Alpen Der Herr der historischen Schriftstücke

Alpen · Dr. Joachim Daebel erforscht alte Unterlagen und Belege aus der Geschichte von Alpen, die plötzlich wiederaufgetaucht sind.

 Dr. Joachim Daebel beim Studium der historischen Schriftstücke mit der Lupe.

Dr. Joachim Daebel beim Studium der historischen Schriftstücke mit der Lupe.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Im Keller des Pfarrhauses läuft ein Trockner, der der Luft so viel Feuchtigkeit entzieht, dass sie keinen Schaden anrichtet. Denn hier unten lagern in zwei Räumen wertvolle historische Dokumente. Das Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde ist hier untergebracht - in schmucklosen Stahlschränken und seit kurzem in einem unscheinbaren grauen Holzschrank mit flachen Schubladen -ein Geschenk des Amalienstifts. Der umtriebige Förderverein unterstützt seit sieben Jahren Projekte, für die im Haushalt der Kirchengemeinde sonst kein Geld wäre.

Gut 900 Euro hat der 25 Mitglieder starke Verein um den Vorsitzenden Gottfried Giesen für den Archivschrank locker gemacht. Der macht es nun möglich, dass großformatige Dokumente wie Plakate oder Landkarten liegend gelagert werden können und - ganz praktisch - leicht zugänglich sind.

Dr. Joachim Daebel (79) zieht die oberste Schublade auf und nimmt ein historisches Schriftstück heraus: "Schöne Handschrift", befindet der Historiker, seit vielen Jahren kundiger Betreuer des Gemeindearchivs. An dem Schriftstück anno 1452 heftet ein tiefrotes Schöffensiegel - ein Beleg dafür, dass Alpen mal Stadt war und dazu überwiegend reformiert. In den 1970-er Jahren, damals war Deabel noch Presbyter in Alpen, sei ihm diese verantwortungsvolle Aufgabe "zugefallen", sagt der Autor des Buches "Amalie - Kurfürstin aus der Pfalz".

Das Amalienstift sei durch die mysteriöse Rückgabe über Jahrzehnte verschollener Archivalien darauf aufmerksam geworden, dass sie hier im Archiv mit den gesammelten Spenden wertvolle Hilfestellung geben könnte, sagt Gottfried Giesen, Vorsitzender des Fördervereins.

Dort lagern wertvolle historische Dokumente, Quellen für die Historie für das kirchliche und weltlich Alpen. Schließich hatte die Kirchengemeinde einst nach der Zerstörung des Schlosses das dortige Archiv übernommen und damit auch zahlreiche Dokumente der politischen Gemeinde wie die Armenrechnungen - eine wichtiger Beleg für eine frühe funktionierende Sozialkasse. Die ruft allerdings heute wegen Schimmelbefalls dringend nach einem Restaurator. Auslöser für das Geschenk war allerdings ein weltlicher Kriminalfall, der bis heute unaufgeklärt ist: Der Archivpfleger des Kirchenkreises Moers, Edgar Reitenbach, hat, als er Anfang der 90-er Jahre den bedeutenden Urkundenbestand der Kirchengemeinde geordnet hat, festgestellt, dass wichtige Dokumente aus dem 15. bis 17. Jahrhundert fehlten (die RP berichtete ausführlich).

Eine Empfangsbescheinigung von 1978 nennt den Ausleiher, der Akten, die ihm vermutlich vom damaligen Pfarrer Fritsch ausgehändigt worden sind. Der Empfänger hat das wertvolle Matarial offenbar für seine Examensarbeit verwendet und es hinterher nie zurückgegeben. Die Arbeit, so hat Daebel recherchiert, trug den akademisch sperrigen Titel "Die Reformations- und Gegenreformationszeit am unteren Niederrhein unter besonderer Berücksichtigung der Herrschaft Alpen und Umgebung".

Der Ausleiher, der öffentlich nicht benannt wird, hatte 2001 auf Befragen erklärt, dass er die Leihgaben längst zurückgegeben habe. "Er hat die Unwahrheit gesagt", stellt Dr. Daebel nüchtern fest. Die Gemeinde schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Das Verfahren verlief im Sand, die Kartons blieben verschwunden. Der säumige Forscher, so berichtet Kirchenhistoriker Daebel, sei vor ein paar Jahren verstorben und von Pastor Dr. Becks beerdigt worden. Drei Jahre später tauchten die wertvollen Dokumente - bis auf wenige Ausnahmen, teils in beklagenswertem Zustand - wieder auf. Sie wurden mit der Post ins Pfarrhaus geliefert. Die Sendung ließ sich nicht zurückverfolgen. Der Absender war ebenso falsch. Die Adresse führte auf einen Acker in Bocholt.

(RP)
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