Rheinberg Harmonie singt jetzt ganz ohne Männer

Rheinberg · Weil nur noch drei Männerstimmen übrig waren und sich einfach kein Nachwuchs gefunden hat, hat sich der Chor entschieden, nur noch ein reiner Frauen-Chor zu sein. Der nimmt jetzt auch Pop-Musik in sein Repertoire auf.

 Harmonie mit rotem Schal: Dirigent und Organist Michael Wulf-Schnieders (am Piano) bleibt dem Chor erhalten. Mit "Struppi" Struberg (rechts) hat er sich einen Mann an seine Seite geholt, der weiß, wie man singenden Formationen neues Leben einhaucht.

Harmonie mit rotem Schal: Dirigent und Organist Michael Wulf-Schnieders (am Piano) bleibt dem Chor erhalten. Mit "Struppi" Struberg (rechts) hat er sich einen Mann an seine Seite geholt, der weiß, wie man singenden Formationen neues Leben einhaucht.

Foto: Armin Fischer

Christel Malorny singt für ihr Leben gern. Immer und überall, beim Staubsaugen, unter der Dusche - und seit ihrem 18. Lebensjahr im Chor "Harmonie" Rheinberg, als dessen Vorsitzende sie in der Jahreshauptversammlung Anfang Januar bestätigt wurde. Einer Versammlung, bei der die drei letzten noch verbliebenen Männer im Alter zwischen 27 und 56 Jahre ihren Hut nahmen, die in dem ehemals reinen und seit 1969 gemischten Chor ihre Stimme erhoben. Freiwillig, aber schweren Herzens machten sie den Weg frei für einen reinen Frauenchor, der sich jetzt ganz neu aufstellen und manche alten Zöpfe abschneiden muss. Nur zwei Zöpfe wollen die Frauen mitnehmen in ihre neue Ära: Den Namen "Harmonie" und den Dirigenten und Organisten Michael Wulf-Schnieders, der die Chorgemeinschaft seit fast zehn Jahren leitet.

Man habe sich umstrukturieren müssen, weil für einen gemischten Chor Männerstimmen fehlten, so Christel Malorny und Schriftführerin Hildegard Hense, die 1993 zur "Harmonie" kam und die, seit sie 17 Jahre alt ist, auch im Kammerchor Moers singt. Beide hätten irgendwie "nie gedacht, dass mal die Männer weg sein würden".

Ein schleichender Prozess sei es gewesen, immer mehr Sänger hätten sich aus Alters- oder Krankheitsgründen abgemeldet. Vor einem halben Jahr gab es nur noch acht, zum Schluss gerade mal drei Männer. "Wir haben Flyer gedruckt, Aktionen bei Festen gemacht: Alles hat nichts geholfen. Wir haben keine Männer gefunden, die bei uns mitsingen und manchmal wirklich schwierige Parts singen müssen", so Christel Malorny. Dass Männerstimmen fehlten, sei aber ein generelles Problem von Chören.

22 Frauen zwischen 52 und 80 Jahren singen bei der "Harmonie", Rosemarie Beelitz (77) und Inge Leibold sind seit 1969 dabei, die älteste Sängerin ist Elisabeth Machill mit 80 Jahren. Frauen, die nicht zurückblicken wollen, sondern nach vorne schauen. Und das heißt auch, dass eine neue Musikrichtung her muss.

Der Chor, der immer schon ein breites Spektrum abgedeckt hat (Gospel, weltliche Schlager, Volkslieder, Musicals, Operetten, Messen), geht jetzt in die Moderne, Richtung Pop und anspruchsvolle Unterhaltungsmusik - "eine Marktlücke", die der Dirigent entdeckte, als er den Chor-Markt abgegrast hat.

Jetzt müssen die Stimmen neu sortiert werden, auf Sopran abonnierte Sängerinnen vielleicht in den Alt wechseln und umgekehrt. Um genau das herauszufiltern, hat sich Wulf-Schnieders jetzt zur ersten Probe des neuen Chores "Harmonie" - er trifft sich jeden Donnerstag von 20 bis 21.30 Uhr im Haus der Generationen an der Grote Gert - einen Mann an die Seite geholt, der sich auskennt und diverse Chöre leitet: "Struppi" (Hans-Heinrich) Struberg. Demnächst wollen die Sängerinnen auch mit Lie Bruns eine Stimmbildnerin aus Wittlar zum Workshop nach Rheinberg holen.

Sie hat übrigens mit Uli Führe zusammengearbeitet, der die so genannten "Eingangsbücher" erstellt hat, mit denen auch Dirigent Wulf-Schnieders in seinem neuen Chor arbeitet. Ein Notenwerk, das Titel wie das legendäre "Halleluja" von Leonard Cohen, Helene Fischers' "Atemlos", diverse Abba-Songs, "Auf uns" von Andreas Bourani oder von Monty Python "Always look on the bright side of life" enthält.

Am Sonntag, 23. April, wollen die Frauen im Seniorenheim St. Thekla testen, ob ihr Repertoire ankommt. Am 10. September geben sie im Raum der Stille im Konvikt ihr erstes öffentliches Konzert als Chor "Harmonie". "Wir sind weder pleite noch haben wir keine Lust mehr. Wir sind noch da - halt nur nicht mehr mit Männern", räumt die Vorsitzende in der brodelnden Gerüchteküche auf.

Übrigens: Neue Frauen braucht der Chor. Wer Lust hat, im Chor "Harmonie" mitzusingen, kann sich bei Christel Malorny melden. Per Telefon (0176 61228914) oder auch per E-Mail an vorstand@harmonie-rheinberg.de.

(jas)
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