Rheinberg Eine Reise durch die amerikanische Jazz-Geschichte

Rheinberg · Musik-Festival Ruhr in Rheinberg: Das Trio Polziehn-Dekker-Goldsby glänzt mit Songs aus dem American Songbook.

Die Akkorde sind schwer, der Blues legt sich breit, dicht und drückend wie schwüle Gewitter-Luft über die Tastatur des schwarzen Steinway-Flügels. "So in Love" heißt der Cole-Porter-Song, der an diesem heißen Sommerabend einen Hauch von Melancholie in die Rheinberger Stadthalle bringt. Olaf Polziehn ist der Weltklasse-Pianist, der 200 Besucher mit seinem Spiel fasziniert. Groß und schlank ist der in Ludwigsburg geborene Musiker, und lang sind seine Finger. Blitzschnell huschen sie über die Tasten, schlafwandlerisch sicher ist sein Spiel. Und das seiner beiden Begleiter: Der niederländische Drummer Hans Dekker und der US-amerikanische Kontrabassist John Goldsby stehen dem Mann am Klavier in nichts nach. Wie der Professor an der Universität für Musik und darstellenden Kunst Graz sind auch sie Vollprofis; man kennt sie als Rhythmusgruppe der fantastischen WDR-Bigband. Modern Jazz heißt ihr unverfängliches Stil-Etikette. Präziser beschreibt der Hinweis "American Songbook", wo die Reise bei diesem Konzert im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr hingeht. In die große Tradition der US-Historie nämlich, in die Welt der Broadway-Musicals, als diese sich noch durch Songs auszeichneten, die zu Jazz-Klassikern wurden.

Songs von besagtem Cole Porter oder George-Gershwin-Titel wie "Liza" (das Polziehn als Piano-Solo-Stück gestaltet). Großartig kommen auch Schwergewichte wie das beschwingte "This really was mine" aus dem Musical "South Pacific" oder das extrem lässig swingende "But not for me" aus "Girl Crazy" daher. Das Polziehn-Trio überzeugt auch im Dreivierteltakt, so beim "Jitterbug Waltz" von Fats Waller. "Das erste Stück im Jazz, das im Dreivierteltakt aufgenommen wurde", wie der Bandleader das Publikum wissen lässt. Die Musiker sind großartig. So richtig kommen sie nach der Pause in Schwung, als sie die Jacketts abgelegt und die Hemdsärmel hochgekrempelt haben. Da legt Pianist Polziehn so viel musikalische Wärme und Atmosphäre in sein Siel, dass seine Weltklasse-Technik beinahe in den Hintergrund rückt. Drummer Dekker trommelt sparsam dosiert, auch mal mit bloßen Händen, und Bassist Goldsby gelingt einfach alles an seinem Instrument. Eine sensationelle Tour durch die amerikanische Jazz-Geschichte. Zugabe!

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