Rheinberg Özcan Cosar: Warum der Türke so tickt, wie er tickt

Rheinberg · Wenn jemand türkische Wurzeln hat und in Stuttgart aufgewachsen ist, dann darf er genau das tun, was Özcan Cosar jetzt vor einem begeisterten Publikum im Kulturtreff Schwarzer Adler getan hat: Deutsche Befindlichkeiten ebenso unter die Lupe nehmen wie ausplaudern, warum der Türke so tickt, wie er tickt. Und keiner nimmt es ihm übel. Mit vollem Körpereinsatz, unglaublich viel Komik und auf höchst lebendige Art ruckelte der 35-Jährige das zur Zeit ein wenig schiefe interkulturelle Bild zurecht, dass man als Zuschauer aus dem Lachen kaum herauskam. Vallah. Ich schwöre.

Schwarzes T-Shirt mit "Peace"-Aufdruck, schwarze Jeans, blütenweiße Turnschuhe: Wie Özcan Cosar förmlich auf die Bühne flog und geschmeidig loslegte, da war klar: Der Mann hat viele Begabungen. Hat er auch tatsächlich: Gelernte "Zahnarzthelferin" ("Ich war in der Berufsschule der einzige Mann"), Schauspieler, Pantomime, Breakdancer, Kellner, Musiker, Schlitzohr. Und Entertainer, ein genialer Erzähler.

Heute gehe für ihn ein Traum in Erfüllung, begrüßte er sein Publikum. "Mein Vater hat gesagt: Junge, vergiss Las Vegas. Wenn du in Rheinberg auftrittst, hast du es geschafft." Dann schimpfte der Comedian, der im Fernsehen noch nie einen Moslem gesehen hat, der Blumen pflückt, über die im Stechschritt marschierenden "Arrampapams" ("das sind die Schlimmsten, die Ausländer-raus-Brüller") und das soziale Netzwerk ("das ist in Wahrheit eine asoziale Isolation"), erzählte von seiner Beschneidung in Istanbul, dem Türkzorzismus - seiner Teufelsaustreibung im Amt für öffentliche Ordnung, als er die deutsche Staatsbürgerschaft haben wollte. Schon als er noch eine Samenzelle war, sei ihm klar gewesen: Das wird schwer da draußen.

Und er sollte recht behalten: "Ich hatte schon im Kindergarten schlechte Karten." Vergeblich habe er da versucht zu verhindern, dass sein Vater ihn als Türken outet. "Psst, baba, nicht so laut - das muss doch nicht jeder wissen. Kann ich nicht Italiener oder Spanier sein?" Weil: Türke sein, das sei echt nicht einfach: "Machen Sie das mal, zehn Stunden am Bahnhof stehen, die Muskeln stets angespannt", warb der Mann um Verständnis, der in Hausen groß geworden ist, dem "Drecksloch von Stuttgart mit dem Asi-Spielplatz, wo es mehr Kippen als Sand gibt" .

Cok tesekkürler, Özcan-bey, für diesen echt lustigen Abend mit Ihnen. Hoscakalin.

(JAS)
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