Rheinberg Kabarett alter Schule mit "Ensemble Lichtwechsel"

Rheinberg · Große Kabarett-Ensembles wie die Münchner Lach- und Schließgesellschaft sind selten geworden. Vor allem aus Kostengründen geht der Trend zur Einmannshow. Die Siebener-Truppe, die am Samstag im Bürgerhaus Budberg Originelles mit Musik zum Besten gab wie einst das Team um Dieter Hildebrandt, nennt sich "Ensemble Lichtwechsel". Die rund hundert Zuschauer im ausverkauften Saal waren begeistert.

Wäre nicht Dorothee Schepers Mitglied dieser Kabarett-Crew, hätte die es wohl kaum jemals nach Budberg verschlagen. Dorothee ist nicht nur in Budberg aufgewachsen - ihr Vater zählt auch zu den Aktiven des Vereins, der ehrenamtlich das Bürgerhaus betreibt. Die sieben munteren Kabarettisten sind ebenfalls als Amateure unterwegs. Ihre Brötchen verdienen sie als Lehrer, Pfarrer, Psychologen, Sozialpädagogen oder Musiktherapeuten. Ihre manchmal tiefgründigen Texte befassen sich denn auch vor allem mit dem, was sie in ihren Jobs tagtäglich erleben.

Schon beim Einstieg ins Programm springt der Funke über. Die Budberger quittieren mit viel Applaus, als die Truppe ihnen mitteilt, dass sie sich gefälligst woanders amüsieren sollen, man sei sich selbst genug. Dann folgt der Song, der das Motto verkündet: "Lichtwechsel - denn nichts ist, wie es scheint. Kaum haben wir den Durchblick - da wechselt schon das Licht". Den Dingen augenzwinkernd auf den Grund gehen - darum geht es dem Ensemble, das bereits seit 1994 auf der Bühne steht und in Wuppertal eine feste Aufführungsstätte hat. Sie alle sind stimmsicher bis -gewaltig. Letzteres spürt man vor allem, wenn sie zum Schluss noch einmal ihr Motto-Lied variieren, als Opern-Arie zunächst und dann als Rap. Die überzeugenden Kompositionen und Arrangements gehen auf das Konto der Musiktherapeutin Cornelia Hessenberg. Sie sorgt auch für die Klavierbegleitung. Die Texte dagegen werden in Teamarbeit entwickelt. Bei jedem Auftritt werden einzelne Sketche durch neue ersetzt, und auch die Budberger kommen in den Genuss einer neuen Szene, in der das sich immer mehr durchsetzende Duzen aufs Korn genommen wird. Jungen Leuten, die jedoch im Publikum die Ausnahme bildeten, wäre der Sketch wohl eher altbacken erschienen, ist doch sogar in großen Konzernen das allgemeine Du inzwischen selbstverständlich. Zwei besonders überzeugende Sketche tauchen in den Schulalltag ein. Die sieben nehmen zunächst den Hang aufs Korn, Erziehungsprobleme mit Medikamenten zu lösen. "Erzieholan" heißt das Spray, das von Apathie bis Aufmüpfigkeit einfach alles kuriert. Besonderen Szenenapplaus erntet die Truppe, als sie das Publikum an das "Dieter-Bohlen-Integrationsgesamtgymnasium" führt, in dem Dorothee Schepers als gestrenge Sekretärin namens Sauermerkel die hohe Kunst des Eltern-Abwimmelns vorführt. Nach Pflegenotstand und Flüchtlingskrise der Höhepunkt des Abends - der Beitrag zum Lutherjahr. Die Truppe nimmt die Zuschauer mit in eine Ratssitzung, in der Elisabeth von einer Wanderung von Eisleben nach Wittenberg berichtet, auf der sie sich an einem Kästchen stieß. Darin fand sich ein Fußnagel aus dem 16. Jahrhundert. Im Traum, wo sonst, dann der entscheidende Hinweis - der Fußnagel stammt von Luther. Sofort ist den Politikern klar, was die Stunde geschlagen hat: Endlich eine eigene Reliquie. Auch der Devotionalienhandel soll blühen. Der Kontakt zu Ninas Nagelstudio ist bereits hergestellt...

(evka)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort