Heimat entdecken in Rheinberg Die Geschichte Berkas lebendig erzählen

Rheinberg · "Jede Stadt hat etwas Besonderes. Rheinberg bietet sehr viel Potenzial im historischen Bereich", erzählt Edeltraud Hackstein. Sie ist ehrenamtliche Stadtführerin in Rheinberg. Es werden verschiedenen Führungen angeboten.

 Stadtführerin Edeltraud Hackstein im Kostüm als Isabella Clara Eugenia im historischen Ratssaal des Alten Rathauses.

Stadtführerin Edeltraud Hackstein im Kostüm als Isabella Clara Eugenia im historischen Ratssaal des Alten Rathauses.

Foto: hackstein

"Höret ihr Leute aus Berka. Mit dem heutigen Tag ernenne ich eure Siedlung zur Stadt." So oder ähnlich muss es geklungen haben, als der Kölner Erzbischof Heinrich von Molenark im Jahre 1233 der Entwicklung Rheinbergs die entscheidende Hilfestellung gab. "Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag" lautete ein Rechtsgrundsatz im Mittelalter. Bezogen auf das mit Stadtrechten ausgestattete Berka bedeutete dies die Abkehr von der Leibeigenschaft, bedeutete das Marktrecht und vieles mehr. An diesem bedeutenden Tag begann die ereignisreiche Geschichte Berkas, dessen unzählige Entwicklungsstadien interessierte Bürger und Gäste im Rahmen einer historischen Stadtführung auf spannende Weise erfahren können.

Wenn Edeltraud Hackstein als Isabella Clara Eugenia neben der alten Eiche auf dem Rheinberger Marktplatz steht und Berkas Geschichte lebendig werden lässt, hängen die Teilnehmer an ihren Lippen. Den Ausgangspunkt ihrer Führungen hat sie ganz bewusst gewählt. Der Marktplatz, eingerahmt von Häuserzeilen aus dem 16. Jahrhundert und Standort des alten Rathauses, ist seit jeher der Mittelpunkt der Stadt. "Hier pulsierte das mittelalterliche Leben, denn schon damals waren der Dienstag und der Freitag die Markttage", erzählt Edeltraud Hackstein.

Märkte waren nicht nur von enormer wirtschaftlicher Bedeutung für die junge Stadt, sie sicherten auch auf vielfältige Weise die Versorgung der Menschen. So gab es neben dem allgemeinen Wochenmarkt, dem Jahrmarkt und dem Viehmarkt einen Fischmarkt, auf dem der aus dem damals noch an der Stadtmauer vorbeifließenden Rhein gefangene Salm verkauft wurde, einen Entenmarkt und den Holzmarkt, der vor allem von den Korbmachern aus der nahegelegen Bönninghardt genutzt wurde.

Zur Geschichte der Stadt gehören auch ihre berühmten Söhne. Einer davon war Hubert Underberg I., der am 17. Juni 1846 am Rande des Rheinberger Marktplatzes sein Unternehmen gründete. Durch die Präsenz auf Weltausstellungen in London, Paris und Philadelphia wuchs das Unternehmen derart schnell, dass ein Ausbau des Stammhauses notwendig geworden war. Das brachte Hubert Schiffer auf den Plan, der zur damaligen Zeit in einem Steinbruch im belgischen Raeren tätig war. Der Blaugranit, den Schiffer jahrelang mit Pferdekutschen mühsam an den Niederrhein karrte, gab dem Stammhaus ein derart edles Aussehen, dass die Rheinberger es respektvoll "Palais" tauften. Architekt des von 1869 bis 1874 erbauten Underberg-Palais war übrigens kein geringerer als Prof. Ernst Giese, aus dessen Feder auch die Deutsche Oper am Rhein oder der Dresdener Hauptbahnhof stammen. Zu diesem Thema bietet Edeltraud Hackstein eine gesonderte Führung mit dem Titel "Isabella meets Underberg" an.

In der Brust der Stadtführerin schlagen zwei Herzen, vor allem wenn sie auf dem Marktplatz steht und sich umschaut. Zum einen ist Edeltraud Hackstein Vorsitzende des örtlichen Heimatvereins, zum anderen Sprecherin und Projektleiterin vom Rheinberger Stadtmarketing.

So freut sie sich zwar darüber, dass historische Gebäude wie die ehemalige Kornkammer "Im Scheffel" oder das Gebäude "Zum weißen Raben", das einzige erhaltene niederländische Barockhaus in Rheinberg, aufwändig und dem originalen Zustand entsprechend renoviert worden sind, es auf der anderen Seite aber Leerstand rund um den mittelalterlichen Markt gibt. "Wir würden uns sehr darüber freuen, wenn dieser Ort wieder mit Leben gefüllt würde", wünscht sich Hackstein mit beiden Herzen.

Die Geschichte Berkas, Heimat von Gelehrten wie Nikolaus Palm oder Amplonius Rating de Berka und Sitz eines Beguinen- und Kapuzinerklosters, war immer wieder auch eine leidvolle. So wurde die Stadt nicht nur von Mäuse- und Heuschreckenplagen heimgesucht, hatte Pest und Hochwasser zu überstehen, sondern war auch immer wieder in Kriege verwickelt. Einer davon führte 1598 in eine Katastrophe, die fast die halbe Stadt zerstörte. Eine spanische Feuerkugel landete im damals 23 Meter hohen und mit 150 Tonnen Schießpulver gefüllten Pulverturm. Dabei wurde die nebenan stehende "Kurkölner Landesburg" mit seinen Türmen vollständig zerstört. Eine Tafel auf dem Spielplatz zeigt, wie Berkas stolze Burg einmal ausgesehen haben könnte.

"Jede Stadt hat etwas Besonderes. Rheinberg bietet sehr viel Potenzial im historischen Bereich", erzählt Edeltraud Hackstein ihren Gästen am Ende in der alten Kellnerei.

Ihre Liebe zu Berkas Geschichte ist mit der Lektüre des Buches "Spaziergang durch Rheinberg" von Paul Feltes entstanden. "Das ist mit so viel Herzblut geschrieben, dass ich unbedingt den Autor kennenlernen wollte, mit ihm und seiner Familie bin ich seitdem befreundet", erinnert sich Edeltraud Hackstein. Als Gästeführerin liegt ihr vor allem die Sensibilität der Rheinberger am Herzen: "Die Stadt lebt von ihren Geschichten."

(erko)
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