Interview mit Landwirt Johannes Paassen über Gülle-Einsatz "Einige Mineralwasser haben mehr Nitrat"

Xanten · Gülle bewegt die Gemüter: Heute wollen auch Bauern beim Themen-Abend der Grünen in Rheinberg Stellung beziehen.

Interview mit Landwirt Johannes Paassen über Gülle-Einsatz: "Einige Mineralwasser haben mehr Nitrat"
Foto: Fischer, Armin (arfi)

Die Grünen in Rheinberg haben den "Gülleeinsatz am Niederrhein" auf die Tagesordnung gesetzt und damit ein Thema, das reichlich Stoff für Spannung bietet. So darf man davon ausgehen, dass Christian Markert und Norwich Rüße, Experten aus der Landtagsfraktion der Grünen, und ihre politischen Freunde heute um 18 Uhr im Gasthof Schützenhaus Eversael, Grafschafter Straße 8, nicht unter sich bleiben. Landwirt Johannes Paaßen will dabei sein. Der Vorsitzender der Ortsbauernschaft Veen erläutert im RP-Gespräch seine Position zum Thema Gülle.

Das Frühjahr kommt näher und damit auch der Tag, dass die Luft hier wieder ländlicher riecht.

Paassen Das könnte passieren. Seit dem 1. Februar dürfen wir wieder Gülle auf die Felder aufbringen. Doch momentan ist es dafür noch viel zu nass. Die schweren Fahrzeuge würden in den durchtränkten Böden versinken. Daher wird's wohl noch ein Weilchen dauern, bis am Niederrhein wieder gedüngt wird.

Wie lange darf Gülle auf die Felder gebracht werden?

Paaßen Bis Mitte November. Aber immer nur so viel, wie die Pflanzen als Stickstoff auch verbrauchen können. Darauf wird streng geachtet. Der Stickstoffbedarf ist naturgemäß in der Wachstumsphase am größten. Das ist auch der Grund dafür, dass im Frühjahr immer deutlich mehr Gülle gefahren wird als etwa im Herbst.

Nehmen Sie an der Veranstaltung der Grünen in Eversael teil?

Paaßen Ich werde wie andere Landwirte auch da sein. Schließlich interessiert es mich, wenn über die Landwirtschaft gesprochen wird. Wir werden gut zuhören und uns selbstverständlich auch zu Wort melden, wenn an dem Abend Dinge dargestellt werden, die aus Sicht der oft zu Unrecht kritisierten Landwirte nicht unkommentiert bleiben dürfen beziehungsweise richtiggestellt werden müssen.

Viele beklagen sich schon über die Geruchsbelästigung. Kann man das nicht verträglicher machen?

Paassen Grundsätzlich gilt: Wer den Vorzug genießt, auf dem Lande zu leben, muss auch Landluft schon mal ertragen. Wer in der Nachbarschaft der Solvay-Werke wohnt, muss auch damit rechnen, dass mal etwas in die Luft entweicht, was man eigentlich nicht braucht. Durch neue Techniken beim Gülle-Austrag wird versucht, die Geruchsbelastung für die Umgebung so gering wie möglich zu halten. Und sorgt dafür, dass der Eintrag möglichst an der Oberfläche bleibt und die Nährstoffe von den Pflanzen möglichst komplett aufgenommen werden.

Trotzdem wir häufig über zu hohe Nitratwerte im Grundwasser geklagt. Wie sieht's in Veen aus?

Paassen Wir haben in Veen eine Messstelle. Aus der geht deutlich hervor, dass die Belastung weit unter den Grenzwerten liegt. Manches Mineralwasser hat mehr Nitrat. Wir haben neben den viehhaltenden Höfen ausreichend Betriebe mit Ackerflächen, die die Gülle der Nachbarn gut gebrauchen können. Die wird als guter und günstiger Wertstoff mit deutlichen Vorteilen gegenüber mineralischem Dünger immer mehr geschätzt.

Das macht dann bisweilen Gülle-Tourismus attraktiv.

Paassen Auf maßvolle Verteilung kommt's an. Es kann schon dazu führen, dass Gülle aus viehintensiven Gebieten in Großfahrzeugen dahin gefahren wird, wo weniger Vieh gehalten wird. Es entsteht leicht der Eindruck, dass da, wo Dünger gebraucht wird, ein großes Fass aufgemacht wird. Doch es läuft nichts unkontrolliert auf die Felder. Da müssen Landwirte möglicherweise mit mehr Aufklärung gegensteuern. Aber wie gesagt, bei uns passt es.

Wie beurteilen Sie die Nitartbelastung der Böden, die bei Umweltschützern immer wieder in der Kritik steht?

Paaßen Das Monitoring mit rund 1300 EU-Messstellen in Nordrhein-Westfalen hat über einen langen Zeitraum gezeigt, dass die Nitratbelastung inzwischen um rund die Hälfte zurückgegangen ist. Im jüngsten Bericht von Landwirtschaftsminister Remmel aber werden nur noch 600 Messstellen ausgewertet, die allesamt nicht so sehr in die Tiefe gehen, sondern weitgehend an der Oberfläche bleiben.

Warum nimmt der Minister nur noch gut die Hälfte der Messstellen?

Paaßen Nach meinen Informationen werden nur die Stellen langfristig beprobt, die den Grenzwert überschreiten. Die andern werden nur sporadisch aber nicht regelmäßig untersucht. Das schlägt sich dann natürlich im Bericht nieder, der die Situation kritischer spiegelt, als sie in Wirklichkeit ist. Vielleicht ist das ja auch eine Erklärung dafür, dass die höchsten Werte im Rhein-Neuss-Kreis und im Nettetal gemessen worden sind, obwohl es da kaum Viehhaltung gibt. Das wirft jedenfalls viele Fragen auf.

Aufklärung ist nicht leicht, wenn Emotionen im Spiel sind.

Paassen In der Debatte bleibt zu oft die Sachlichkeit auf der Strecke. Vielleicht kommt's zu einem Wahrnehmungsproblem, wenn im Frühjahr aus guten Gründen viele Landwirte Gülle fahren. Das bleibt naturgemäß nicht unbemerkt und stinkt einigen. Da muss man möglicherweise noch mehr das Gespräch mit Anwohnern suchen. Wir tun jedenfalls alles, um die Düngung für alle so verträglich wie möglich zu machen. In der Vergangenheit ist schon einiges erreicht worden.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE RP-REDAKTEUR BERNFRIED PAUS

(RP)
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