Alpen Lebenslange Liebe für die Landtechnik

Alpen · Gottfried Giesen (59), Chef-Entwickler beim Alpener Pflugspezialisten Lemken, wird heute nach mehr als 33 Jahren im Betrieb in verabschiedet. Mit Schleppern hat alles angefangen. Die Oldies ziehen ihn nun versöhnlich in den Ruhestand.

 Entwicklung war für Gottfried Giesen immer Team-Arbeit. Der letzte Erfolg liegt noch nicht weit zurück. Die Einzelkorndrille Azurit 9 ist auf der Messe Agritechnica in Hannover zur Maschine des Jahres 2018 gekürt worden.

Entwicklung war für Gottfried Giesen immer Team-Arbeit. Der letzte Erfolg liegt noch nicht weit zurück. Die Einzelkorndrille Azurit 9 ist auf der Messe Agritechnica in Hannover zur Maschine des Jahres 2018 gekürt worden.

Foto: Armin Fischer

Traktoren haben in beruflich in die Spur gesetzt, sie ebnen ihm nun den Weg in den Ruhestand. Dazwischen liegen 33 Jahre ohne PS-starken Motorantrieb. Aber Landtechnik war immer. Heute wird Gottfried Giesen (59), Cheftechniker bei Lemken, weltweit agierender Hersteller für Ackergeräte, feierlich in den Ruhestand verabschiedet - von einem Unternehmen, das er in den gut drei Jahrzehnten entscheidend geprägt, das aber auch ihn geformt hat. Da ist es es das i-Tüpfelchen, dass er mit seiner Frau Marlene seit drei Jahren nur einen Steinwurf entfernt vom Betrieb wohnt - am Lemkenweg.

Die Faszination für Landtechnik ist ihm in die Wiege gelegt worden. Er ist als einer von fünf Jungs auf dem Wiedenberghof, ein Milchviehbetrieb, am Reitweg in Rheinkamp-Bornheim ("Rheinberg 4") aufgewachsen. "Seit ich fünf war und die Kupplung treten konnte, bin ich Trecker gefahren", erzählt der 59-Jährige. In jeder freien Minute habe er im Traktor-Cockpit gesessen - nicht zum reinen Vergnügen. "Immer auf dem Acker", so Giesen.

So stand für ihn lange vorm Abitur am Gymnasium Rheinkamp fest, dass er an der Fachhochschule in Köln Landtechnik studieren "muss". Sein Beruf war Berufung. Wer seinen Redefluss erlebt, wenn's um hochkomplexe Ackergeräte geht, weiß, dass das keine Floskel ist. Gottfried Giesen hat für seine Aufgabe gebrannt. Und das Feuer lodert weiter, da darf man sicher sein. Drei Traktoren stehen im Schuppen - zwei "Youngtimer" und ein Oldie, der noch restauriert werden muss. Die seien als noch sichtbare Schlepper der Motivwagen damals der Grund gewesen, sich als Junge die Rosenmontagszüge in Köln im Fernseher anzuschauen.

Seine um die 150 PS starken Alt-Maschinen ziehen mit Leichtigkeit zurück in die Anfänge der beachtlichen Karriere des Jungen vom Bauernhof. Schon während er an seiner Diplomarbeit schrieb - "Steinsicherung an Scharpflügen" - hat er sich bei International Harvester (IH), einem namhaften Hersteller von Ackerschleppern im Neusser Hafen, beworben. Und hat mit 22 Jahren den Job auf Anhieb bekommen und fortan Getriebe konstruiert. "Es war die erste und einzige Bewerbung, die ich je geschrieben hab'" , sagt Giesen nicht ohne Stolz. Fortan ist er stets geholt worden. Zunächst zu KHD in Köln, wenige Jahre später zu Lemken. In Alpen hat man sich daran erinnert, dass er vorher mal angeklopft hatte. Der heutige Senior-Chef Viktor Lemken hatte dem jungen Ingenieur geraten "in der Großindustrie Erfahrung zu sammeln".

Dann kam die Einladung zum Vorstellungsgespräch bei Lemken. Am großen Eichentisch im Besprechungsraum neben der Zentrale stellte ihm sein Vorgänger van Laak die entscheidende Frage: "Zeigt der Oberlenker bei einem vierfurchigen Pflug, vom Traktor aus gesehen, zur gepflügten oder zur ungepflügten Seite?" Seine Antwort war richtig. Giesen wurde Konstrukteur bei Lemken, stieg sieben Jahre später zum Bereichsleiter Entwicklung mit Generalprokura auf - war Teil der Geschäftsführung des sich rasant entwickelnden Unternehmens.

Damals zählte der Familienbetrieb 400 Mitarbeiter, davon zehn Techniker - jährlicher Umsatz 58 Millionen D-Mark. Heute machen 1400 Beschäftigte 360 Millionen Euro Umsatz. Heute sind mehr als 100 Entwickler in der 2015 bezogenen hochmodernen Denkfabrik damit beschäftigt, Ackergerätschaften für die digitale Zukunft aufs Feld zu bringen. Sein Lebenswerk sei das Gebäude aus Glas, Beton und Stahl nicht, wehrt der scheidende Chef-Entwickler ab. Für ihn war stets das Team Herz des Erfolges, der "nie Resultat einer Einzelleistung" sei.

Die Landtechnik 4.0 will Giesen "jungen Leuten überlassen - weil die die Anwendung noch erleben". So hat sich vor zwei Jahren "aus freien Stücken" entschieden, mit 59 auszusteigen. Seine Maxime lässt er zurück: "Entscheidend ist auf 'm Acker." Das gelte auch dann noch, wenn der Landbau vom Smartphone aus gesteuert wird. Den Weg der Landtechnik wird Gottfried Giesen weiter verfolgen - mit leidenschaftlichem Interesse. Den Lemken-Weg will er nicht verlassen, so lange er die Kupplung noch treten kann.

(bp)
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