Moers Schneiders Frühschicht bei Amazon

Moers · Der Landtagsabgeordnete setzt auf Informationen vor Ort. Nach seinen Tagespraktika in der Dombauhütte und im Seniorenheim begleitet er einen "Picker" im Rheinberger Logistikcenter. Klare Position zum Thema "Taschenrechner".

 Spürbar geschafft: Nach 16 622 Schritten und 13,6 Kilometer in den knapp acht Stunden bei Amazon in Rheinberg weiß René Schneider, was ein "Picker" zu leisten hat.

Spürbar geschafft: Nach 16 622 Schritten und 13,6 Kilometer in den knapp acht Stunden bei Amazon in Rheinberg weiß René Schneider, was ein "Picker" zu leisten hat.

Foto: privat

René Schneider hat ein klares Prinzip: "Lieber die Dinge vor Ort anschauen, als nur theoretisch darüber debattieren". So wollte er auch beim Thema Amazon nicht nur den Stellungnahmen von Gewerkschaften und Arbeitgeber selbst vertrauen. Also machte der SPD-Landtagsabgeordnete eine Frühschicht als "Picker" mit. Zuvor hatte er schon Tagespraktika in der Dombauhütte und im Seniorenheim gemacht.

In seinem Blog berichtet Schneider ausführlich über seinen Einsatz als "Picker". Seine Aufgabe war es, die bestellten Artikel aus den Regalen zu holen. Im Herzstück der Amazon Logistik, im "Pick-Tower", verteilen sich auf drei Ebenen Tausende verschiedener Artikel in den Regalen. Schneider: "Ein wenig erinnert mich das an den Setzkasten aus meiner Kindheit, in dem chaotisch alle möglichen Erinnerungsstücke aufbewahrt wurden. Chaotische Lagerhaltung nennt man denn auch das Prinzip, wonach die Ware willkürlich dort abgelegt wird, wo Platz ist. Nur der Zentralrechner merkt sich danach, wo ich Barbiepuppe, Rasierklinge und Klopapier wiederfinde. Das folgt keinem Prinzip außer dem, dass nur der Computer weiß, was gut für mich ist."

Schneiders Fazit nach 16 622 Schritten und 13,6 Kilometern in den knapp acht Stunden: "Viel ist geschrieben worden vom Erfolgsdruck, dem ein Amazon-Mitarbeiter ausgesetzt ist. Ich erlebe dagegen, dass viele Mitarbeiter ganz entspannt ihrer Arbeit nachgehen, auch mal ein Schwätzchen halten. Für andere ist es eher eine Frage der Ehre, möglichst viele Picks pro Stunde zu machen."

Ein anderes Thema, bei dem auch die Erfahrungen vor Ort halfen: Seit längerem sieht René Schneider die verpflichtende Einführung so genannter grafikfähiger Taschenrechner (GFT) kritisch. Bereits im vergangenen Jahr hatte Schneider an Schulministerin Löhrmann geschrieben, um nähere Erläuterungen zum Sinn und Zweck der bis zu 100 Euro teuren Rechner zu erhalten. Insbesondere die ungeklärte Kostenfrage hatte ihn stutzig gemacht: "Eltern müssen ohnehin viel Geld in Hefte, Bücher und andere Ausstattung stecken. Da sind weitere 100 Euro für viele Familien ein dicker Batzen Geld. Wenn da nicht ein entsprechender Mehrwert hinter steckt, macht die Anschaffung aus meiner Sicht keinen Sinn." Auch die Expertenanhörung habe gezeigt, dass die Anschaffung von GFT für jedes einzelne Kind in keiner Relation zum Nutzen steht. "Ich unterstütze deshalb den Vorschlag, eine Öffnungsklausel vorzusehen, die Schulen die Möglichkeit bietet, Klassensätze anzuschaffen, damit nicht jedes einzelne Kind den teuren Rechner zusätzlich kaufen muss", so Schneider. Außerdem müsse es die Möglichkeit geben, auf Smartphones, Tablet-Computer und Laptops auszuweichen. Diese stünden den meisten Jugendlichen schon jetzt privat zur Verfügung. Das entsprechende Rechenprogramm gebe es teilweise gratis dazu. "Ohnehin wird die Schule der Zukunft darauf setzen, dass die Schüler ihre eigenen Computer mitbringen. In der Gesamtschule Xanten-Sonsbeck funktioniert das schon bestens. Hier kann man es schon jetzt keinem erklären, warum man zusätzlich einen teuren Taschenrechner kaufen soll", berichtet René Schneider von seinen Eindrücken, die er bei einem Besuch in der Xantener Einrichtung gewonnen hat. Nach dem Prinzip "Bring your own device" (Bringe deinen eigenen Rechner mit) beziehen Lehrer aller Fächer private Smartphones, Tablets und PC in ihren Unterricht ein.

Auch fast alle Büchereien im Wahlkreis hat Schneider besucht. Mit Blick auf das neue Kulturfördergesetz möchte er vor allem den Stellenwert der Bibliotheken festschreiben. Da rein ehrenamtlich betriebene Büchereien wie in Alpen oder Sonsbeck keine Landesförderung in Anspruch nehmen können, hofft er, dass diese Orte die Möglichkeit bekommen, über eine Zweckverbandslösung mit einer halben Stelle eine Bibliothekarin gemeinsam zu beschäftigen. So würden sich Chancen eröffnen, die Bibliotheken zukunftsfest zu machen.

(RP)
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