Unbeschrankter Bahnübergang Tödlicher Zugunfall in Alpen — wie eine Schule trauert

Nach dem tödlichen Unfall eines 15-Jährigen an einem unbeschrankten Bahnübergang hat am Donnerstag in der Sekundarschule Alpen kein Unterricht stattgefunden. Viele Schüler kamen trotzdem – um zu trauern und um in der Gemeinschaft das Unfassbare irgendwie begreifen zu können.

Nach dem tödlichen Unfall eines 15-Jährigen an einem unbeschrankten Bahnübergang hat am Donnerstag in der Sekundarschule Alpen kein Unterricht stattgefunden. Viele Schüler kamen trotzdem — um zu trauern und um in der Gemeinschaft das Unfassbare irgendwie begreifen zu können.

Alles genau so wie tags zuvor, als die Zwillingsbrüder aus Rheinberg auf dem Nachhauseweg dort entlang fahren. Mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, dass es am Mittwoch zur Katastrophe kommt, einer der beiden 15-Jährigen sein junges Leben verliert und der andere einen schweren Schock erleidet.

15-Jähriger stirbt bei Zugunfall in Alpen
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15-Jähriger stirbt bei Zugunfall in Alpen

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Foto: Reichwein

Fassungslosigkeit, Entsetzen, Trauer, Wut — niemanden hat die Nachricht, die sich verbreitet wie ein Lauffeuer, kalt gelassen. An der Sekundarschule Alpen herrscht am Donnerstag der Ausnahmezustand. Der Unterricht fällt aus, aber viele kommen trotzdem an die Fürst-Bentheim-Straße. Das komplette Kollegium, Schüler, auch Eltern. Sie alle haben das Bedürfnis zu trauern, mit ihren Gefühlen nicht allein zu bleiben. In der Gemeinschaft lässt sich der Schmerz besser ertragen.

"Uns erreichte die schreckliche Nachricht in einer Besprechung, an der auch die Elternpflegschaftsvorsitzende teilnahm", erzählt ein sichtlich betroffener Tilman Latzel. Der Schulleiter kennt die Zwillingsbrüder, die zwei verschiedene neunte Klassen besuchen. Sofort war klar: Unterricht könne man am Tag danach nicht machen. "Das wäre undenkbar gewesen", unterstreicht auch Rektorin Claudia Kühn.

Schon kurz nach dem Unfall sei ein Mitschüler des verunglückten Jungen in die Schule gekommen. "Er erzählte uns, dass sich die Klasse schon ausgetauscht habe und dass man in der Schule trauern möchte", so Latzel.

Ein Kondolenzraum wird eingerichtet

Ein paar Dutzend Jungen und Mädchen sind in der Schule, stehen zusammen, unterhalten sich leise, reichen sich die Hände. Der 15-Jährige ist bekannt, beliebt, begabt. Ein toller Schüler, da gibt es keine zwei Meinungen. In ihrem Klassenraum gedenken die Klassenkameraden ihrem Kumpel, weinen gemeinsam, stellen ein Foto von ihm auf, zünden Kerzen an und bringen Blumen mit. Am heutigen Freitag wird ein Kondolenzraum in der Schule eingerichtet, den alle 420 Schüler nutzen können, um sich von einem Mitschüler zu verabschieden. In einem Buch dürfen sie ihm letzte Zeilen und Gedanken widmen.

Es ist gespenstisch still im Schulgebäude. Jungen wie Mädchen schämen sich nicht ihrer Tränen, die sie vergießen. Viele tragen schwarze Kleidung. Drei Notfallseelsorger und Opferbetreuer, unter ihnen auch Diakon Ludger Funke von der Gemeinde Alpen, stehen zur Verfügung. "Einfach da zu sein, wenn jemand das Bedürfnis hat zu reden, das ist wichtig", sagt Ludger Funke.

Bereits am Morgen gibt es eine Andacht. Direktor Latzel spricht zu den Schülern, versucht, das Unfassbare greifbar zu machen. Das Vater Unser wird gebetet. Man kann eine Stecknadel fallen hören. Kein Getuschel, keine Zwischenbemerkung. Was jetzt zählt, ist Gemeinschaft, dass man füreinander da ist. Und die Leere, die vielen Fragen, das ständige "Warum?" aushalten zu können. Die Schüler gehen erwachsen mit der Trauer um.

Am heutigen Freitag wird wieder Unterricht gemacht in der Sekundarschule Alpen. Ganz vorsichtig und sensibel, verspricht Tilman Latzel. Wer mag, kann an einem Gottesdienst teilnehmen. Der Stuhl des 15-jährigen Jungen aus Millingen bleibt leer. Vergessen werden seine Freunde und Klassenkameraden ihn nicht.

Die Polizei sucht Zeugen des Unfalls. Hinweise bitte an das Verkehrskommissariat Kamp-Lintfort, Telefon: 02842 9340.

(up)
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