Rheinberg Die Faszination der Brieftauben erleben

Rheinberg · Morgen ist "Tag der Brieftaube". Ab 12 Uhr kann man den Schlag von Willi Giesen an der Johannes-Laers-Straße in Alpsray besichtigen und sich informieren. Der 62-Jährige ist begeistert von der Navigationsleistung der Vögel.

 Züchter Willi Giesen mit seiner Lieblingstaube Nummer 378, die 2010 geboren wurde. Im Hintergrund sieht man den luxuriösen Schlag des Alpsrayers, der schon als Jugendlicher zur Taubenzucht kam.

Züchter Willi Giesen mit seiner Lieblingstaube Nummer 378, die 2010 geboren wurde. Im Hintergrund sieht man den luxuriösen Schlag des Alpsrayers, der schon als Jugendlicher zur Taubenzucht kam.

Foto: Armin Fischer

"Ganz ruhig, Mädchen, komm mal her", redet Willi Giesen mit ruhigen Worten besänftigend auf die Muttertaube ein, die mit heftigen Flügelschlägen ihre Brut verteidigt und mit dem Schnabel die Finger von Giesen attackiert. "Da muss ich schon richtig aufpassen", sagt der ehemalige Leiter der Rheinberger Polizeiwache, der morgen beim "Tag der Brieftaube" mitmacht. Von 12 bis 16 Uhr kann man seinen Taubenschlag an der Johannes-Laers-Straße 35 in Alpsray besuchen und sich über das Hobby Taubenzucht informieren.

Zwei Tage sind die beiden Jungtauben gerade alt, um die sich der passionierte Brieftaubenzüchter aufmerksam kümmert. Noch sind die Tiere winzige Knäuel, haben noch nicht einmal die Augen geöffnet. Statt glattem Gefieder tragen sie gelben Flaum, der laut Willi Giesen so weich wie Seide ist. Kaum zu glauben, dass sie als wahre Orientierungswunder in kurzer Zeit schon von einem mehrere Hundert Kilometer langen Flug zum Heimatschlag zurückfinden werden. "46 Alttauben hatte ich jetzt auf einem Trainingsflug, alle sind wohlbehalten zurückgekehrt", bestätigt der 62-Jährige die phänomenale Navigationsleistung der Tiere. Kehrt einer der fliegenden Boten nicht zurück, ist dies meist einem Greifvogelangriff geschuldet. "Unser größtes Ärgernis derzeit", so der Brieftaubenexperte, in dessen Schlag derzeit 120 Tiere gurren und flattern.

Sitzt Giesen entspannt auf der Terrasse, erkennt er seine Brieftauben schon am Himmel, wenn andere nur einen schwarzen Punkt am Horizont ausmachen. "Es ist einfach schön anzuschauen, wenn die Vögel heranfliegen, aus der Höhe herabstürzen, um ihren Flug vor dem Schlag abzufangen", schildert Giesen fasziniert. An diesem Anblick kann sich der Züchter nicht satt sehen. Seit fast 50 Jahren. Als Teenager mit 13 oder 14 Jahren hat er auf dem elterlichen Hof die Liebe zur Brieftaube entdeckt. "Mein erstes Tier trug die Nummer 148 und hat bei fünf Wertungsflügen fünf Preise geholt", erinnert sich der Alpsrayer an die Anfänge. Das sei's gewesen. 1971 ist er dem Verband Deutscher Brieftaubenzüchter und der Reisevereinigung (RV) Homberg beigetreten, mittlerweile ist er in der RV Moers-Kamp-Lintfort und Umgebung aktiv.

Brieftaubenzucht - wohl kaum ein Hobby hat mit einem spießigeren und piefigeren Image zu kämpfen: das Hobby des Malochers aus dem Ruhrpott der Nachkriegszeit - mit kleinen, rußbedeckten Schlägen unterm Dach und Weidenkörben als Transportmittel für die Tiere. Das war einmal. Längst hat Hightech Einzug gehalten: Statt einfachem Fußring tragen Brieftauben heute einen Ring mit Chip, auf dem alle Daten elektronisch erfasst sind, so dass die Tiere bei Einflug in den Schlag automatisch registriert werden können. "Auf meinem Smartphone kann ich so bei Wettflügen sofort das Ranking ablesen - in Echtzeit", erzählt Willi Giesen vom Brieftaubensport. Sport? "Ja doch", betont er. Mit allem, was dazu gehört - wie Trainingsflügen, speziell abgestimmtem Futter, medizinischer Pflege und Gesundheitszeugnis. "Nur absolut gesunde Tiere sind bei Wertungsflüge in der Saison zwischen April und September zugelassen", betont der Züchter, der im Deutschen Brieftaubenzuchtverband ehrenamtlich als Dopingkontrolleur tätig ist. Denn auch das kommt vor. Ein bisschen ist Brieftaubenzucht nämlich auch ein Business. Kein Wunder: Für sehr erfolgreiche Tauben werden den Züchtern mittlerweile sechsstellige Summen gezahlt. "Da bewege ich mich natürlich nicht", sagt Giesen und lacht. Sein erfolgreichstes Exemplar war Ende der 1980er Jahre eine Taube mit Nummer 402, die bei einem Wettbewerb 8000 Konkurrenten in der Luft hinter sich gelassen hatte.

Für den Alpsrayer bleibt die Brieftaube ein geliebtes und faszinierendes Hobby, für das er beim Tag der Brieftaube werben möchte. Für Giesen steht das Tier im Mittelpunkt, geht es um nichts als die Ehre und Pokale. Und das glaubt man dem ehemaligen Polizeihauptkommissar sofort: In seinem Alpsrayer Garten stehen zwei Taubenschläge, die Ihresgleichen suchen - wahre Luxus-Anwesen für Brieftauben.

(RP)
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