Alpen Landwirte wollen dem Kiebitz helfen

Alpen · Kreis Wesel und Biostation haben unter den Windrädern in Veen "Insellösungen" zum Schutz der Feldvögel vorgestellt.

Treffen unterm Windrad (v.r.) Wilhelm Neu, Alfred Holland, Bernd Finke, Thomas Traill, Heinz van Beek und Dieter Dames.

Treffen unterm Windrad (v.r.) Wilhelm Neu, Alfred Holland, Bernd Finke, Thomas Traill, Heinz van Beek und Dieter Dames.

Foto: bp

"Kiju-wit" - zwei raue Silben vom Himmel übertönen das Kolloquium am Boden. Die Blicke gehen hoch, wo der Sender der Laute mit locker gemächlichem, bisweilen akrobatischem Flügelschlag in die Ferne abdreht. Das glänzend dunkle Federkleid, die paddelförmigen Schwingen und der schwarz-weiße Bauch lassen keine Zweifel. Der Kiebitz ist auf der Balz. Der aus dem Süden heimgekehrte Frühlingsbote fühlt sich sauwohl im Schatten der drei Veener Windriesen an der Dickstraße, wo Bernd Finke, Biologe bei der Unteren Landschaftsbehörde Kreis Wesel, und Thomas Traill von der Biologischen Station mit Landwirten das frisch aufgelegte Schutzprogramm für vom Aussterben bedrohte Feldvögel erörtern.

Der markante Haubenkopf gilt als Sympathieträger für die Gattung der Bodenbrüter, die auf Äckern brüten und deren Gelege leicht unter die mächtigen Räder gelangen, wenn der Bauer im Märzen seine Felder bestellt. Wenn's dem Kiebitz gut geht, gilt das auch für die Feldlerche oder die Schafstelze. Doch weit größere Gefahr droht in der Nacht von Reinecke Fuchs und tagsüber aus der Luft von der räuberischen Saatkrähe, sagen die Landwirte.

Die Zeit drängt. Spätestens Anfang April beginnt der Kiebitz zu brüten. Gern auf noch unbestellten Mais- oder Rübenäckern. Der Raum Veen gilt im Kreis Wesel als sein bevorzugter Aufenthaltsort. Daher hat Bernd Finke unter die Windräder geladen, um das zunächst für ein Jahr aufgelegte Landesprogramm zum Schutz der Feldvögel vorzustellen, das mit den Landwirtschaftsverbänden abgestimmt worden ist.

Ziel der Naturschützer ist es, im Schulterschluss mit den Landwirten den landesweit stark dezimierten Bestand an Feldvögeln wieder auf einen verträglichen Stand zu bringen. Noch vor acht Jahren habe es der Kiebitz in Nordrhein-Westfalen auf rund 20.000 Brutpaare gebracht. Die Zahl habe sich inzwischen halbiert. Die Intensivierung der Landwirtschaft, so Traill, und die veränderten Landschaftsstrukturen seien Gründe für den signifikanten Rückgang. Vor allem Jungvögel litten unter dem geringen Nahrungsangebot aufgrund eines eklatanten Mangels an Insekten. Aber weil brütende Kiebitze von den feuchten Wiesen auf oft ungeschützte, offene Äcker ausgewichen seien, drohen die größten Gefahren von der Natur selbst.

Die Bauern, so Kreislandwirt Wilhelm Neu, seien weiter bereit, ihren Beitrag zu leisten, das Brutgeschäft der Kiebitze zu erleichtern, um die Verluste so gering wie möglich zu halten. Grundlage einer gedeihlichen Kooperation müsse aber "die Freiwilligkeit" sein. Das sieht auch das Landesprogramm vor. Landwirte, die daran teilnehmen möchten, müssen sich vertraglich verpflichten, die Bewirtschaftung von Teilflächen von 0,5 bis zwei Hektar , auf denen mindestens drei Brutpaare ausgemacht worden sind, ruhen zu lassen. Das wird mit bis zu 1437 Euro pro Hektar entschädigt. Bislang habe im Kreis Wesel ein Landwirt in Hamminkeln-Dingden einen Vertrag unterzeichnet, so Finke. Aber das Programm sei auch gerade erst angelaufen. "Die Vertragsvordrucke sind noch druckfrisch", so Finke.

Auch ohne Vertrag geht's. "Insellösungen" versprechen ein verträgliches Nebeneinader von Natur und Landbau. Bauern, die Kiebitz-Gelege entdecken, werden gebeten, diese fünf Meter vor und hinterm Nest mit Bambusstangen, die oben möglichst farbig sein sollen, zu markieren. So könnten die Gelege bei der Feldbearbeitung leicht ausgespart werden. "Die Stangen dürfen nur fingerdick sein", so Traill, "so dass sie sich nicht als Startrampen für Zugriffsvögel anbieten."

Da greifen die erfahrenen Landwirte vor Ort ein. "Krähen sind das Hauptübel", sagt Alpens Ortslandwirt Alfred Holland. Der muss genau so wenig wie seine Berufskollegen unter den Windriesen nicht erst für den Kiebitz-Schutz gewonnen werden. "Mir hat mein Vater schon von Kindesbeinen an beigebracht, bei der Feldarbeit auf Kiebitz-Gelege zu achten", so Holland. Wie Senior-Landwirt Heinz van Beek und Anwohner Dieter Dames ist aber der Ortslandwirt skeptisch gegenüber allen bürokratischen Versuchen, die Natur zu schützen. "Es geht nur im Miteinander. Sprechen Sie uns direkt an, das funktioniert am besten", plädiert Alt-Bauer van Beek für Pragmatismus. Die Landwirte hätten ein Herz und eine Auge für den Feldvogel, sagt van Beek und schaut hoch in den fast wolkenlosen blauen Himmel, wo wie ein nervöser dunkler Punkt eine Feldlerche auszumachen ist. "Kinder sind immer ganz fasziniert, wenn ich ihnen zeige, wie die plötzlich im Sturzflug zur Erde sausen."

Alfred Holland berichtet davon, dass schon ein Spaten reicht, ein Kibitz-Nest so zu verlegen, dass es nicht mehr im Weg liegt. Nur einen Meter weit entfernt, das störe Vogeleltern nicht. Sie brüten weiter. Der Mann von der Bio-Station bestätigt das. Nur in Fahrspuren sollte man das Nest nicht setzen. Klar. Die werden später von der Feldspritze genutzt. Und dann erzählt der Alt-Bauer anschaulich, wie er unter den Windriesen die Feldarbeit mit Mutter Natur erlebt. Beim Pflügen sei er immer wieder vom Trecker abgestiegen, um Kiebitz-Küken mit den Händen aus der tiefen Furche herauszuholen, während ihre Eltern die Kleinen beim Würmerpicken aus den Augen verloren hatten. www.kreis-wesel.de/de/themen/kiebitz-und-feldvogelschutz/

(RP)
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