter. Zweifelt der Arbeitgeber an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters, kann er den vertrauensärztlichen Dienst der Krankenkassen einschalten. Nur so funktioniert's", betont René Schneider.

Chronologie im Tarifstreit zwischen Verdi und Amazon
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Foto: dpa, ud mut stj

In einer ersten Stellungnahme sagte Amazon gestern Abend zu den Vorwürfen: "Wir zeigen Tag für Tag, dass wir ein fairer und verantwortungsvoller Arbeitgeber sind. Wir sprechen offen, wir respektieren einander, wir kümmern uns, und die Gesundheit und die Sicherheit der Mitarbeiter haben einen sehr hohen Stellenwert für uns".

(RP)
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