Guido Lohmann "Griechenland ist ein Fass ohne Boden"

Xanten · Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Niederrhein hält den Grexit, den Abschied Griechenlands aus dem Euro, weiterhin für den einzig richtigen Weg. Er befürchtet jedoch, dass die Politik weiterhin nicht zu verantwortungsvollen Entscheidungen bereit ist.

 Volksbank-Chef Guido Lohmann bezeichnet den Abschied Griechenlands aus dem Euro als einzigen möglichen Weg.

Volksbank-Chef Guido Lohmann bezeichnet den Abschied Griechenlands aus dem Euro als einzigen möglichen Weg.

Foto: Volksbank

ALPEN Schon in der ersten Phase der Eurokrise hat Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein, in klaren Worten gewarnt und den Abschied von Griechenland aus dem Euro als einzigen möglichen Weg bezeichnet. Angesichts der neuen Entwicklung nach dem Regierungswechsel in Athen fragte unsere Zeitung ihn nach seiner aktuellen Einschätzung.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

GUIDO LOHMANN In vielen persönlichen Gesprächen stelle ich eine immer deutlichere Unzufriedenheit mit der Europolitik fest. Die Bürger sind zurecht nicht mehr bereit, in das Fass ohne Boden namens Griechenland weitere Steuergelder zu investieren. Die Griechen haben sich vor Jahren die Teilnahme am Euro durch Bilanzfälschungen erschlichen. Würde ein Unternehmer in Deutschland so etwas machen, würde er wegen Bilanzbetruges und Krediterschleichung empfindlich bestraft werden. In der Politik bleibt so etwas folgenlos. Wenn dann noch die aktuelle griechische Regierung aggressiv und mit regelrecht unverschämten Forderungen nach weiteren Krediten auftritt, fehlt dem Steuerzahler jegliches Verständnis. Das Rechtsempfinden der Menschen steht mittlerweile in einem riesigen Gegensatz zum Handeln der Politik bzw. der EZB. Aus dieser Ohnmacht resultiert für mich auch die immer weiter nachlassende Identifikation der Bürger mit Politik. Schauen Sie sich nur mal die Wahlbeteiligung Sonntag in Hamburg an. Gerade mal jeder zweite Wahlberechtigte ist noch zur Urne gegangen.

Was muss geschehen?

LOHMANN Ich habe bereits 2010 den zumindest vorübergehenden Austritt Griechenlands aus dem Euro gefordert. Damals lag das Rettungspaket noch bei rund 50 Milliarden Euro, heute stehen schon 250 Milliarden Euro im Feuer. Die Griechen haben diese Unterstützung nicht zu einem konsequenten Reformkurs genutzt, sondern weiterhin unverblümt mehr Geld ausgegeben als sie eingenommen haben. Griechenland ist seit Jahren pleite und nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Jede Kreditierung seit 2010 kommt einer Insolvenzverschleppung gleich. Würden wir so etwas als Bank machen, müssten wir - zurecht - mit einer Strafverfolgung rechnen.

Die Griechen heben ihr Geld ab und scheinen also doch den Grexit zu fürchten?

LOHMANN Ja, derzeit transferieren die reichen Griechen, und davon gibt es mehr als viele vermuten, ihre Gelder aus dem Land. Vornehmlich nach Deutschland in den sicheren Anlagehafen. Zudem heben seit Dezember mehr und mehr griechische Kleinsparer ihr Geld von den Sparkonten ab. Da sie es nicht ins Ausland bringen können, horten Sie es quasi unter dem Kopfkissen. Insgesamt bringt dieser Kapitalabfluss die griechischen Banken in erhebliche Liquiditätsengpässe. Von alleine können Sie diesen nicht mehr standhalten. Entweder bekommen Sie weitere Notkredite oder Griechenland tritt aus dem Euro aus. Eine dritte Lösungsmöglichkeit sehe ich nicht.

Wie würde denn ein Grexit durchgeführt werden?

LOHMANN Die Griechen führen über Nacht sofort die Drachme wieder ein und schließen parallel für einige Zeit alle Banken und führen wie 2012 Zypern Kapitalverkehrskontrollen ein. Die Drachme würde natürlich gegenüber dem Euro sehr stark abwerten. Daher würden Importe sehr viel teurer. Exporte und auch alle Tourismusangebote, würden dagegen schlagartig deutlich günstiger als heute angeboten werden können. Griechenland würde zwangsläufig vermehrt auf eigene Agrarprodukte zurückgreifen, was eine deutliche Erhöhung der Beschäftigung nach sich ziehen würde. Ebenso würden die reichen Griechen mangels Alternativen vermehrt im eigenen Land investieren, so dass auch die Bauindustrie anziehen dürfte. Klar ist aber, dass für eine relativ überschaubare Zeit von 2-3 Jahren der allgemeine Lebensstandard in Griechenland deutlich sinken würde. Umso mehr würde danach die Wettbewerbsfähigkeit des Landes anziehen.

Was heißt das für Deutschland, die Region und die Volksbank?

LOHMANN Der Steuerzahler verliert einen Großteil der Kreditforderungen Deutschlands gegenüber Griechenland, weil sie abgeschrieben werden müssten. Da das für mich aber so oder so notwendig ist, da sehe ich keine wirkliche weitere Verschlechterung der Gesamtsituation. Die deutsche Wirtschaft wird so gut wie gar nicht vom Grexit beeinträchtigt werden. Dafür ist Griechenland als Wirtschaftsfaktor zu unbedeutend. Daher würde auch die Wirtschaft am Niederrhein nicht spürbar beeinträchtigt werden. Da die Volksbank keine Griechenlandanleihen hält, wären auch wir nicht direkt betroffen. Eine mittelbare Folge dürfte sein, dass das Zinsniveau weiterhin so niedrig bleibt wie derzeit oder sogar noch weiter absinken würde.

Gibt es jetzt einen Grexit?

LOHMANN Er käme fünf Jahre zu spät, wäre aber absolut richtig. Ich befürchte jedoch, die Politik wird weiter vor sich hin wursteln und von einer Wahl zur nächsten und einem Kredit zum nächsten denken. Das wäre absolut verantwortungslos in meinen Augen. Leider sehe ich auf europäischer Ebene zu wenige mutige und charismatische Entscheidungsträger, die visionär und begeisternd einen klaren Kurs vorgeben könnten. Irgendwann wird das Desaster so groß sein, dass es zu einem Austritt Griechenlands und vielleicht weiteren Turbulenzen kommen wird.

DIRK MÖWIUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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