Rheinberg Lebensgefühl am Annaberg getrübt

Rheinberg · Hans-Jürgen Dion (62) ist in Rheinberg aufgewachsen und lebt seit elf Jahren an der Nikolaus-Palm-Straße. Bei seinen Spaziergängen beschleicht ihn ein komisches Gefühl: "Es hat sich so viel verändert."

 Der Annaberg sei nicht mehr so wohlig wie früher, findet Hans-Jürgen Dion - hier mit seinem Hund Linus.

Der Annaberg sei nicht mehr so wohlig wie früher, findet Hans-Jürgen Dion - hier mit seinem Hund Linus.

Foto: Armin Fischer

Hans-Jürgen Dion ist 62 Jahre alt, schon lange mit seiner Frau Marina verheiratet, hat eine 33-jährige Tochter, zwei Hunde und ist im beruflichen Vorruhestand. Und er ist Rheinberger. Annaberger, um genau zu sein. Er ist weder Mitglied einer Partei, kein Vereinsmeier und möchte sich auch nicht in den Vordergrund spielen. Dass seine Gedanken den Weg in diese Zeitung gefunden haben, ist einem Zufall geschuldet.

Vor ein paar Wochen erkundigte sich Hans-Jürgen Dion in der Redaktion danach, warum am Annaberg die Straßenbeleuchtung ausgefallen ist. In dem Gespräch entlud sich viel Frust - Frust darüber, wie sich der Stadtteil Annaberg entwickelt hat. Zu seinem Nachteil meint Hans-Jürgen Dion. Eine Befindlichkeit, die hier dargestellt werden soll.

Dion ist in Rheinberg aufgewachsen. Mit Eltern und zwei Geschwistern lebte er zunächst an der Binnefeldstraße. Der Vater arbeitete anfangs im Bergbau, später als Polizist. "Damals war Rheinberg noch ein Dorf, ein verschlafenes Städtchen im positiven Sinne", so der Mann, der in der Verwaltung des Evangelischen Kirchenkreises Moers arbeitete. "Ich habe mich in Rheinberg immer geborgen gefühlt, bin immer gerne hierher zurückgekommen." Gerne denkt er an die Kirmes vorm heutigen Penny-Markt zurück, der Geruch von Underberg - "das ist für mich Heimat". Dions Eltern haben später lange an der Schützenstraße gelebt, während er - mal für sieben Jahre in Kindertagen, später für 20 Jahre mit seiner Familie - nach Kamp-Linfort "auswanderte". Seit 2006 lebt er mit seiner Frau an der Nikolaus-Palm-Straße. Er fühlt sich dort grundsätzlich wohl.

"Es hat sich aber viel verändert", sagt er. Aus dem Heimtextilwerk Reichel sei die Messe Niederrhein geworden, durch die Fortführung der Autobahn 57 habe sich der Verkehrslärm verstärkt, viele Geschäfte etwa an der Römerstraße seien verschwunden, aus der Gaststätte Tersteegen wurde eine Pizzeria.

Der grundlegende Frust sei Folge des zunehmenden Verkehrs auf der Römer- und Bahnhofstraße. Wenn man Richtung Kamp-Lintfort oder auf die Autobahn fahren wolle, brauche man ewig. Dion: "Das liegt sicher größtenteils am enormen Lkw-Aufkommen. Abends, wenn das Viertel zur Ruhe kommt, und natürlich auch nachts, kann man bei ,günstigen' Windlagen das Rauschen der Autos auf der A 57 deutlich hören. Ein Fenster kann man dann nicht offenlassen."

Was ihn an seinem Stadtteil störe, sei der Bürgersteig auf der Römerstraße, der für Fußgänger und Radfahrer zugelassen sei. Leider seien nicht alle Radler freundlich - "manche rasen in einem atemberaubenden Tempo, bremsen auch nicht ab und erwarten, dass man als Fußgänger sofort Platz macht. Warum eigentlich? Haben Radfahrer grundsätzlich immer Vorfahrt? Einige fahren oft auch bei Dunkelheit ohne Licht". Das "Lebensgefühl" stimme nicht mehr am Annaberg, die Verhältnisse böten gefühlt keine gute Lebensqualität.

Auf der anderen Seite müsse er zugestehen, dass es Treffpunkte wie das Haus der Generationen gebe. Das werde gut angenommen. Auch Angebote wie das Repair-Café im Pfarrheim St. Anna seien lobenswert. "Unterm Strich ist meine Stimmung aber eher wehmütig, wenn ich mit meiner Frau und den Hunden unterwegs bin", unterstreicht Hans-Jürgen Dion.

Ein Gefühl, das auch seine Eltern beschlich. "Sie wohnten mehr als 40 Jahre lang an der Schützenstraße am Annaberg, bevor sie im Alter von über 83 Jahren in den Spessart gezogen sind. Sie fühlten sich in ihrem Stadtteil nicht mehr wohl. Abgesehen vom Bäcker, Friseur, Sparkasse, Apotheke und Arztpraxen war und ist das Angebot für Senioren nicht so besonders."

(up)
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