Rheinberg Millionen für moderne Reichelsiedlung

Rheinberg · In sieben Jahren haben die Eigentümer der 660 Wohnungen eine Menge getan, ohne die Mieten über Gebühr anzuheben. Das wird sich ab 2020 ändern. Dann läuft die Sozialbindung aus: Vermieter dürfen alle drei Jahre erhöhen.

 In der 60er Jahren ließ Textilunternehmer Herbert Reichel für seine Mitarbeiter Wohnungen bauen. Später verkam die Siedlung zum sozialen Brennpunkt. Die neuen Eigentümer haben Millionen in die Modernisierung gesteckt. Doch nicht alle Probleme sind gelöst. Und 2020 fällt die Sozialbindung weg.

In der 60er Jahren ließ Textilunternehmer Herbert Reichel für seine Mitarbeiter Wohnungen bauen. Später verkam die Siedlung zum sozialen Brennpunkt. Die neuen Eigentümer haben Millionen in die Modernisierung gesteckt. Doch nicht alle Probleme sind gelöst. Und 2020 fällt die Sozialbindung weg.

Foto: Reichwein

Als eine Gruppe von Investoren vor sieben Jahren einen ersten großen Teil der Wohnungen in der ehemaligen Reichelsiedlung kaufte, konnte sich kaum jemand vorstellen, dass sich die Situation dort zum Guten ändern würde. Die ehemaligen Werkswohnungen, die der Textilunternehmer Herbert Reichel überwiegend in den 60er und 70er Jahren für seine Mitarbeiter errichten ließ, waren zwischenzeitlich in den Besitz der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) übergegangen. Die Siedlung verkam, wurde zum sozialen Brennpunkt. Mit "Schöner Wohnen" waren die Zustände kaum zu beschreiben.

Die Investoren legten ein Konzept vor. Nach und nach, so der Plan, sollte der Wohnungsbestand auf Vordermann gebracht werden. Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen. Nach sieben Jahren sind 660 Wohnungen saniert und renoviert, auch das Umfeld ist attraktiver geworden, man erkennt die Reichelsiedlung kaum noch wieder.

223 Wohnungen gehören der Manstein-Gruppe (Ahorn- und Buchenstraße), 64 Einheiten an der Ahornstraße der K+E (Kürsten und Eggesiecker), 130 Wohnungen an Eschen- und Buchenstraße der Aixcellent-Immobilien GmbH & Co. KG, 31 Wohnungen an der Eschenstraße der Gesellschaft B2B und 222 der Rheinberg Immobilienprojekte GmbH an Eschen-, Anna- und Erlenstraße.

 Bianca Terstegen, Verwalterin der Rheinberg Immobilien GmbH

Bianca Terstegen, Verwalterin der Rheinberg Immobilien GmbH

Foto: Uwe Plien

Fast überall sind die Renovierer durchgegangen. Auch bei Barbara Jacob (67), die seit 38 Jahren an der Ahornstraße 2 wohnt. Sie hat ein komplett neues Badezimmer bekommen. Zudem sind die Fassaden neu gestrichen und die Balkone modernisiert worden. Nicht überall wurde im großen Stil investiert. Die Wohnungen an der Erlenstraße 8-14 beispielsweise waren in einem guten Zustand. "Dort ist schon saniert worden, als die LEG noch Eigentümer war", sagt Arnold Bauens, für die Investoren tätiger Projektleiter. In einer der Wohnungen lebt Ingrid Krönung. Die 71-Jährige ist froh, dass sich in der Reichelsiedlung einiges zum Besseren gewendet hat.

Das sieht auch Marietta Klettner so, die mit Mann Jerzy seit 25 Jahren im Haus Ahornstraße 30 lebt. "Wir haben hier fast alles selbst gemacht, zum Beispiel die Wohnung gefliest." Auch an der Gasheizung könne mal was gemacht werden. "Schließlich werden auch Heizkörper älter", so Marietta Klettner. In ihrer Wohnung sei kaum was erneuert worden.

 Projektleiter Arnold Bauens und Anke Sczesny, Leiterin des Quartierbüros

Projektleiter Arnold Bauens und Anke Sczesny, Leiterin des Quartierbüros

Foto: Christoph Reichwein

Gern verweist Bauens auf die 42 Wohnungen an der Buchenstraße 26-30 von der Manstein-Gruppe. Zeitgemäße Dämmung, neue Fenster, Luft-Wärme-Pumpen, Photovoltaik auf dem Dach - "Hier haben wir Kfw70-Standard", so der Projektleiter. "Trotzdem konnten wir die Mieten im Zaum halten." Vor der Sanierung lag die Nettokaltmiete bei 4,40 Euro pro Quadratmeter, nun beträgt sie 5,30 Euro.

Es ist aber keinesfalls so, dass nur hochwertige, topmoderne Wohnungen Abnehmer finden. An der Erlenstraße sind Wohnungen, die noch mit Kohleöfen beheizt werden, zum Teil 78 m2 groß und mit 4,50 bis fünf Euro pro Quadratmeter Miete für finanziell schwächer gestellte Familien ein Segen. Natalie Atik wohnt seit sieben Jahren in einer solchen Wohnung. Zwei Erwachsene, vier Kinder, ein Ofen für alle Räume. "Diese Wohnungen sind schneller zu vermieten als alle anderen", sagt Bianca Terstegen, die den Bestand von Thomas Höder (Rheinberg Immobilienprojekte) verwaltet. 84 Wohnungen mit Kohleöfen gibt es in der Reichelsiedlung. Es gibt keine Pläne, hier nachzurüsten.

Standen vor Jahren noch viele Wohnungen in der Reichelsiedlung leer, so ist "Leerstand" dort längst ein Fremdwort. Das hat auch mit der Flüchtlingswelle zu tun. Etwa 20 Wohnungen sind von Flüchtlingen bewohnt. Besonders gefragt seien kleine Wohnungen für einen oder zwei Bewohner. Aber die sind rar.

Mit den Flüchtlingen kamen auch neue Probleme. Der Müll zum Beispiel. Mit dem Quartierbüro will man das in den Griff kriegen. Dass sich trotz der Millionen für die Sanierung Unzufriedenheit herrscht, zeigte sich bei der Bundestagswahl. Fast 16 Prozent der Wähler, die in der Begegnungsstätte Reichelsiedlung an die Urne gingen, haben ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht.

Ein entscheidendes Jahr für Eigentümer und Mieter wird 2020 sein. Daraus macht Arnold Bauens keinen Hehl: "Dann sind zehn Jahre rum und es fallen 160 Wohnungen aus der Sozialbindung. Die Eigentümer können die Mieten alle drei Jahre um 20 Prozent hoch setzen. Darauf haben die Investoren sehr frühzeitig hingewiesen." Bei Neumietern können die Eigentümer schon jetzt einen Quadratmeterpreis von sechs Euro aufrufen.

Da lauert sozialer Zündstoff.

(up)
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